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Afghanistanflieger: Mit Misshandlungen in die Obdachlosigkeit?
Heute, am 21.05, startet der insgesamt 24. Abschiebeflug nach Afghanistan. Die deutschen Behörden reagieren dabei offenbar nicht auf Kritik aus dem Antifolter-Komitee des Europarates an menschenrechtlich fragwürdigen Zuständen bei einer Abschiebung nach Kabul. Und dort angekommen sind die Bedingungen für die Rückkehrer nun noch schlechter.
Der Europäische Ausschuss zur Verhütung von Folter und unmenschlicher und erniedrigender Behandlung oder Strafe (CPT), eine Institution des Europarates, hat jüngst geharnischte Kritik an den Zuständen bei einer Abschiebung nach Kabul geäußert, die er im August 2018 beobachtet hatte.
Es ist skandalös, dass es unter den Augen der CPT-Beobachter auf dem beobachteten Kabul-Flug zu Misshandlungen durch die begleitenden Beamten kam, bei denen einer Person die Genitalien gequetscht wurden und Techniken mit atembehindernder Wirkung angewendet wurden. Wenn dies auf einem beobachteten Flug geschah, ist zu befürchten, dass es in anderen Fällen ohne Zeugen noch »härter zur Sache geht«.
Wenn dies auf einem beobachteten Flug geschah, ist zu befürchten, dass es in anderen Fällen ohne Zeugen noch »härter zur Sache geht«.
Neue Härte bei Abschiebungen
Als Reaktion auf zwei Todesfälle in den Jahren 1994 und 1999 sind atembehindernde Techniken bei Abschiebungen eigentlich per Dienstanweisung verboten. Dennoch scheint sich die Forderung der Politik nach mehr Konsequenz bei der Durchsetzung von Abschiebungen in einer neuen Härte niederzuschlagen.
Zur neuen Härte gehört es auch, dass aus der Abschiebungshaftanstalt Büren (NRW) ein Betroffener auf den beobachteten Kabul-Flug gebucht wurde, nur wenige Tage, nachdem er bei einem Sprung aus dem Fenster eine Fraktur eines Lendenwirbels erlitten hatte und ohne, dass die notwendige Nachsorge gewährleistet war. Die Kritik des CPT: Die Rolle von Ärzten, die sowohl über die Reisetauglichkeit entscheiden als auch noch als Begleitärzte mitfliegen, ist dubios und inakzeptabel.
Pilot*innenschelte statt Konsequenzen
Abschiebungen nach Afghanistan sind angesichts der Sicherheitssituation dort generell unverantwortlich. Nach dem Bericht des CPT muss es jetzt jedoch auch um die Umstände der Charterabschiebungsflüge gehen. Bis zur Umsetzung der von CPT genannten Empfehlungen / Forderungen dürfte eigentlich kein einziger Abschiebungsflug abheben.
Auf Seiten der Bundesregierung und der Bundespolizei scheint allerdings wenig Bereitschaft zu bestehen, dafür zu sorgen, dass gegen Menschenrechtsverletzungen bei Abschiebungen wirksame Vorkehrungen getroffen werden. Die Führung der Bundespolizei leugnet sogar, dass es die zentralen Missstände, die das CPT dokumentiert, gegeben hat. Dafür wurden kürzlich gar Pilot*innen durch Bundespolizeichef Romann scharf angegriffen – diese lehnen aus Gründen der Luftsicherheit die Mitnahme von Abzuschiebenden manchmal ab.
Nach Landung Obdachlosigkeit?
Wenn der heutige Abschiebungsflug nach Afghanistan morgen früh in Kabul eintrifft, dann gibt es für die Betroffenen mittlerweile allerdings noch ein neues Problem: Es droht ihnen die Obdachlosigkeit. Bislang konnten Abgeschobene ohne familiäre Unterstützung bzw. ohne Hilfs- und Unterkunftsmöglichkeit provisorisch und für begrenzte Zeit eine Bleibe in einem von der IOM (Internationale Organisation für Migration) betreuten Hotel finden.
Gut denkbar, dass Abgeschobene künftig längere Zeit ohne ein Dach über dem Kopf bleiben.
Bereits seit dem letzten Flug ist diese Möglichkeit entfallen. Stattdessen zahlt die IOM nun einen Betrag von 167 Dollar pro Rückkehrer bei der Ankunft und vermittelt nach Medienberichten »nützliche Informationen«, etwa über Hotels. Angesichts der Hotelpreise in Kabul – ganz zu schweigen von Wohnungsmieten – ist das nicht einmal der sprichwörtliche Tropfen auf den heißen Stein.
Nach der Landung will man keine Verantwortung mehr
Kabul ist eine gefährliche Stadt, gerade auch für diejenigen, die ohne Anbindung an ein familiäres Netzwerk aus dem Ausland zurückkommen und denen viele Einheimische unterstellen, sie würden über Geldmittel verfügen. Schon die Suche nach einer Unterkunft birgt also Gefahren.
Gut denkbar, dass Abgeschobene künftig längere Zeit ohne ein Dach über dem Kopf bleiben. Auch das spielt für die deutschen Behörden aber offensichtlich keine Rolle. Besonders wichtig ist da nur, dass das Flugzeug nach kürzestmöglichem Aufenthalt wieder in der Luft ist. Längere Aufenthalte, gar außerhalb des Flughafengeländes, wären nämlich gefährlich für die begleitenden deutschen Beamten.
(bm)