20.12.2015
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Adnan, Mohamed und Nisrin sind in Deutschland in Sicherheit. Sie haben vergeblich versucht, ihre Angehörigen zu sich zu holen - für einen Teil der Familie kommt jede Hilfe jetzt zu spät. Foto: Andrea Huber

Mohamed und Nisrin leben schon seit Jahren in Deutschland. Ihre Verwandten in Syrien mussten aus Aleppo in den Nordwesten des Landes fliehen. Alle Versuche von Mohamed und Nisrin, sie nach Deutschland zu holen, scheitern. Mittlerweile wurden mehrere Familienmitglieder von Bomben getötet. PRO ASYL dokumentiert die traurige Geschichte:

Moha­med Ghne­ma (39) lebt mit sei­ner Ehe­frau Nis­rin Ismail (29) in Mün­chen und arbei­tet als Fach­la­ge­rist. Nis­rin ist als Finanz­buch­hal­te­rin an der Uni­ver­si­tät tätig. Nisrins Vater kam bereits 2013 in einem syri­schen Gefäng­nis ums Leben, nach­dem er zwei Jah­re zuvor bei einer Demons­tra­ti­on fest­ge­nom­men wor­den war – er starb durch Miss­hand­lung und Fol­ter, sagt Nisrin.

Ver­geb­li­che Ver­su­che, die Fami­lie nach Deutsch­land zu holen

Mehr als zwei Jah­re lang ver­su­chen Moha­med und Nis­rin bereits ver­geb­lich, Fami­li­en­an­ge­hö­ri­ge aus Syri­en zu ret­ten. Seit die Häu­ser ihrer Ange­hö­ri­gen in Syri­en durch Bom­ben des Assad-Regimes zer­stört wur­den, unter­stüt­zen sie die Fami­lie, die nach Idlib im Nord­wes­ten Syri­ens geflo­hen ist. Als die Bun­des­re­gie­rung 2013 beschließt, 10.000 syri­sche Flücht­lin­ge auf Antrag von Ver­wand­ten in Deutsch­land auf­zu­neh­men, schöp­fen sie Hoff­nung. Doch das Kon­tin­gent der Auf­nah­me­pro­gram­me war viel zu klein: Ihr Antrag blieb unbe­rück­sich­tigt – wie Zehn­tau­sen­de ande­re auch.

Das Feh­len siche­rer Wege treibt die Men­schen in die Hän­de von Schleusern

Auch die Bun­des­län­der ermög­li­chen Syrern, ihre Ver­wand­ten aus dem Kriegs­ge­biet sicher und legal nach Deutsch­land zu holen. Die Lan­des­auf­nah­me­pro­gram­me sind meist an eine Ver­pflich­tungs­er­klä­rung geknüpft – die hier leben­den Ange­hö­ri­gen müs­sen per­sön­lich erklä­ren, für den Lebens­un­ter­halt der Ein­rei­sen­den qua­si lebens­lang auf­zu­kom­men. Für Moha­med und Nis­rin ist das kein Hin­der­nis: Sie arbei­ten bei­de und haben ein aus­rei­chen­des Ein­kom­men, um die finan­zi­el­le Ver­pflich­tung für die Ange­hö­ri­gen ein­zu­ge­hen. Aber auch die­se Mög­lich­keit bleibt ihnen ver­wehrt: Als ein­zi­ges Bun­des­land hat Bay­ern kein Lan­des­auf­nah­me­pro­gramm für syri­sche Flücht­lin­ge beschlos­sen. Im Juni 2015 meint Moha­med in einem Gespräch: „Die­se Poli­tik treibt unse­re Ver­wand­ten in die Hän­de ille­ga­ler Schleuser“

„Hät­te Bay­ern ein Auf­nah­me­pro­gramm gehabt, hät­ten sie nicht ster­ben müssen“

Doch es kommt noch schlim­mer: Tat­säch­lich macht sich Moha­meds Bru­der Adnan selbst auf den Weg, will in Deutsch­land Asyl bean­tra­gen, um sei­ne Fami­lie spä­ter über einen siche­ren Weg nach­ho­len zu kön­nen – denn die Kern­fa­mi­lie (min­der­jäh­ri­ge Kin­der und Ehe­part­ner) von aner­kann­ten Asyl­be­wer­bern kann bis­lang auch außer­halb der Auf­nah­me­pro­gram­me legal nach Deutsch­land kom­men. Im August 2015 kommt Adnan in Deutsch­land an. Kei­ne vier Wochen spä­ter wird sei­ne Frau, im fünf­ten Monat schwan­ger, von einer Fass­bom­be getö­tet, die Kin­der wer­den schwer ver­letzt. Bis­lang konn­te der Wit­wer auch sei­ne bei­den klei­nen Kin­der nicht zu sich nach Deutsch­land holen.

Auch die Fami­lie sei­ner Schwes­ter konn­te Moha­med nicht ret­ten: Sie und ihr drei­jäh­ri­ger Sohn wer­den bei einem Bom­ben­an­griff schwer ver­wun­det. Für den Schwa­ger und die fünf­jäh­ri­ge Toch­ter käme inzwi­schen jedes Auf­nah­me­pro­gramm zu spät – sie sind tot. „Hät­te Bay­ern wie ande­re Bun­des­län­der 2013 ein Auf­nah­me­pro­gramm gehabt, hät­ten sie nicht ster­ben müs­sen“, sagt Moha­med Ghne­ma bitter.

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Engagieren Sie sich für verfolgte Menschen

PRO ASYL berät und unter­stützt vie­le Tau­send Men­schen in ihren oft schwie­ri­gen Flucht­si­tua­tio­nen. Damit Flücht­lin­ge ihre Fami­lie zu sich holen kön­nen, kämp­fen wir dafür, dass beson­ders Schutz­be­dürf­ti­ge auf lega­len und siche­ren Wegen nach Deutsch­land kom­men kön­nen und set­zen uns dafür ein, dass die Auf­nah­me­pro­gram­me für syri­sche Flücht­lin­ge fort­ge­führt und aus­ge­baut wer­den.

Wir freu­en uns über jede Unter­stüt­zung in Form einer För­der­mit­glied­schaft oder einer Spen­de: Spen­den­kon­to-Nr.: 8047300 | Bank für Sozi­al­wirt­schaft Köln | BLZ: 370 205 00 IBAN: DE62 3702 0500 0008 0473 00 | BIC: BFSWDE33XXX

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