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In Haft oder obdachlos auf der Straße: Neuer Bericht dokumentiert dramatische Situation von Flü
Flüchtlinge werden in Ungarn systematisch inhaftiert. Nach der von Misshandlungen geprägten Haft werden die meisten Flüchtlinge über kurz oder lang auf die Straße gesetzt. Dennoch werden Flüchtlinge von Deutschland nach Ungarn abgeschoben.
„Sie gehen von Zelle zu Zelle mit einem Tablett voller Pillen. Wenn du sie nimmst, dann wirst du vergessen. Die Pillen machen, dass du aussiehst wie ein Zombie und dein Gesicht bewegt sich nicht mehr,“ berichtet H.G., ein 21jähriger Flüchtling aus Afghanistan über seine Zeit in Nyírbátor, einem ungarischen Flüchtlingsgefängnis nahe der Grenze zur Ukraine. H.G. landete in dieser ungarischen Haftanstalt, nachdem er 2010 von München nach Ungarn abgeschoben worden war.
H.G. ist einer von vielen Flüchtlingen, die im Rahmen der Dublin-II-Verordnung von Deutschland nach Ungarn abgeschoben wurden und dort in Haft landeten. Obwohl bekannt ist, dass Flüchtlinge in Ungarn unter menschenunwürdigen Bedingungen inhaftiert werden und ihnen später Obdachlosigkeit droht, werden Flüchtlinge noch immer von Deutschland und anderen EU-Staaten nach Ungarn abgeschoben – nach Ansicht von PRO ASYL eine klare Verletzung von Flüchtlings- und Menschenrechten. PRO ASYL fordert die Bundesregierung daher auf, die Inhaftierung von Schutzsuchenden nach Ungarn auszusetzen.
Die Situation von Flüchtlingen in Ungarn ist mittlerweile gut dokumentiert: Die Organisation bordermonitoring.eu und PRO ASYL veröffentlichen hierzu heute einen Bericht, der vor allem auf Aussagen von Flüchtlingen basiert, die das Rechercheteam zwischen Dezember 2010 und Dezember 2011 in Budapest, Debrecen, Bicske, Fót und Balassagyar angetroffen hat. Auch Aussagen von Flüchtlingen, die aus Ungarn nach Deutschland und in andere EU-Staaten weiterfliehen konnten und denen nun oftmals die Abschiebung nach Ungarn droht, gingen in den Bericht mit ein.
Angesichts der dokumentierten systemischen Mängel des ungarischen Asylsystems sind Rückschiebungen von Flüchtlingen, die über Ungarn nach Deutschland kamen, nicht mit europäischer Rechtsprechung zu vereinbaren. Der Europäische Gerichtshof hatte am 21. Dezember 2011 entschieden, dass es im Rahmen der europäischen Asylzuständigkeitsregelung (Dublin-II) keine blinden Abschiebungen in EU-Staaten erfolgen dürfen, in denen es systemische Mängel gibt.
PRO ASYL fordert deshalb die Bundesregierung auf, in Deutschland Flüchtlingen endlich Rechtsschutz gegen Abschiebungen in andere EU-Staaten einzuräumen, Ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn einzuleiten und Abschiebungen nach Ungarn sofort auszusetzen.
Bericht von PRO ASYL und bordermonitoring.eu als Download: „Ungarn: Flüchtlinge zwischen Haft und Obdachlosigkeit“
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