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Márta Pardavi und András Kádár vom Hungarian Helsinki Commitee. Fotos: HHC

Ungarn verweigert Schutzsuchenden in den geschlossenen Transitzentren an der serbischen Grenze das Essen. Das Ungarische Helsinki Komitee erstreitet die Essenversorgung vor dem Menschenrechtsgerichtshof. Einer von vielen Gründen, wieso die Stiftung PRO ASYL am 8. September der ungarischen Organisation ihren Menschenrechtspreis verleiht.

Einen Asyl­an­trag in Ungarn kön­nen Schutz­su­chen­de nur noch in den zwei Tran­sit­zo­nen an der ser­bisch-unga­ri­schen Gren­ze stel­len. Seit Janu­ar 2018 wird  pro Tag und pro Tran­sit­zo­ne nur einem Asyl­su­chen­den  Ein­lass gewährt. Die Lis­te der durch Orbán-Regie­rung ver­letz­ten Rech­te ist lang. Selbst die Euro­päi­sche Kom­mis­si­on sah sich  am 17. Juli 2018 zur einer här­ten Gang­art gezwun­gen: »Die Euro­päi­sche Kom­mis­si­on hat heu­te beschlos­sen, Ungarn vor dem Gerichts­hof der Euro­päi­schen Uni­on (EuGH) zu ver­kla­gen, weil die Asyl- und Rück­füh­rungs­vor­schrif­ten des Lan­des nicht mit dem EU-Recht ver­ein­bar sind.«

Trotz wei­te­rer Schrit­te in Ver­trags­ver­let­zungs­ver­fah­ren gegen Ungarn ver­schärf­te die Orbán-Regie­rung ihre flücht­lings­feind­li­che Poli­tik im August 2018: Allen abge­lehn­ten Asyl­su­chen­den in den Tran­sit­zo­nen, auch denen, die gegen die nega­ti­ve Beschei­de kla­gen, wird die Essens­ver­sor­gung ent­zo­gen. Aus­hun­gern – so sieht eine der Kon­se­quen­zen des erneu­ten ver­schärf­ten Asyl­rechts in Ungarn aus. Mit Eil­an­trä­gen an den Euro­päi­schen Gerichts­hof für Men­schen­rech­te (EGMR) hat das Unga­ri­sche Hel­sin­ki Komi­tee der Ver­wei­ge­rung der  Nah­rungs­mit­tel­ver­sor­gung vor­erst ein Ende berei­tet. Am 23. August 2018 gab die zustän­di­ge Behör­de in Ungarn bekannt, dass sie die Ver­sor­gung für alle Schutz­su­chen­de in den geschlos­se­nen Lagern wie­der sicher­stel­len wird.

Wer klagt, bekommt nichts zu essen 

Mit­te August wur­de eine wei­te­re Ver­schär­fung des bereits ver­stüm­mel­ten unga­ri­schen Asyl­rechts umge­setzt. Nun­mehr reicht die blo­ße Durch­rei­se durch Ser­bi­en, um ein Schutz­ge­such als »unzu­läs­sig« abzu­leh­nen. Die abge­lehn­ten Asyl­su­chen­den wer­den ver­pflich­tet,  das Land umge­hend zu ver­las­sen. Kla­gen sie, müs­sen sie bis zur Ent­schei­dung in der abge­schlos­se­nen Tran­sit­zo­ne blei­ben, bekom­men aber nichts mehr zu essen. Die Asyl­be­hör­de, Betrei­ber der Tran­sit­zo­nen, ver­wei­gert den abge­lehn­ten Asyl­su­chen­den mit Aus­nah­me von Kin­dern und stil­len­den Müt­tern die Nah­rung, nach dem Mot­to: »Geht nach Ser­bi­en, da könnt ihr essen.« Huma­ni­tä­ren Hilfs­or­ga­ni­sa­tio­nen wird zeit­gleich der Zugang zu den Tran­sit­zo­nen verweigert.

Essen? Nur auf gerichtliche Anordnung! 

Das Unga­ri­sche Hel­sin­ki Komi­tee unter­stützt die betrof­fe­nen Asyl­su­chen­den bei der Durch­set­zung ihrer fun­da­men­ta­len Rech­te. In drei Fäl­len, die ins­ge­samt acht Per­so­nen betra­fen, reich­te die Men­schen­rechts­or­ga­ni­sa­ti­on einen Eil­an­trag gegen die Abschie­bung nach Ser­bi­en und zur Sicher­stel­lung der Ernäh­rung der betrof­fe­nen Per­so­nen beim Men­schen­rechts­ge­richts­hof in Straß­burg ein. Die­ser reagier­te prompt und ord­ne­te die Sicher­stel­lung der Ernäh­rung sowie den Stopp der Aus­wei­sung an.

  • Eine fünf­köp­fi­ge afgha­ni­sche Fami­lie, das jüngs­te Fami­li­en­mit­glied ist ein drei Mona­te alter Säug­ling, stell­te am 10. Juli 2018 einen Antrag auf inter­na­tio­na­len Schutz im Tran­sit­zen­trum Röszke. Sie muss­te vor­her zwan­zig Mona­te in Ser­bi­en auf den Zugang zum Tran­sit­zen­trum war­ten. In die­ser Zeit muss­ten sie unter höchst pre­kä­ren Umstän­den in Ser­bi­en leben. Auf Grund­la­ge der neu­en Unzu­läs­sig­keits­be­stim­mun­gen wur­de ihr Antrag am 8. August abge­lehnt. Die Flücht­lings­fa­mi­lie wur­de ange­wie­sen, bis zur Aus­rei­se nach Ser­bi­en im Tran­sit­zen­trum zu blei­ben. Die stil­len­de Mut­ter und die klei­nen Kin­der erhiel­ten Nah­rung, durf­ten aller­dings nichts mit dem Vater teilen.
  • Der Asyl­an­trag zwei­er Brü­der aus Syri­en wur­de am 9. August 2018  zurück­ge­wie­sen. Nach­dem der ers­te Eil­an­trag vor dem EGMR erfolg­reich war, erhiel­ten sie wie­der Essen. Als sie am Mor­gen des 14. August früh­stü­cken woll­ten, wur­de die­ses mit der Begrün­dung ver­wei­gert, dass sie zunächst eine einst­wei­li­ge Anord­nung beim EGMR bean­tra­gen müssten.

PRO ASYL – Menschenrechtspreis für HHC 

Rechts­staat­lich­keit und fun­da­men­ta­le Men­schen­rech­te wie das Recht auf Leben, das Recht auf Asyl ste­hen in Ungarn zur Dis­po­si­ti­on. Trotz der zuneh­men­den Bedro­hung und den Kri­mi­na­li­sie­rungs­ver­su­chen zeigt das Hun­ga­ri­an Hel­sin­ki Com­mit­tee (HHC) wei­ter­hin der Orbán-Regie­rung die Stirn. Die Stif­tung PRO ASYL wür­digt die her­aus­ra­gen­de Men­schen­rechts­ar­beit des HHC. Am 8. Sep­tem­ber zeich­net die Stif­tung  PRO ASYL die bei­den Vor­sit­zen­den des HHC, Már­ta Par­da­vi und András Kádár, mit ihrem Men­schen­rechts­preis aus. Der Preis der Stif­tung PRO ASYL ist mit 5.000€ dotiert. Die Preis­ver­lei­hung fin­det am 8. Sep­tem­ber in Frank­furt am Main statt.

(mz)