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Schlag auf Schlag: Nach Asylrechtsverschärfung auch Ausweitung der Afghanistan-Abschiebungen?
Kaum wurde sein umstrittenes Gesetzespaket im Eiltempo durch den Bundestag gepeitscht, unternimmt Horst Seehofer den nächsten Vorstoß: Bei der Innenministerkonferenz in der kommenden Woche soll ein Beschluss zur Ausweitung von Abschiebungen nach Afghanistan gefasst werden. Und: Diese beiden Themen hängen enger miteinander zusammen, als man denkt.
Insgesamt sieben Gesetzesentwürfe aus den Bereichen Asyl- und Aufenthaltsrecht wurden im Bundestag beschlossen, darunter waren neben dem »Hau-Ab-Gesetz« (in der verniedlichenden offiziellen Regierungssprache »Geordnete-Rückkehr-Gesetz«) u.a. auch Änderungen bei der Duldung oder im Asylbewerberleistungsgesetz. Hier wurden wesentliche Neuerungen vergangene Woche zusammengefasst, in der Zwischenzeit hatten Union und SPD gar noch weitere Verschärfungen eingearbeitet – trotz breiter Kritik.
Von Menschenrechtlern über Polizisten und Richter bis hin zur SPD-Basis
Neben etlichen Organisationen aus der Zivilgesellschaft (Offener Brief von 22 Anwalts- und Richtervereinigungen, Kinderrechts‑, Wohlfahrts- und Menschenrechtsorganisationen) hatten auch die Menschenrechtskommissarin des Europarates, die Gewerkschaft der Polizei, die Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Juristinnen und Juristen und sogar eine große Zahl von Amts- und Mandatsträgern der SPD gegen die Asylrechtsverschärfungen protestiert.
Die SPD hat den Hardlinern in der Union mit der Zustimmung zum Gesetzespaket nun die Instrumente an die Hand geliefert, um die geplante immer rigorosere Abschiebepolitik auch umzusetzen.
Der Beschluss der Bundestagsabgeordneten hat schwerwiegende Folgen. Hohe Hürden bei der Ausbildungsduldung, verfassungswidrige Leistungskürzungen, eine massive Ausweitung von Abschiebehaft, die sogenannte »Duldung light«, mit der den Menschen Wege in ein mögliches Bleiberecht versperrt werden, die Kriminalisierung der Zivilgesellschaft – all das ist für sich genommen schon drastisch genug.
Die traurige Rolle der SPD als Wegbereiter
Es sind aber nicht nur diese bekannten und offensichtlichen Folgen: Der Vorstoß von Bundesinnenminister Seehofer zu Abschiebungen nach Afghanistan offenbart, dass dies nur ein erster Schritt war. Die SPD hat den Hardlinern in der Union mit der Zustimmung zum Gesetzespaket nun die Instrumente an die Hand geliefert, um die geplante immer rigorosere Abschiebepolitik auch umzusetzen.
Seehofer marschiert weiter
Denn mit diesen Mitteln möchte Horst Seehofer nun offenbar auch weitere Abschiebungen nach Afghanistan forcieren. Die in den meisten Bundesländern geltende Beschränkung auf Straftäter, Gefährder und teilweise auch sog. »Identitätsverweigerer« soll wegfallen, das fordert er vor der anstehenden Innenministerkonferenz am 12. Juni in Schleswig-Holstein.
Die im Bundestag beschlossene Entrechtung von Geflüchteten schafft die Voraussetzung für eine dramatische Erhöhung der Abschiebezahlen: durch die monatelange Isolation in AnkER-Zentren fehlt es den betroffenen Geflüchteten an notwendiger Unterstützung, insbesondere durch Rechtsanwälte, die Polizei darf nun bundesweit die Wohnung zum Zweck der Abschiebung ohne richterlichen Beschluss betreten und durch die drastische Absenkung der Voraussetzungen für Abschiebungshaft und Ausreisegewahrsam werden mehr Menschen inhaftiert werden – und dies sogar in normalen Gefängnissen, was europäisches Recht bricht.
Damit könnten Seehofers Träume von mehr Abschiebungen nach Afghanistan wahr werden, auch wenn sich an der katastrophalen Sicherheitssituation in Afghanistan selbst nichts verbessert hat.
Durch die gleichzeitig erhöhten Anforderungen an die Ausbildungsduldung, wird es für viele Menschen schwieriger werden einen einigermaßen sicheren Aufenthalt in Deutschland zu bekommen. Damit könnten Seehofers Träume von mehr Abschiebungen nach Afghanistan wahr werden, auch wenn sich an der katastrophalen Sicherheitssituation in Afghanistan selbst nichts verbessert hat.
Afghanistan: Einfach nicht sicher.
Das besagen nicht nur UNHCR-Richtlinien – von der Bundesregierung als »bloße Empfehlung« deklariert und praktisch ignoriert – das zeigen auch aktuelle Berichte wie der des US-Special Inspector General for Afghanistan Reconstruction (SIGAR), jüngste Terroranschläge in der Hauptstadt Kabul und ein UNICEF-Report, der mehr als 190 militärische Angriffe auf Schulen allein im Jahr 2018 auflistet.
Das Hau-ab-Gesetz hat jetzt den Weg für maßlose Inhaftierungen und Abschiebungen bereitet. Zumindest im Hinblick auf Afghanistan können die Innenminister der Länder sich Horst Seehofer noch in den Weg stellen, indem sie nächste Woche bei der Innenministerkonferenz keine Ausweitung der von Abschiebungen nach Afghanistan betroffenen Personengruppe beschließen.
(mk)