01.02.2013
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Ein Appell ans UNHCR in Tunis. Seit Montag fordern abgelehnte Schutzsuchende in Tunis, dass sich das UNHCR für sie einsetzt. Foto: <a href="http://chouchaprotest.noblogs.org">Emir Ben Ayed / chouchaprotest.noblogs.org</a>

Seit rund zwei Jahren sitzen Flüchtlinge im Lager Choucha in der tunesischen Wüste fest. Rund 230 von ihnen wurden vom UNHCR nicht als Flüchtlinge anerkannt. Sie sollen das Lager nun verlassen – doch wohin? Seit Montag demonstrieren rund 100 von ihnen in Tunis – sie fordern einen Ausweg aus der Auswegslosigkeit.

Als der Bür­ger­krieg in Liby­en aus­brach, sahen sich Zehn­tau­sen­de Men­schen zur Flucht gezwun­gen, die schon vor­her Flücht­lin­ge und Migran­ten waren: Men­schen aus dem Sudan,  aus Soma­lia, Tschad, Libe­ria, aus der Elfen­bein­küs­te, aus Äthio­pi­en, Nige­ria, Kon­go und ande­ren Staa­ten, die in Liby­en gestran­det waren, dort in Lebens­ge­fahr gerie­ten, aber nicht zurück in ihre Her­kunfts­län­der konn­ten.  Tau­sen­de von Ihnen flo­hen nach Tune­si­en in das vom UNHCR in der Wüs­te errich­te­te Flücht­lings­la­ger Choucha.

Ein Teil der Flücht­lin­ge konn­te dank des soge­nann­ten Resett­le­ment-Ver­fah­rens des UNHCR in einen siche­ren Staat umge­sie­delt wer­den – in die USA, nach Kana­da oder Euro­pa. Ein Teil ver­lor alle Hoff­nung und mach­te sich auf eige­ne Faust Rich­tung Euro­pa auf – eini­ge Flücht­lin­ge aus Chou­cha kamen dabei im Mit­tel­meer um. Nach lan­gem Zögern nahm schließ­lich auch Deutsch­land rund 200 Men­schen aus Chou­cha auf. Noch immer sit­zen Hun­der­te Flücht­lin­ge im Zelt­la­ger in der Wüs­te fest und war­ten unter kaum erträg­li­chen Lebens­be­din­gun­gen dar­auf, end­lich irgend­wo an einem siche­ren Ort  auf­ge­nom­men zu werden.

Doch ein Teil der Men­schen in Chou­cha sieht sich sei­ner Chan­ce beraubt, anders­wo ein neu­es Leben zu begin­nen. Rund 230 der Schutz­su­chen­den hat das UNHCR in den soge­nann­ten „RSD-Ver­fah­ren“ (Refu­gee Sta­tus Deter­mi­na­ti­on-Ver­fah­ren) abge­lehnt – ihnen wur­de kein Flücht­lings­sta­tus zuge­spro­chen. Die Betrof­fe­nen haben damit kei­ne Chan­ce, im Rah­men des UNHCR-Resett­le­ment-Ver­fah­rens umge­sie­delt zu wer­den. Im Camp Chou­cha blei­ben kön­nen sie auch nicht: Seit Novem­ber 2012 berich­ten Betrof­fe­ne davon, dass ihnen der Zugang zu Lebens­mit­teln und medi­zi­ni­scher Ver­sor­gung im Camp ver­wehrt wird. Eini­ge aus die­ser Grup­pe sol­len mitt­ler­wei­le schwer erkrankt sein.

Rund 100 der Betrof­fe­nen pro­tes­tie­ren seit Mon­tag, den 28. Janu­ar 2013 in Tunis gegen ihre aus­sichts­lo­se Lage. Der Pro­test rich­tet sich an die Euro­päi­sche Uni­on, das UN-Flücht­lings­kom­mis­sa­ri­at und die tune­si­schen Behör­den. Bis­lang lehnt Tune­si­en ab, den Betrof­fe­nen einen Auf­ent­halts­sta­tus zu gewäh­ren. Das UNHCR wie­der­um, dem die Betrof­fe­nen vor­wer­fen, sie sei­en auf­grund unqua­li­fi­zier­ter Dol­met­scher und has­ti­ger Ver­fah­ren abge­lehnt wor­den, will ihre Fäl­le nicht noch­mals prü­fen.  Auch eine huma­ni­tä­re Lösung – etwa eine Auf­nah­me in EU-Staa­ten jen­seits des regu­lä­ren Resett­le­ment-Ver­fah­rens des UNHCR – ist bis­lang nicht in Sicht.

Nur eins ist sicher: Die abge­lehn­ten Schutz­su­chen­den ohne jede Lebens­per­spek­ti­ve und ohne Ver­sor­gung in der Wüs­te sit­zen zu las­sen, dür­fen weder das UNHCR, die tune­si­sche Regie­rung noch die EU-Staa­ten zulas­sen. Das UNHCR muss drin­gend allen im Camp Chou­cha ver­blie­be­nen Schutz­su­chen­den Zugang zu Lebens­mit­teln und medi­zi­ni­scher Ver­sor­gung gewäh­ren. Spä­tes­tens bis zur Schlie­ßung des Camps im Juni 2013 muss drin­gend eine huma­ni­tä­re Lösung für die abge­lehn­ten Asyl­su­chen­den gefun­den werden.

 Chou­cha: Hun­der­te Flücht­lin­ge ohne Schutz in der Wüs­te (04.07.13)

 Tune­si­en: Hun­ger­streik von Flücht­lin­gen aus Chou­cha  (08.04.13)

 Resett­le­ment: Deutsch­land kann mehr! (19.11.12)

 Zwei­te Auf­nah­me­ak­ti­on im Rah­men des Resett­le­ment-Pro­gramms (09.10.12)

 Chou­cha: Noch immer sit­zen Flücht­lin­ge in der tune­si­schen Wüs­te fest (17.07.12)

 Appell „Voices of Chou­cha – Flucht­we­ge öff­nen, Flücht­lin­ge auf­neh­men!“ (31.05.11)