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EU-Innenminister planen Einrichtung von Transit- und Ausreisezentren in Nordafrika
Die EU-Innenminister beraten heute darüber, in Nordafrika „Asylzentren“ einzurichten. In Transitstaaten wie Libyen, Tunesien und Marokko sollen Auffanglager eingerichtet werden, in denen Flüchtlinge untergebracht werden sollen – dort soll ihr Recht auf Asyl in Europa geprüft werden. Der Vorschlag ist hochproblematisch.
Schutzsuchenden durch Asylverfahren in Nordafrika legale Wege nach Europa zu eröffnen und ihnen so die lebensgefährliche Flucht nach Europa zu ersparen – das klingt gut. Doch näher betrachtet ist der Vorstoß der EU-Innenminister, den unter anderen Bundesinnenminister Thomas DeMaizère unterstützt, höchst gefährlich.
Staaten wie Ägypten, in denen schwere Menschenrechtsverletzungen an der Tagesordnung sind, aber auch Tunesien oder Marokko, die sich in politischen und gesellschaftlichen Transitionsprozessen befinden, sind absolut ungeeignet, um dort Aufnahmezentren einzurichten.
Kein rechtstaatliches Verfahren
In Auffanglagern in Nordafrika gibt es keine rechtsstaatlichen Garantien für die Prüfung von Asylanträgen. Verfahrensgarantien der EU-Asylverfahrensrichtlinie würden dort nicht gelten. Der Kern eines rechtsstaatlichen Verfahrens besteht in der Möglichkeit, negative Behördenentscheidungen von einem Gericht überprüfen zu lassen. Dies wäre in den genannten Staaten nicht möglich.
Ebenso wären die Betroffenen nicht durch unabhängige Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen vertreten; Verfahrensberatung durch Nichtregierungsorganisationen könnte nicht durchgeführt werden. Diese Bedenken bestünden auch dann, wenn die Flüchtlingsanerkennung und damit die Entscheidung, wer in die EU einreisen dürfte, in den Zentren durch UNHCR erfolgten.
Keine Aufnahmegarantie
Auch droht, dass anerkannte Flüchtlinge aus den Transit- und Aufnahmezentren ohne Asylland bleiben. Angesichts der geringen Bereitschaft zahlreicher EU- Mitgliedstaaten, Flüchtlinge aufzunehmen, ist es höchst fraglich, ob all jene anerkannten Flüchtlinge einen Aufnahmestaat fänden. Angesichts der Tatsache, dass die EU-Staaten sich bislang kaum bereit erklärten, vom UNHCR anerkannte Flüchtlinge aufzunehmen, ist zu befürchten, dass sich die Mitgliedstaaten der EU über die Auslagerung des Verfahrens nach Nordafrika dieser Verantwortung entziehen werden und den Schutzsuchenden keine andere Option bleibt, als auf eigene Faust die gefährliche Flucht nach Europa anzutreten.
Keine Alternative zur Seenotrettung
Das Versprechen, die Einrichtung solcher Lager könnte das Sterben auf dem Mittelmeer beenden, droht realistisch gesehen daher ein leeres Versprechen zu bleiben, dass allein dazu dient, die Abschiebung der Verantwortung für den Flüchtlingsschutz von der EU auf die Transitstaaten als humanitäre Tat zu verklären. Auffanglager in Nordafrika dürfen daher keinesfalls als Alternative zur Seenotrettung im Mittelmeer betrachtet werden.
PRO ASYL setzt sich zwar dafür ein, dass für Flüchtlinge im Rahmen von Resettlement-Programmen oder Aufnahmekontingenten ein Staat gefunden wird, der sie aufnimmt. Davon muss jedoch das Recht des Einzelnen, in einem individuellen Verfahren einen Asylantrag zu stellen, unberührt bleiben.
Kein individuelles Recht auf Asyl für die Betroffenen
Es ist aus unserer Sicht zu befürchten, dass die Einrichtung von Ausreise- und Transitzentren in den nordafrikanischen Staaten dieses individuelle Recht unterlaufen würde. Aus dem individuellen Recht auf Asyl der betroffenen Schutzsuchenden droht das Recht der EU-Staaten zu werden, nach politischem Gusto Schutzsuchende aus den Auffanglagern Nordafrikas aufzunehmen – oder sie in dort auf unbestimmte Zeit festzuhalten, um sie von Europa fern zu halten.
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