29.10.2014
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Alle EU-Staaten haben zusammen Aufnahmeplätze für weniger als ein Prozent der syrischen Flüchtlinge geschaffen. Hierauf machte "Adopt a Revolution" mit einer Protestaktion bei der Syrien-Konferenz aufmerksam. Foto: www.adoptrevolution.org

In Berlin ist eine internationale Flüchtlingskonferenz zu Ende gegangen. Selten war der Hilfeschrei der Nachbarn Syriens so laut. Deutschland will nun mit 500 Millionen Euro helfen, andere Länder müssen folgen. Doch Geld allein reicht nicht. Die Aufnahme von Flüchtlingen ist dringend notwendig.

UN-Flücht­lings­kom­mis­sar Guter­res warnt vor einer „huma­ni­tä­rer Kata­stro­phe“. Der liba­ne­si­sche Minis­ter­prä­si­dent Tam­mam Salam erklärt, sein Land sei am Ende sei­ner Kräf­te. Ent­wick­lungs­mi­nis­ter Mül­ler sagt: „Jetzt reg­net es, dann kommt der Win­ter, dann kommt der Tod“. Es sind dra­ma­ti­sche Apel­le die von der Syri­en-Kon­fe­renz in Ber­lin aus­ge­hen. Bun­des­kanz­le­rin Mer­kel hoff­te daher im Vor­feld der Kon­fe­renz auf „ein star­kes Signal der Soli­da­ri­tät“ für die Region.

Doch wer glaubt, zur Soli­da­ri­tät mit den Erst­auf­nah­me­staa­ten gehö­re auch die Auf­nah­me von Flücht­lin­gen, der sieht sich getäuscht. Am Ende der Kon­fe­renz ver­kün­det die Bun­des­re­gie­rung zwar eine sub­stan­ti­el­le und inter­na­tio­nal vor­bild­li­che Erhö­hung der finan­zi­el­len Hil­fen – Deutsch­land will in den nächs­ten drei Jah­ren je 167 Mil­lio­nen Euro zur Ver­fü­gung stel­len. Doch zum einen ist selbst ange­sichts die­ser Sum­me frag­lich, ob die finan­zi­el­le Hil­fe aus­reicht: Für die huma­ni­tä­re Hil­fe wer­den laut UNHCR 3,7 Mil­li­ar­den Dol­lar benö­tigt, bis­her wur­den nur 1,6 Mil­li­ar­den bereit­ge­stellt. Und zum ande­ren wird finan­zi­el­le Hil­fe allei­ne nicht rei­chen: Der Liba­non – hier ist mitt­ler­wei­le jeder fünf­te Bewoh­ner ein Flücht­ling – hat­te noch ein­mal ein­dring­lich dazu auf­ge­ru­fen, nicht nur Geld zu geben, son­dern auch Flücht­lin­ge aufzunehmen.

Ange­hö­ri­ge in der EU dür­fen Ver­wand­te meist nicht zu sich retten

Wer hel­fen will und kann, sind die vie­len Men­schen mit syri­schen und ira­ki­schen Wur­zeln, die in der EU und Deutsch­land leben. Sie suchen ver­zwei­felt nach Mög­lich­kei­ten ihre Ver­wand­ten zu sich zu holen. Vie­le könn­ten ihre Eltern, Geschwis­ter, Cou­sins und Cou­si­nen oder Groß­el­tern bei sich auf­neh­men, wenn Ihr Hilfs­an­ge­bot bei den Behör­den Unter­stüt­zung fän­de. Doch Visa wer­den nicht erteilt. Die meis­ten EU-Län­dern las­sen über­haupt kei­ne Auf­nah­me zu. Deutsch­land hat immer­hin für 20.000 Men­schen Auf­nah­men zuge­sagt. Dem stan­den jedoch bereits vor der jüngs­ten Mas­sen­flucht vor dem IS-Ter­ror 76.000 Anträ­ge für Ange­hö­ri­ge von in Deutsch­land leben­den Syre­rin­nen und Syrern gegen­über. Für ira­ki­sche Flücht­lin­ge gibt es auch in Deutsch­land kei­ne Programme.

Ein prak­ti­ka­bler Vor­schlag kommt der­zeit aus Bre­men. Die Bre­mer Bür­ger­schaft hat beschlos­sen, dass Bre­mer Bür­ge­rin­nen und Bür­ger Ange­hö­ri­ge, die vor dem IS-Ter­ror flie­hen muss­ten, zu sich in Sicher­heit brin­gen kön­nen. Dabei wür­den sie wenn nötig auch finan­zi­ell unter­stützt. Doch bleibt der Bre­mer Vor­stoß zunächst Sym­bol­po­li­tik, denn ohne Zustim­mung des Bun­des­in­nen­mi­nis­te­ri­ums kann kein Auf­nah­me­pro­gramm beschlos­sen wer­den. Wür­de der Bre­mer Beschluss auf Bun­des­ebe­ne umge­setzt und wür­den ande­re EU-Staa­ten dem Bei­spiel fol­gen, wäre vie­len Flücht­lin­gen und auch den Erst­auf­nah­me­staa­ten tat­säch­lich sub­stan­zi­ell geholfen.

Ver­wei­ger­te Flücht­lings­auf­nah­me bringt Schutz­su­chen­de in Lebensgefahr

Momen­tan bleibt den­je­ni­gen, die in Euro­pa Schutz bei ihren Ver­wand­ten suchen, nur die ille­ga­le Ein­rei­se. Euro­pas Abschot­tungs­po­li­tik zwingt die Flücht­lin­ge auf die Boo­te und in die Hän­de von Schlep­per­ban­den. Mehr als 3000 Schutz­su­chen­de sind die­ses Jahr bereits im Mit­tel­meer gestor­ben. Trotz­dem soll die See­not­ret­tung zurück­ge­fah­ren wer­den, mehr Tote wären die Folge.

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