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Im Sudan hat die Regierung auf Proteste der Bevölkerung gewaltsam reagiert. Es kam zu mehreren Toten. Auch Exil-Sudanes*innen haben deswegen weltweit protestiert, wie hier in den USA. Wir fordern einen Abschiebestopp für den Sudan! Foto: picture allience / AP Photo

Auf der am Mittwoch startenden Innenministerkonferenz muss die Situation in den Hauptherkunftsländern und die Unmöglichkeit einer Rückkehr in sichere Verhältnisse zur Grundlage der Debatten werden. Die Situation in den Herkunftsstaaten Afghanistan, Syrien und Irak ist unverändert katastrophal; im Sudan eskaliert die Lage.

Der Bun­des­tag hat auf Druck der Uni­on die Rechts­in­stru­men­ta­ri­en für eine wei­te­re Bru­ta­li­sie­rung der Abschie­be­ma­schi­ne­rie zur Ver­fü­gung gestellt. Der Bun­des­in­nen­mi­nis­ter See­ho­fer hat sogleich eine Aus­wei­tung der Abschie­be­pra­xis nach Afgha­ni­stan gefor­dert. Nun ist es an den Innen­mi­nis­tern der Län­der eine poli­ti­sche Ent­schei­dung zu treffen.

In vie­len Haupt­her­kunfts­staa­ten von Geflüch­te­ten in Deutsch­land ist die Sicher­heits­si­tua­ti­on so schlecht, dass Abschie­bun­gen dort­hin kei­ne Opti­on sein dür­fen. Wenn die Innen­mi­nis­ter dar­über dis­ku­tie­ren, muss das berück­sich­tigt wer­den. An die­ser Stel­le kur­ze Ein­schät­zun­gen zur aktu­el­len Lage in Afgha­ni­stan, Syri­en, dem Irak und dem Sudan.

Afghanistan

Über 3800 Zivilist*innen ver­lo­ren im letz­ten Jahr ihr Leben und noch nie star­ben in Afgha­ni­stan so vie­le Kin­der wie 2018. Abseits der gro­ßen Städ­te fal­len immer mehr Regio­nen unter die Herr­schaft der Tali­ban, sie kon­trol­lie­ren oder bedro­hen wich­ti­ge Ver­bin­dungs­stra­ßen. Über­land­rei­sen sind daher mit gro­ßen Risi­ken ver­bun­den. Anschlä­ge hat es in den letz­ten Jah­ren bis in die beson­ders gesi­cher­ten Zonen der Städ­te hin­ein gege­ben – mit vie­len Opfern. Im Okto­ber 2018 hat­ten die Regie­rungs­kräf­te laut SIG­AR-Report in nur noch 54 Pro­zent des Lan­des die voll­stän­di­ge Kon­trol­le. Die Tali­ban konn­ten ihre Gebiets­ge­win­ne im sel­ben Zeit­raum ver­dop­peln. Rund ein Vier­tel des Lan­des bleibt zwi­schen den Kriegs­par­tei­en kon­stant umkämpft.

Außer­dem wur­de kürz­lich bekannt, dass die von IOM betreu­te Über­gangs­un­ter­kunft in der Stadt nicht mehr zur Ver­fü­gung steht. Für Abge­scho­be­ne, die nicht über fami­liä­re oder sons­ti­ge Netz­wer­ke ver­fü­gen, ergibt sich dadurch das zusätz­li­che Pro­blem dro­hen­der Obdach­lo­sig­keit. Dabei gehen sie gro­ße Risi­ken ein, wenn sie sich in der Stadt bewe­gen. Durch rein finan­zi­el­le Unter­stüt­zungs­leis­tun­gen kann die­ses Pro­blem nicht gelöst werden.

Syrien

Die Ein­schät­zung aus dem Lage­be­richt des Aus­wär­ti­gen Amtes vom Novem­ber 2018, der eigens zu der dama­li­gen IMK erstellt wur­de, legt über­zeu­gend dar, dass die Assad-Dik­ta­tur ihren Repres­si­ons­ap­pa­rat wei­ter aus­ge­baut hat, dass die unter­schied­li­chen Geheim­diens­te fak­tisch kei­nen recht­lich defi­nier­ten Beschrän­kun­gen unter­lie­gen und die­se Haft­an­stal­ten unter­hal­ten, in denen sys­te­ma­tisch gefol­tert wird.

Die Ver­fol­gungs­hand­lun­gen des Assad-Regimes sind durch ein hohes Maß an Will­kür gekenn­zeich­net. Jede Per­son, die  auch nur ver­däch­tigt wird, dem Regime gegen­über illoy­al gesinnt zu sein, kann Opfer von Ver­fol­gungs­hand­lun­gen wer­den. Syri­schen Flücht­lin­gen droht daher bei Rück­kehr nach Syri­en erheb­li­che Gefahr, Opfer will­kür­li­cher Inhaf­tie­rung, von Fol­ter und Ver­schwin­den-Las­sen zu wer­den. Ins­be­son­de­re Wehr­dienst­ent­zie­hern und Deser­teu­ren dro­hen will­kür­li­che Stra­fen und / oder Zwangs­re­kru­tie­rung in die syri­sche Armee oder in regi­me­loya­le Milizen.

Irak

Ergeb­nis des Krie­ges im Irak ist ein Fli­cken­tep­pich von loka­len und regio­na­len Macht­ge­bie­ten und ein poli­tisch, kon­fes­sio­nell und ter­ri­to­ri­al tief gespal­te­nes Land.

Neue Berich­te des UNHCR zei­gen, wie pre­kär die Lage im Land wei­ter­hin ist. Noch immer gibt es 1,65 Mil­lio­nen Bin­nen­ver­trie­be­ne, von denen vie­le unter sehr schlech­ten Bedin­gun­gen leben. Die Regie­rung übt star­ken Druck auf Bin­nen­ver­trie­be­ne aus, zurück zu keh­ren, aber beson­ders für Ange­hö­ri­ge reli­giö­ser Min­der­hei­ten ist eine Rück­kehr in ihre Ursprungs­re­gio­nen im Irak oft undenk­bar – dies gilt ins­be­son­de­re für Jesid*innen, die den Völ­ker­mord, Ver­schlep­pung und Ver­skla­vung über­lebt haben. Die Gefahr durch den Isla­mi­schen Staat ist auch nicht gebannt, es wer­den wei­ter­hin Akti­vi­tä­ten wie Ent­füh­run­gen gemeldet.

Sudan

Wie ver­schie­de­ne Medi­en berich­ten, wur­de am Mitt­woch Yasir Arman, Gene­ral­se­kre­tär der oppo­si­tio­nel­len Sudan Peo­p­le’s Libe­ra­ti­on Army / Move­ment-North von der Mili­tär­re­gie­rung fest­ge­nom­men. Yasir Arman, der noch im Febru­ar an einer Demons­tra­ti­on in Han­no­ver gegen das Regime von al-Bas­hir teil­ge­nom­men hat­te, war in der letz­ten Woche nach etli­chen Jah­ren im Exil zu Ver­hand­lun­gen mit dem Mili­tär­rat in den Sudan zurückgekehrt.

Mit der Ver­haf­tung haben die Angrif­fe der Mili­tär­re­gie­rung auf die Oppo­si­tio­nel­len eine wei­te­re Zuspit­zung erfah­ren. Ganz offen­sicht­lich ist der Mili­tär­rat an kei­ner fried­li­chen Eini­gung mit der Oppo­si­ti­on und einer Über­ga­be der Macht an eine noch zu wäh­len­de demo­kra­ti­sche legi­ti­mier­te Regie­rung gele­gen. Die Fest­nah­me Arm­ans macht deut­lich, wie gefähr­det Rückkehrer*innen sind.

Vor die­sem Hin­ter­grund und der Tat­sa­che, dass IOM das Rück­kehr­pro­gramm in den Sudan auf Grund der schlech­ten Sicher­heits­la­ge aus­setzt, unter­stützt PRO ASYL die For­de­rung des Flücht­lings­rats Nie­der­sach­sen nach einem sofor­ti­gen Abschie­bungs­stopp.

(wj)