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Geplante Transitzonen: Masseninhaftierungsprogramm für Flüchtlinge?
Während diese Woche im Bundestag und Bundesrat über das „Asylbeschleunigungsgesetz“ entschieden wird, ist bereits die nächste Verschärfung in Vorbereitung: Sogenannte Transitzonen sollen Flüchtlinge an der Einreise nach Deutschland hindern, ihre Aussichten auf Asyl sollen in Schnellverfahren abgearbeitet werden. Der Vorschlag wirft neben menschenrechtlichen auch erhebliche praktische Probleme auf.
„Ich kann heute mitteilen, dass wir uns zwischen CDU und CSU verständigt haben, jetzt für Transitzonen einzutreten“, sagte CSU-Chef Horst Seehofer am Montag. Die CSU scheint sich erneut mit ihrer Linie der Abschottung in der Bundesregierung durchzusetzen. Zu Recht erheben Politikerinnen und Politiker aus der SPD Kritik an der Idee, die Chancen auf Asyl direkt an den Landgrenzen zu prüfen, auch Bundeskanzlerin Merkel äußerte zuletzt Zweifel.
Was ist geplant?
Das Gesetz zur „Umsetzung des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems“, mit dem die neu gefassten Asyl-Richtlinien der EU umgesetzt werden sollen, sieht die Einführung eines „Grenzverfahrens“ vor (§ 18b Asylgesetz). Durch die Regelung sollen Asylanträge auf ihre Zulässigkeit an den Landgrenzen geprüft werden, sofern Grenzkontrollen in Übereinstimmung mit dem Schengener Grenzkodex durchgeführt werden. Das heißt, dass für die Anwendung des neuen Grenzverfahrens die Binnengrenzkontrollen wieder eingeführt werden müssen.
Binnengrenzkontrollen und Sonderverfahren durch die Bundespolizei
Dass das Grenzverfahren ein Sonderverfahren ist, zeigt sich auch daran, dass der Bundespolizei die Asyl-Anhörung übertragen werden kann. Voraussetzung soll lediglich sein, dass Polizisten eine „Grundschulung“ im Asylrecht erhalten. Die Bundespolizei kann Haft beantragen. Wird ein Asylantrag im Grenzverfahren abgelehnt, wird die Einreise verweigert.
Wer wäre betroffen?
Betroffen sind Flüchtlinge, deren Asylanträge als offensichtlich unbegründet beschieden werden (§ 30 AsylG). Dies ist der Fall, wenn einem Flüchtling widersprüchliche Angaben oder aufgrund fehlender Ausweispapiere eine Täuschung über seine Identität vorgeworfen werden. Diese Kategorien sind dehnbar. Eine willkürliche Handhabung ist zu befürchten. Weiterhin fallen Asylsuchenden aus „sicheren Herkunftsstaaten“ und jene, für deren Aufnahme sich ein „sicherer Drittstaat“ oder ein sonstiger Drittstaat außerhalb der EU bereit erklärt hat, unter die Neuregelung.
Ebenso soll die Regelung die Flüchtlinge treffen, die in einem anderen EU-Mitgliedsstaat internationalen Schutz zugesprochen bekommen haben. Hierunter fallen zum Beispiel auch Flüchtlinge aus Bulgarien, die dort schwere Misshandlungen bis hin zur Folter erlitten haben und die dort nach Aussage des Auswärtigen Amts schutzlos sind.
Entscheidung binnen einer Woche
Die Entscheidung über den Antrag obliegt dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Wird nicht innerhalb einer Woche entschieden, ist dem Flüchtling die Einreise zu gestatten.
Die Prüfung von Asylanträgen an Landgrenzen ist nach europäischem Recht aufgrund von Art. 43 der Asylverfahrensrichtlinie möglich. Jedoch richtet sich die Regelung vorrangig an die Außengrenzstaaten der EU und zudem besteht für Deutschland keine Verpflichtung zur Umsetzung. Nach der Richtlinie können günstigere Bestimmungen beibehalten werden.
Wie die Umsetzung aussehen könnte
Horst Seehofer und Bundesinnenminister Thomas de Maizière erachten die Transitzonen als neues Instrument zur Eindämmung der Flüchtlingsmigration nach Deutschland. Sie verschweigen dabei die praktischen Fragen, die sich stellen, wenn der Vorschlag umgesetzt werden soll.
Wie würde die Bundesregierung die Transitzone definieren? Wird über die Zulässigkeit eines Asylantrags auf deutschem Territorium entschieden oder konstruiert die Bundesregierung ein „rechtliches Niemandsland“?
Meterhoher Zaun nach ungarischem Vorbild?
Nach dem Gesetzentwurf setzt die Einreiseverweigerung durch die Bundespolizei eine versuchte Einreise an einer Grenzübergangsstelle in der Transitzone voraus. Einreiseverweigerungen an der grünen Grenze ohne Übertrittsstellen sind jedoch nicht möglich. Wie soll die Bundespolizei also verhindern, dass Flüchtlinge einfach an den Übertrittsstellen vorbei nach Deutschland gelangen? Denkt man Seehofers und de Maizières Vorschlag konsequent zu Ende, dann müsste an der deutschen Grenze ein meterhoher Zaun nach ungarischem Vorbild errichtet werden. Wie soll dabei verhindert werden, dass deutsche StaatsbürgerInnen und UnionsbürgerInnen, die Freizügigkeit innerhalb der EU genießen, nicht in Grenzkontrollen geraten?
Haftzentren im grenznahen Bereich?
Wie soll die Bundespolizei sicherstellen, dass die Flüchtlinge während der Prüfung ihres Asylantrags in der Transitzone verbleiben? Die Bundesregierung müsste riesige Haftzentren aufbauen, damit Kapazitäten zur Kasernierung der Flüchtlinge bereitständen. Das Bild von Deutschland würde sich verändern, wenn an der gesamten Landgrenze überfüllte Gefängnisse zu sehen sind.
Auch aus verfassungsrechtlicher Perspektive ist der Vorschlag unausgegoren. Flüchtlinge haben das Recht, gegen negative Entscheidungen auch gerichtlich vorzugehen. In den Transitzonen müsste ein Gerichtswesen aufgebaut werden, es bedürfte eines Zugangs zu unabhängigen AsylrechtsanwältInnen und einer Asylberatung. Zu den rechtsstaatlichen Erfordernissen haben sich Seehofer und Co. bislang nicht geäußert.
Was sind die Probleme des Flughafenverfahrens?
Im Zuge der Diskussion über Transitzonen wird darauf verwiesen, dieses Verfahren würde bereits „erfolgreich“ am Flughafen angewandt. Das Flughafenverfahren aus § 18a Asylverfahrensgesetz war Teil des Asylkompromisses von 1993 und wurde 1996 durch das Bundesverfassungsgericht für verfassungsgemäß erklärt. Doch selbst das Bundesverfassungsgericht hat damals verlangt, dass im Flughafenverfahren ein effektiver Rechtsschutz nach Art. 19 Abs. 4 GG durch eine Asylberatung gewährleistet sein muss (zu den verfassungsrechtlichen Problemen, siehe: Gutachten von Rechtsanwalt Dominik Bender).
Immense Bürokratie, wenige Fälle
Horst Seehofers Einschätzung, dass Flughafenverfahren sei ein „Erfolg“, muss jedoch widersprochen werden. Schon die Zahlen zeigen, welche Bürokratie am Flughafen für eine geringe Anzahl von Flüchtlingen betrieben wird. 2014 kamen 643 Schutzsuchende am Frankfurter Flughafen an, 56 Anträge wurden als „offensichtlich unbegründet“ entschieden.
Am Flughafen wird die rechtliche Fiktion aufgestellt, dass die dort ankommenden Flüchtlinge zwar ihre Füße auf deutschen Boden gesetzt haben, jedoch nicht nach Deutschland eingereist sind. Kann man diese ohnehin problematische Fiktion bei einem Flughafen noch räumlich organisieren, ist vollkommen unklar, wie dies bei Transitzonen an Landgrenzen bewerkstelligt werden kann.
Eingeschränkte Verfahrensrechte, fehlerhafte Entscheidungen
Unabhängig hiervon ist das Flughafenverfahren aber auch im Hinblick auf die Verfahrensrechte der Flüchtlinge hochproblematisch. AnwältInnen haben faktisch keinen adäquaten Zugang zu ihren MandantInnen, da sie mit ihnen oft erst nach dem Gespräch mit dem BAMF in Kontakt kommen und die Zeit für die Schaffung eines Vertrauensverhältnisses nicht vorhanden ist. Auch die Asylberatung steht unter einem massiven zeitlichen Druck und muss den Flüchtlingen schnell die Bedingungen des deutschen Asylrechts erläutern.
Überdies kommt es zu Fehlentscheidungen. PRO ASYL hat bereits 2012 in einem Gutachten festgestellt, dass die Bescheide des BAMF am Flughafen oft fehlerhaft sind und Menschen trotz Fluchtgründen abgeschoben wurden.
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