15.03.2012
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Flüchtlinge werden in Ungarn systematisch inhaftiert. Nach der von Misshandlungen geprägten Haft werden die meisten Flüchtlinge über kurz oder lang auf die Straße gesetzt. Dennoch werden Flüchtlinge von Deutschland nach Ungarn abgeschoben.

„Sie gehen von Zel­le zu Zel­le mit einem Tablett vol­ler Pil­len. Wenn du sie nimmst, dann wirst du ver­ges­sen. Die Pil­len machen, dass du aus­siehst wie ein Zom­bie und dein Gesicht bewegt sich nicht mehr,“ berich­tet H.G., ein 21jähriger Flücht­ling aus Afgha­ni­stan über sei­ne Zeit in Nyír­bá­tor, einem unga­ri­schen Flücht­lings­ge­fäng­nis nahe der Gren­ze zur Ukrai­ne. H.G. lan­de­te in die­ser unga­ri­schen Haft­an­stalt, nach­dem er 2010 von Mün­chen nach Ungarn abge­scho­ben wor­den war.

H.G. ist einer von vie­len Flücht­lin­gen, die im Rah­men der Dub­lin-II-Ver­ord­nung von Deutsch­land nach Ungarn abge­scho­ben wur­den und dort in Haft lan­de­ten. Obwohl bekannt ist, dass Flücht­lin­ge in Ungarn unter men­schen­un­wür­di­gen Bedin­gun­gen inhaf­tiert wer­den und ihnen spä­ter Obdach­lo­sig­keit droht, wer­den Flücht­lin­ge noch immer von Deutsch­land und ande­ren EU-Staa­ten nach Ungarn abge­scho­ben – nach Ansicht von PRO ASYL eine kla­re Ver­let­zung von Flücht­lings- und Men­schen­rech­ten. PRO ASYL for­dert die Bun­des­re­gie­rung daher auf, die Inhaf­tie­rung von Schutz­su­chen­den nach Ungarn auszusetzen.

Die Situa­ti­on von Flücht­lin­gen in Ungarn ist mitt­ler­wei­le gut doku­men­tiert: Die Orga­ni­sa­ti­on bordermonitoring.eu und PRO ASYL ver­öf­fent­li­chen hier­zu heu­te einen Bericht, der vor allem auf Aus­sa­gen von Flücht­lin­gen basiert, die das Recher­che­team zwi­schen Dezem­ber 2010 und Dezem­ber 2011 in Buda­pest, Debre­cen, Bics­ke, Fót und Balas­sa­gyar ange­trof­fen hat. Auch Aus­sa­gen von Flücht­lin­gen, die aus Ungarn nach Deutsch­land und in ande­re EU-Staa­ten wei­ter­flie­hen konn­ten und denen nun oft­mals die Abschie­bung nach Ungarn droht, gin­gen in den Bericht mit ein.

Ange­sichts der doku­men­tier­ten sys­te­mi­schen Män­gel des unga­ri­schen Asyl­sys­tems  sind Rück­schie­bun­gen von Flücht­lin­gen, die über Ungarn nach Deutsch­land kamen, nicht mit euro­päi­scher Recht­spre­chung zu ver­ein­ba­ren. Der Euro­päi­sche Gerichts­hof hat­te am 21. Dezem­ber 2011 ent­schie­den, dass es im Rah­men der euro­päi­schen Asyl­zu­stän­dig­keits­re­ge­lung  (Dub­lin-II) kei­ne blin­den Abschie­bun­gen in EU-Staa­ten erfol­gen dür­fen, in denen es sys­te­mi­sche Män­gel gibt. 

PRO ASYL for­dert des­halb die Bun­des­re­gie­rung auf, in Deutsch­land Flücht­lin­gen end­lich Rechts­schutz gegen Abschie­bun­gen in ande­re EU-Staa­ten ein­zu­räu­men, Ein Ver­trags­ver­let­zungs­ver­fah­ren gegen Ungarn  ein­zu­lei­ten und Abschie­bun­gen nach Ungarn sofort auszusetzen.

Bericht von PRO ASYL und bordermonitoring.eu als Down­load: „Ungarn: Flücht­lin­ge zwi­schen Haft und Obdachlosigkeit“

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