28.03.2013
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Wut und Trauer: Tunesische Mütter protestieren gegen die Migrationspolitik der EU – sie demonstrieren mit Fotos ihrer Kinder, die beim Versuch, nach Europa zu gelangen, auf dem Mittelmeer verschollen sind.

Zum ersten Mal findet das Weltsozialforum im arabischen Raum statt. Das Thema Migration spielt dort eine große Rolle. Doch Flüchtlinge aus dem tunesischen Flüchtlingslager Choucha wurden vom Militär an der Teilnahme am Forum gehindert.

Sie woll­ten sich beim Welt­so­zi­al­fo­rum in Tunis für die Rech­te von Flücht­lin­gen ein­set­zen und auf ihre ver­zwei­fel­te Situa­ti­on auf­merk­sam machen, doch soweit kam es nicht: Obwohl rund 130 Flücht­lin­ge, die seit fast zwei Jah­ren im Flücht­lings­la­ger Chou­cha in der tune­si­schen Wüs­te fest­sit­zen, vom Ver­tei­di­gungs­mi­nis­te­ri­um die Zusa­ge erhal­ten hat­ten, zur Teil­nah­me am Forum nach Tunis rei­sen zu dür­fen, wur­den ihre Bus­se am Mon­tag von Sicher­heits­kräf­ten aufgehalten.

Im Flücht­lings­la­ger Chou­cha leben noch immer Flücht­lin­ge, die vor dem Krieg in Liby­en nach Tune­si­en geflo­hen waren. Ein Teil von Ihnen wur­de vom UNHCR nicht als schutz­be­dürf­tig aner­kannt und soll das Lager ver­las­sen. Da die nicht aner­kann­ten Flücht­lin­ge kei­ne Chan­ce auf einen Auf­nah­me­platz im Aus­land haben und Tune­si­en ihnen kei­ne lega­le Auf­ent­halts­per­spek­ti­ve bie­tet, sit­zen sie in aus­weg­lo­ser Lage fest.

Aus einem Bericht des Neu­en Deutsch­land geht her­vor, dass auch Ver­tre­te­rin­nen und Ver­tre­ter einer fran­zö­sisch-bel­gisch-ita­lie­ni­schen Migran­ten­in­itia­ti­ve nicht zum Welt­so­zi­al­fo­rum durch­ge­las­sen wur­den – offen­bar wur­den papier­lo­se Teil­neh­men­de der Grup­pe zur Umkehr nach Ita­li­en gezwun­gen, wo ihnen Abschie­be­haft droht.

Auf dem Welt­so­zi­al­fo­rum tref­fen sich jähr­lich unter­schied­lichs­te poli­ti­sche und sozia­le Grup­pie­run­gen, um über Gerech­tig­keit, Wür­de und Alter­na­ti­ven zum Kapi­ta­lis­mus zu dis­ku­tie­ren.  Die tune­si­sche Regie­rung, die die Dik­ta­tur Ben Alis nach der tune­si­schen Revo­l­ul­ti­on ablös­te, geneh­mig­te das Forum in Tunis, scheint jedoch kri­ti­sche Stim­men gegen die eige­ne Poli­tik auf dem Sozi­al­fo­rum unter­bin­den zu wol­len – offen­bar wur­den die Ver­an­stal­te­rin­nen und Ver­an­stal­ter des Forums unter Druck gesetzt. Umstrit­ten ist beim Forum in Tunis auch die Teil­nah­me isla­mis­ti­scher Grup­pie­run­gen. Dies legt ein Bericht der Taz nahe.

Kri­tik der Exter­na­li­sie­rung des EU-Grenzregimes

Neben dem Kampf für Demo­kra­tie spielt das The­ma Migra­ti­on auf dem dies­jäh­ri­gen Welt­so­zi­al­fo­rum eine zen­tra­le Rol­le. Ein Work­shop des Forums unter Betei­li­gung von Brot für die Welt, Med­ico Inter­na­tio­nal und PRO ASYL wid­met sich der Dis­kus­si­on um die Vor­ver­la­ge­rung der Euro­päi­schen Grenz- und Migra­ti­ons­kon­trol­le in die Maghreb-Staa­ten. Durch mul­ti- und bila­te­ra­le Ver­trä­ge mit Her­kunfts­staa­ten und Tran­sit­staa­ten, bei denen Ent­wick­lungs- und Migra­ti­ons­po­li­tik mit­ein­an­der ver­knüpft wer­den, ver­sucht die EU Migra­ti­on schon jen­seits ihres eige­nen Ter­ri­to­ri­ums zu ver­hin­dern. Letzt­lich wer­den die Regie­run­gen der Regi­on von der EU unter Druck gesetzt, ihren Staats­bür­gern Rei­se­frei­heit zu ver­wei­gern und Flücht­lin­ge aus Dritt­staa­ten zu inter­nie­ren oder zurück­schie­ben, um sie von der Wei­ter­flucht nach Euro­pa abzuhalten. 

 Chou­cha: Hun­der­te Flücht­lin­ge ohne Schutz in der Wüs­te (04.07.13)

 Tune­si­en: Hun­ger­streik von Flücht­lin­gen aus Chou­cha  (08.04.13)