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Illegale Push-Backs: Druck auf Griechenland und Frontex steigt
Nach der Veröffentlichung eines PRO ASYL-Berichts über systematische völkerrechtswidrige Push-Back-Operationen an der griechischen EU-Außengrenze stehen Griechenland, Frontex und die EU international in der Kritik. Frontex gerät mehr und mehr unter Druck, den Einsatz an den griechischen Grenzen aufgrund der Menschenrechtsverletzungen an der Land- und Seegrenze abzubrechen.
Monatelang kursierten Gerüchte, dass Flüchtlinge, die größtenteils aus Syrien stammen, an der griechischen Landgrenze von maskierten Sonderkommandos misshandelt und völkerrechtswidrig zurückgewiesen werden. Der PRO ASYL-Bericht „Pushed Back“ hat diese Praxis anhand zahlreicher Zeugenaussagen von Betroffenen belegen können und zeigt, dass die illegalen Push-Backs der Sonderkommandos systematisch geschehen. So werden etwa auf griechischen Inseln landende Flüchtlinge von solchen Sonderkommandos meist unter massivem Gewalteinsatz in türkische Gewässer zurückgebracht und dort in oft seeuntauglichen Booten mitten auf dem Meer ausgesetzt. Der Bericht hat international zahlreiche Reaktionen hervorgerufen.
UNHCR bestätigt Bericht über illegale Zurückweisungen
UNHCR äußerte in einem Statement, die Zahl und das Ausmaß der mutmaßlichen Ereignisse seien besorgniserregend. Ein Teil der im Bericht genannten Methoden gleiche Aussagen über Push-Back-Operationen, die dem UNHCR vorlägen. „2013 hat UNHCR über Zeugenaussagen von Flüchtlingen etliche Angaben über solche Push-Backs an Land- und zunehmend auch Seegrenzen erhalten“, bestätigte UNHCR.
Das Flüchtlingshilfswerk der vereinten Nationen betonte, dass Menschen auf der Suche nach Schutz das Recht haben, dass ihnen Zugang zu EU-Territorium gestattet werde. Sofern es Praktiken gebe, die dies verhindern und dabei das Leben von Flüchtlingen gefährden, müssten diese sofort gestoppt werden. Die Vorwürfe der Misshandlungen von Flüchtlingen bei ihrer Ankunft in Griechenland sowie die Berichte über Praktiken, die die Betroffenen Lebensgefahr aussetzen, müssten von den griechischen Behörden sofort aufgeklärt werden. UNHCR werde die zuständigen Behörden mit den vorliegenden Informationen konfrontieren. Die griechischen Behörden hatten gegenüber dem UNHCR behauptet, solche Push-Back-Operationen fänden nicht statt.
Wie dringend die Aufklärung dieser schweren Menschenrechtsverletzungen ist, dokumentiert unter anderem eine Nachricht des UNHCR, dass vorgestern im Evros-Gebiet rund 150 syrische Flüchtlinge – darunter zahlreiche Familien mit Kindern – nach der Überquerung des Evros-Grenzflusses in Polizeigewahrsam genommen wurden. Als ein Team des UNHCR die Betroffenen aufsuchen wollte, waren diese bereits verschwunden – Augenzeugen schilderten, dass die Flüchtlinge zuvor in Polizeifahrzeuge gebracht wurden. Wohin die Flüchtlinge gefahren wurden, konnte das UNHCR trotz mehrmaliger Anfragen bei den Polizeibehörden nicht herausfinden, auch bei den Erstaufnahmeeinrichtungen in der Region tauchten die Betroffenen nicht auf. Die Meldung des UNHCR legt nahe, dass die Flüchtlinge Opfer illegaler Push-Backs geworden sein könnten.
Anfrage an die EU-Kommission aus dem Europa-Parlament
In Folge des PRO ASYL-Berichts richtet die Abgeordnete Franziska Keller (Grüne) eine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung an die Kommission, die der europäischen Dimension der dokumentierten Menschenrechtsverletzungen nachgeht. Sie betont darin, dass fast alle der im Bericht dokumentierten Push-Back-Operationen im Einsatzgebiet der europäischen Grenzschutzagentur Frontex liegen, die eng mit der griechischen Grenzpolizei kooperiert. Frontex ist laut der Frontex-Verordnung dazu verpflichtet, Einsätze abzubrechen, wenn es im Einsatzgebiet zu Menschenrechtsverletzungen kommt. „Ist die Kommission der Ansicht, dass Frontex die Operation an der griechisch-türkischen Grenze und in der Ägäis beenden sollte?“, heißt es dazu in der Anfrage, in die Kommission auch mit der Frage konfrontiert wird, was sie unternehme, „um zu verhindern, dass Griechenland Menschen- und Flüchtlingsrechte offenbar systematisch verletzt“ und wie sie kontrolliere, „dass dafür keine EU-Mittel, etwa aus dem Außengrenzenfonds, verwendet“ würden. Die Antwort der Kommission steht noch aus.
Verantwortung von Frontex: Europäische Ombudsfrau fordert Beschwerdemechanismus
Die Europäische Ombudsfrau Emily O’Reilly, die Beschwerden über Missstände in EU–Institutionen untersucht, hat heute Frontex aufgefordert, einen Beschwerde-Mechanismus über die Verletzung von Grundrechten einzurichten. „Vor dem Hintergrund der Lampedusa-Tragödie und anderen humanitären Katastrophen an EU-Grenzen in jüngster Zeit ist es von größter Wichtigkeit, dass Frontex direkt Beschwerden von Einwanderern und anderen betroffenen Personen behandeln kann“, so O’Reilly. O’reilly weist darauf hin, dass zivilgesellschaftliche Organisationen und die Parlamentarische Versammlung des Europarates immer wieder Zweifel daran geäußert haben, ob sich Frontex an die Grundrechte halte. Als Beispiel wurde auf den Einsatz von Grenzschutz-Teams durch Frontex in Griechenland verwiesen. „Ich kann die Ansicht von Frontex nicht teilen, dass Menschrechtsverletzungen ausschließlich in der Verantwortung der jeweiligen Mitgliedstaaten liegen,“ reagierte O’Reilly auf die übliche Strategie der Agentur, die Verantwortung für Menschenrechtsverletzungen stets auf die beteiligten Mitgliedstaaten abzuwälzen.
Aufgrund der Häufigkeit und Schwere der Menschenrechtsverletzungen in Griechenland fordert PRO ASYL, dass Frontex seine Operationen in Griechenland beenden muss. Die EU muss vor dem Hintergrund dieser schweren Menschenrechtsverletzungen dringend die Finanzhilfen für griechische Grenzschutzmaßnahmen überprüfen. Die völkerrechtswidrigen Praktiken der Zurückweisung und Misshandlungen von Schutzsuchenden müssen unverzüglich beendet werden.
Deutsche Zusammenfassung des Berichts mit Fallberichten (deutsch)
Geplante Frontex-Verordnung: EU will das Abdrängen von Flüchtlingen zur Norm erklären (20.02.14)
Tod im Schlepptau der Küstenwache (22.01.14)
Griechenland sagt Untersuchung illegaler Push-Backs zu (20.01.14)
Auch nach Erhöhung des Kontingents kaum Chancen für Syrienflüchtlinge (09.12.13)