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Happy End? Nach 65 Tagen Leid und Schutzlosigkeit…
Nach über zwei Monaten Rechtlosigkeit und Unsicherheit wurden zwei syrische Jungen im Alter von 12 und 13 Jahren nun endlich kindgerecht untergebracht. Zwei Mal mussten unsere Anwältinnen den Menschenrechtsgerichtshof anrufen. Nach 65 Tagen der Kindeswohlgefährdung fällt es aber schwer, von einem Happy End zu sprechen.
Dieses Verfahren ist beispielhaft für den mühsamen Kampf um den Zugang zu Recht, den Schutzsuchende und Unterstützer*innen derzeit in Griechenland kämpfen müssen – vulnerable Gruppen wie unbegleitete Kinder und Jugendliche eingeschlossen. Gleich zwei Mal mussten die Anwält*innen unseres Teams vor Ort den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) anrufen, bis die griechischen Behörden Gafur* und Fayek* endlich kindgerecht unterbrachten.
Vom Kriegsschiff ins Haftlager Malakasa
Wir hatten bereits über die beiden Jungen berichtet: Sie kamen Anfang März 2020 auf Lesbos an. Am 2. März hat die griechische Regierung beschlossen, Asylverfahren für einen Monat auszusetzen und eine sofortige Abschiebung aller neu eingereisten Schutzsuchenden zu veranlassen.
Gafur und Fayek wurden mit circa 450 weiteren Menschen zunächst im Rumpf eines Marineschiffs im Hafen von Lesbos festgehalten und erhielten Haft- und Abschiebungsanordnungen. Ein grober Verstoß gegen internationales und europäisches Recht und eine Missachtung aller Kinderschutzstandards. Mitte März wurden sie in das neueröffnete Haftlager Malakasa nördlich von Athen gebracht. Es wurde kein Vormund bestellt, die beiden Jungen lebten gemeinsam mit Erwachsenen unter unwürdigen Haftbedingungen.
Dagegen reichten PRO ASYL/ RSA am 30. März den ersten Antrag auf eine vorläufige Maßnahme (Rule 39) beim EGMR in Straßburg ein. Der Antrag wurde rund zwei Wochen später abgelehnt. Begründet wurde dies mit dem Verweis, dass Griechenland bereits Schritte zur Verbesserung der Situation eingeleitet hätte. Zuvor hatte das Gericht entsprechende Informationen bei der griechischen Regierung abgefragt. In der Tat erhielten die beiden am 7. April eine polizeiliche Information, dass sie aus der Haft entlassen seien – auf dem Papier. Praktisch konnte keiner der hier Untergebrachten das Haftlager bis Ende April verlassen.
In Haft gefangen, auf dem Papier frei?
Am 23. April stellten unsere Anwältinnen den zweiten Antrag auf eine vorläufige Maßnahme. Der Menschenrechtsgerichtshof wiederholte das Prozedere und fragte erneut die griechische Regierung, »welche konkreten Maßnahmen für den Transfer der Antragssteller sowie der Benennung eines Vormundes getroffen wurden«. Erst am 7. bzw. 8. Mai – mehr als zwei Monate nach ihrer Ankunft in Griechenland – wurden sie schließlich in ein Heim für Minderjährige transferiert.
Nach über zwei Monaten werden die beiden Jungen endlich in eine Unterkunft für Minderjährige gebracht.
PRO ASYL und RSA begrüßen zwar die Überstellung von Gafur und Fayek in eine Unterkunft für Minderjährige, stellen aber fest, dass der Gang vor den Straßburger Gerichtshof notwendig geworden ist, um den Schutz selbst der grundlegendsten Rechte von Kindern sicherzustellen. Das ist allerdings nicht in jedem Fall von Kindesgefährdung möglich und kann ein funktionierendes Kinderschutzsystem nicht ersetzen. Dieses existiert in Griechenland weiterhin nicht.
Generelle Lücken beim Schutz von Kindern
Der Fall von Gafur und Fayek verdeutlicht die Lücken beim Schutz unbegleiteter Kinder und das Fehlen eines wirksamen Vormundschaftssystems. Er zeugt von einer eklatanten Missachtung der im nationalen, europäischen und internationalen Recht verankerten Verpflichtungen.
Besorgniserregend ist in diesem Zusammenhang auch die Haltung des Menschenrechtsgerichtshofes, der sich angesichts der offensichtlichen Kindeswohlgefährdung durch die griechischen Behörden zunehmend zögerlich verhält.
RSA und PRO ASYL setzen sich weiterhin für die Rechte der Schwächsten ein und werden die beiden Jungen bei der Familienzusammenführung zu ihren Verwandten in Deutschland unterstützen.
(kk / mz)