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Ein Friedhof vor dem völlig zerstörten Aleppo. Die Kriegshandlungen mögen vorbei sein, politische Verfolgung gibt es aber weiterhin. Foto: UNHCR/Hameed Maarouf

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) bewertet die Sicherheitslage in Syrien offenbar neu und verweigert immer mehr syrischen Asylsuchenden internationalen Schutz. PRO ASYL fordert eine Rückkehr zur bisherigen Praxis anstatt das Assad-Regime zu bagatellisieren.

In den letz­ten Tagen wur­den PRO ASYL meh­re­re Fäl­le syri­scher Asyl­su­chen­der bekannt, die kei­nen sub­si­diä­ren Schutz mehr erhiel­ten, son­dern ledig­lich ein natio­na­les Abschie­bungs­ver­bot. Bis­lang wur­de Syrer*innen, denen kein Flücht­lings­sta­tus wegen indi­vi­du­el­ler Ver­fol­gungs­ge­fahr zuge­spro­chen wur­de, zumin­dest der sub­si­diä­re Schutz­sta­tus erteilt, da in Syri­en lan­des­weit ein inner­staat­li­cher bewaff­ne­ter Kon­flikt herrscht und daher eine ernst­haf­te indi­vi­du­el­le Bedro­hung des Lebens oder der Unver­sehrt­heit droht.

Neue Herkunftsländer-Leitsätze im BAMF

Nun­mehr bewer­tet das BAMF die Lage in Syri­en in sei­nen inter­nen Her­kunfts­län­der-Leit­sät­zen offen­bar neu. Laut Aus­füh­run­gen in BAMF-Beschei­den, die auf Grund­la­ge die­ser Leit­sät­ze erfol­gen, kön­ne man nicht mehr in allen Lan­des­tei­len Syri­ens von einem bewaff­ne­ten Kon­flikt aus­ge­hen: Kampf­hand­lun­gen gebe es nur noch in Idlib, Tei­len Alep­pos, Raq­qas und Deir ez-Zors; wei­te Tei­le Syri­ens hin­ge­gen, u.a. Damas­kus, sei­en sicher. Allein die der­zeit schlech­ten huma­ni­tä­ren Bedin­gun­gen auf­grund der deso­la­ten wirt­schaft­li­chen Lage in Syri­en sei­en dem­nach noch Grund, um über­haupt noch Schutz zu erhal­ten, weil es nur weni­ge Mög­lich­kei­ten zur Schaf­fung einer Lebens­grund­la­ge bzw. zur Siche­rung des Exis­tenz­mi­ni­mums gibt. Völ­lig kon­trär zu die­ser neu­en Bewer­tung steht selbst der Lage­be­richt des Aus­wär­ti­gen Amtes vom 13. Novem­ber 2018, dem­zu­fol­ge in kei­nem Teil Syri­ens inter­ner Schutz besteht und es nir­gend­wo Rechts­si­cher­heit bzw. Schutz vor will­kür­li­cher Ver­haf­tung und Fol­ter gibt. Dar­an geht die neue Ent­schei­dungs­pra­xis des BAMF völ­lig vorbei.

Die­se Sta­tus­ver­schlech­te­rung ist ein wei­te­rer Schritt, um mit­tel- bis lang­fris­tig Abschie­bun­gen nach Syri­en hof­fä­hig zu machen

Zwar erhal­ten syri­sche Schutz­su­chen­de auch mit die­ser ver­schärf­ten Pra­xis wei­ter­hin einen Schutz­sta­tus in Deutsch­land. Auch der bestehen­de Abschie­bungs­stopp gilt unver­än­dert wei­ter und eine rea­le Durch­set­zung von Abschie­bun­gen nach Syri­en ist ohne­hin nicht abseh­bar. Den­noch ist die­se Sta­tus­ver­schlech­te­rung ein wei­te­rer Schritt zur mit­tel- bis lang­fris­ti­gen Hof­fä­hig­ma­chung von Abschie­bun­gen nach Syri­en und es soll signa­li­siert wer­den, dass syri­sche Schutz­su­chen­de hier immer sel­te­ner Schutz erhal­ten und nicht nach Deutsch­land kom­men sollen.

Beträchtliche Konsequenzen für die Betroffenen

Auch wenn davon aus­zu­ge­hen ist, dass die­se ver­än­der­te Pra­xis recht­lich kaum halt­bar sein wird, sind selbst die kurz­fris­ti­gen Kon­se­quen­zen der Ver­sa­gung des sub­si­diä­ren Schutz­sta­tus beträcht­lich: Auf die Ertei­lung einer Auf­ent­halts­er­laub­nis besteht mit natio­na­lem Abschie­bungs­ver­bot kein Rechts­an­spruch mehr, son­dern nur noch ein Soll-Anspruch. Im Fal­le einer Kla­ge gegen die­se Ver­schlech­te­rung des Schutz­sta­tus durch das BAMF wür­den die Betrof­fe­nen wei­ter­hin nur im Besitz der Auf­ent­halts­ge­stat­tung blei­ben, was mas­si­ve Beschrän­kun­gen im sozi­al­recht­li­chen Bereich oder beim Zugang zum Arbeits­markt zur Fol­ge hät­te. Der Fami­li­en­nach­zug wäre wäh­rend eines oft­mals jah­re­lang dau­ern­den Kla­ge­ver­fah­rens gänz­lich ausgeschlossen.

Die Fol­ge für Betrof­fe­ne: mas­si­ve Beschrän­kun­gen im sozi­al­recht­li­chen Bereich

Auch wer nicht kla­gen wür­de, hät­te einen erschwer­ten Zugang zum Arbeits­markt und noch nicht ein­mal die Mög­lich­keit, sei­ne Fami­lie im mitt­ler­wei­le zum Gna­den­recht ver­kom­me­nen Recht auf Fami­li­en­nach­zug nach­zu­ho­len, das bereits jetzt nur den Nach­zug von 1000 Per­so­nen zu sub­si­di­är Geschütz­ten pro Monat zulässt. Mit einem natio­na­len Abschie­bungs­ver­bot ist der Fami­li­en­nach­zug zwar nicht kon­tin­gen­tiert, aber trotz­dem weit­ge­hend ein­ge­schränkt und nur in drin­gen­den huma­ni­tä­ren Här­te­fäl­len und gewöhn­lich unter eigen­stän­di­ger Siche­rung des Lebens­un­ter­halts und des Wohn­raums mög­lich. Auch die Arbeits­er­laub­nis ist gegen­über den sub­si­di­är Geschütz­ten nicht pau­schal gestat­tet. Unter den hier ankom­men­den und leben­den Betrof­fe­nen erzeugt eine sol­che Ver­schlech­te­rung des Sta­tus eine unver­ant­wort­li­che Ver­un­si­che­rung und Panik, was in inte­gra­ti­ons­po­li­ti­scher Hin­sicht fatal ist.

Die Ver­schär­fung der Her­kunfts­län­der-Leit­sät­ze zu Syri­en durch das BAMF erfolg­te offen­bar Mit­te März und ist auch über drei Wochen nach der Ände­rung nicht durch die Haus­lei­tung des Bun­des­in­nen­mi­nis­te­ri­ums gebil­ligt, wie aus einer Ant­wort des Par­la­men­ta­ri­schen Staats­se­kre­tärs Ste­phan May­er vom 3. April 2019 auf eine münd­li­che Fra­ge der Abge­ord­ne­ten Ulla Jelp­ke von der Links­frak­ti­on her­vor­geht. PRO ASYL for­dert das Bun­des­in­nen­mi­nis­te­ri­um auf, die­se Pra­xis dau­er­haft zu been­den und das BAMF zur bis­he­ri­gen Pra­xis zurückzukehren.

Syri­en ist weit davon ent­fernt, ein befrie­de­tes Land zu sein

Syrien ist auch weiterhin kein sicheres Land

Flücht­lin­ge aus Syri­en brau­chen unver­än­dert Schutz und sie müs­sen die Mög­lich­keit haben, ihre Fami­li­en­an­ge­hö­ri­gen nach­ho­len zu kön­nen. Die Ver­wei­ge­rung eines siche­ren Schutz­sta­tus behin­dert die Inte­gra­ti­on von Men­schen, die auf Jah­re oder dau­er­haft in Deutsch­land blei­ben wer­den. Auch der bestehen­de Abschie­bungs­stopp nach Syri­en muss auf der kom­men­den Innen­mi­nis­ter­kon­fe­renz Mit­te Juni ver­län­gert wer­den, da Syri­en weit davon ent­fernt ist, ein befrie­de­tes Land zu sein. Selbst wenn der Bür­ger­krieg nicht mehr in allen Tei­len Syri­ens glei­cher­ma­ßen tobt, fin­den nach wie vor unzäh­li­ge Ter­ror­an­schlä­ge statt, und ins­be­son­de­re Per­so­nen, die in Ver­dacht gera­ten, in Oppo­si­ti­on zum syri­schen Regime zu ste­hen, müs­sen befürch­ten, Opfer von Repres­si­on, Fol­ter und Gewalt­an­wen­dung zu wer­den. Berich­te über zwei frei­wil­lig aus Deutsch­land zurück­ge­kehr­ten Flücht­lin­gen bele­gen dass es kei­ner­lei Garan­tien gibt, dass das Assad-Regime, das immer fes­ter im Sat­tel sitzt, nicht zur alten Will­kür der Ver­fol­gung allein anhand gemut­maß­ter Oppo­si­ti­on zurückkehrt.