04.12.2014
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Hunderttausende Menschen sind vor dem Terror des Islamischen Staates in den Nordirak geflohen. Der Winter droht für sie zur Katastrophe zu werden. Foto: flickr / UNHCR

Aufgrund mangelnder Finanzierung musste das UN World Food Programme (WFP) vorgestern die lebensrettende Hilfe für 1,7 Flüchtlinge einstellen. Der Winter könnte die humanitären Katastrophe für Schutzsuchende aus dem Irak und Syrien weiter verschärfen. Bei uns in der Beratung melden sich immer mehr Menschen, die um ihre Angehörigen bangen und sie zu sich holen möchten. Doch das scheitert in der Regel an einer sehr restriktiven Visa-Vergabe.

Die Lage der Men­schen, die vor dem Krieg in Syri­en und im Irak auf der Flucht sind, spitzt sich immer wei­ter zu. Die Erst­auf­nah­me­staa­ten Liba­non, Jor­da­ni­en, die Tür­kei sowie die Regi­on Nord­irak haben inzwi­schen über 3,5 Mil­lio­nen Flücht­lin­ge auf­ge­nom­men und erklä­ren regel­mä­ßig, dass sie die Gren­ze ihrer Auf­nah­me­ka­pa­zi­tät erreicht haben. Die Flücht­lin­ge leben in den Erst­auf­nah­me­staa­ten unter schwie­ri­gen bis kata­stro­pha­len Bedingungen.

Mit dem Win­ter­ein­bruch wird die Situa­ti­on von Mil­lio­nen Flücht­lin­gen aus dem Irak und Syri­en lebens­be­droh­lich. Im Nord­irak leben hun­dert­tau­sen­de Men­schen, die vor der Ter­ror­mi­liz Isla­mi­scher Staat geflo­hen sind, in Not­be­hau­sun­gen und Zel­ten.  „Es fehlt den Men­schen ein­fach an allem. Die Ver­hält­nis­se sind wirk­lich ganz ver­hee­rend. Es ist kalt und es gibt kaum Heiz­mög­lich­kei­ten“, erklärt UNICEF-Spre­che­rin Freya von Groo­te. Für mehr als drei Mil­lio­nen syri­sche Flücht­lin­ge in Jor­da­ni­en, der Tür­kei und dem Liba­non wird der Win­ter eben­falls hart. Ent­wick­lungs­mi­nis­ter Mül­ler warn­te bereits im Okto­ber: „Jetzt reg­net es, dann kommt der Win­ter, dann kommt der Tod“.

Welt­ernäh­rungs­pro­gramm stellt Lebens­mit­tel­hil­fe für Flücht­ling ein

Da zuge­sag­te Hilfs­zah­lun­gen der Staa­ten­ge­mein­schaft aus­blie­ben, mel­de­te das UN World Food Pro­gram­me (WFP), dass es die lebens­ret­ten­de Hil­fe mit Nah­rungs­mit­tel­gut­schei­nen für 1,7 Mil­lio­nen Flücht­lin­ge in den Nach­bar­län­dern Syri­ens ein­stel­len muss. „Für vie­le Fami­li­en, die ohne­hin unter dem har­schen Win­ter lei­den, wird die aus­blei­ben­de Hil­fe dras­ti­sche Kon­se­quen­zen haben“, warnt WFP-Exe­ku­tiv­di­rek­to­rin Ert­ha­rin Cou­sin. Allein für den Monat Dezem­ber benö­tigt das WFP 64 Mil­lio­nen US-Dol­lar für sein Not­pro­gramm. Der UN-Flücht­lings­kom­mis­sar, Antó­nio Guter­res, rief daher die inter­na­tio­na­le Gemein­schaft dazu auf, mit wei­te­ren Hilfs­zah­lun­gen das Gut­schein­sys­tem des WFP am Leben zu erhalten.

Doch selbst wenn das Geld kommt: Not­hil­fe allein wird nicht rei­chen. Der Liba­non – hier ist mitt­ler­wei­le jeder fünf­te Bewoh­ner ein Flücht­ling – hat­te im Okto­ber noch ein­mal ein­dring­lich dazu auf­ge­ru­fen, nicht nur Geld zu geben, son­dern auch Flücht­lin­ge auf­zu­neh­men. Der liba­ne­si­sche Minis­ter­prä­si­dent Tam­mam Salam hat­te erklärt, sein Land sei am Ende sei­ner Kräfte.

Geld allein reicht nicht

In Deutsch­land leben zahl­rei­che Ange­hö­ri­ge von Men­schen, die in den Erst­auf­nah­me­staa­ten in Flücht­lings­la­gern fest­sit­zen, z.B. in Deutsch­land leben­de Yezi­den, Kur­den und ira­ki­sche Chris­ten, die um das Leben ihrer Ange­hö­ri­gen ban­gen und auf eine Auf­nah­me­mög­lich­keit für sie in Deutsch­land hof­fen.  Wäh­rend die meis­ten EU-Län­der über­haupt kei­ne Auf­nah­me zulas­sen, hat Deutsch­land immer­hin für 20.000 syri­sche Flücht­lin­ge Auf­nah­men zuge­sagt. Dem stan­den jedoch bereits vor der jüngs­ten Mas­sen­flucht vor dem IS-Ter­ror 76.000 Anträ­ge für Ange­hö­ri­ge von in Deutsch­land leben­den Syre­rin­nen und Syrern gegen­über, das Kon­tin­gent ist längst erschöpft. Für ira­ki­sche Flücht­lin­ge gibt es auch in Deutsch­land bis­lang kei­ne Programme.

Bun­des­kanz­le­rin Mer­kel hat­te bereits Anfang Sep­tem­ber in einer Regie­rungs­er­klä­rung die Bereit­schaft erklärt, auch durch die zusätz­li­che Auf­nah­me von Flücht­lin­gen zu hel­fen. Doch ein neu­es Auf­nah­me­pro­gramm bleibt bis­her aus. Dabei lie­gen prak­ti­ka­ble Vor­schlä­ge bereits vor.  Die Bre­mer Bür­ger­schaft will etwa, dass in Bre­men leben­den Ira­ker und Syrer ihre Ange­hö­ri­gen, die vor dem IS-Ter­ror in Irak und Syri­en flie­hen muss­ten, zu sich in Sicher­heit brin­gen kön­nen. Dabei wür­den sie wenn nötig auch finan­zi­ell unter­stützt. Allein die Zustim­mung des Bun­des fehlt, damit dies Rea­li­tät wer­den kann.

PRO ASYL for­dert drin­gend dazu auf, dass die Innen­mi­nis­ter der Län­der und des Bun­des, die nächs­te Woche in Köln zusam­men­kom­men, noch vor Weih­nach­ten ein groß­zü­gi­ges Auf­nah­me­pro­gramm für Flücht­lin­ge aus der Regi­on beschließen

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