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49 zivilgesellschaftliche Organisationen mit einem klaren Statement!

#offengeht lautet das Motto der diesjährigen Interkulturellen Woche. Und #offengeht ist auch die Hauptbotschaft der Erklärung, die die Interkulturelle Woche im Jahr der Bundestagswahl 2021 begleitet.

PRO ASYL, der Bun­des­zu­wan­de­rungs- und Inte­gra­ti­ons­rat, die Dia­ko­nie Hes­sen und der Initia­tiv­aus­schuss für Migra­ti­ons­po­li­tik in Rhein­land-Pfalz plä­die­ren in ihrem Posi­ti­ons­pa­pier »Soli­da­ri­tät ent­gren­zen« für eine offe­ne und soli­da­ri­sche Gesell­schaft und Soli­da­ri­tät ohne Gren­zen –unter­stützt von rund 45 wei­te­ren Orga­ni­sa­tio­nen und Initia­ti­ven wie zum Bei­spiel Dia­ko­nie Deutsch­land, zahl­rei­chen Lan­des­flücht­lings­rä­ten, der deut­schen Gesell­schaft für Ver­hal­tens­the­ra­pie, der Arbeits­ge­mein­schaft der Evan­ge­li­schen Jugend in Deutsch­land, der AWO Nord­rhein-West­fa­len und der Arbeits­ge­mein­schaft Migra­ti­ons­recht im Deut­schen Anwaltsverein.

Ver­fasst wur­de der Appell schon, bevor sich die Lage in Afgha­ni­stan zuspitz­te – und hat lei­der nichts von sei­ner Aktua­li­tät ver­lo­ren. Denn in die­sen Tagen und Wochen erle­ben wir Flücht­lings­po­li­tik wie­der ein­mal im Kri­sen­mo­dus: Weil nicht vor­aus­schau­end gehan­delt wur­de. Weil die Politiker*innen vor allem auf Abschot­tung und Aus­gren­zung setz­ten. Weil sie auf die Stim­men von rechts bei bevor­ste­hen­de Bun­des­tags­wahl schie­len, statt auf die Nöte und Rech­te von Men­schen zu schau­en. Die Fol­ge: Zehn­tau­sen­de Men­schen in Afgha­ni­stan leben in Todes­angst vor der Rache der Tali­ban, dar­un­ter die Orts­kräf­te eben­so wie Män­ner, Frau­en und Kin­der, die schon seit Jah­ren auf ihre Visa für den Fami­li­en­nach­zug nach Deutsch­land war­ten und nun noch mehr als zuvor in Lebens­ge­fahr sind.

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Orga­ni­sa­tio­nen sagen: #offen­geht, für eine Soli­da­ri­tät ohne Grenzen

Das alles hät­te nicht pas­sie­ren müs­sen. Eine ande­re Flücht­lings- und Migra­ti­ons­po­li­tik ist mög­lich: Wie wol­len wir leben und unse­re Zukunft gestal­ten? Als welt­of­fe­ne, inklu­si­ve, gerech­tig­keits- und men­schen­rechts­ba­sier­te Gesell­schaft? Oder aber als Gesell­schaft, die auf Natio­na­lis­mus, Aus­gren­zung, Abschot­tung und auto­ri­tä­re Struk­tu­ren setzt?

Die Ant­wort von PRO ASYL und den ande­ren Orga­ni­sa­tio­nen im Posi­ti­ons­pa­pier ist klar: #offen­geht, für eine Soli­da­ri­tät ohne Gren­zen. Nichts kann so blei­ben, wie es ist. Die Art, wie wir leben, wirt­schaf­ten, arbei­ten, kon­su­mie­ren und die unge­rech­te Ver­tei­lung des Reich­tums müs­sen sich ändern.

Aus vie­len Geflüch­te­ten, die damals nach Deutsch­land kamen, sind längst Kolleg*innen, Freund*innen, enga­gier­te Ehren­amt­li­che und Nachbar*innen gewor­den, die Deutsch­land jün­ger, bun­ter, stär­ker und klü­ger gemacht haben

Kli­ma­wan­del, Gerech­tig­keits­kri­se, Pan­de­mie und jetzt auch die Afgha­ni­stan-Kri­se machen deut­li­cher denn je: Mit geschlos­se­nen Augen, geschlos­se­nen Gren­zen und natio­na­len Allein­gän­gen wird es kei­ne Lösun­gen geben. Kon­zep­te, die nur einen Teil der Mensch­heit im Blick haben und Sicher­heit und Wohl­stand für nur weni­ge ver­hei­ßen, einem ande­ren Teil der Mensch­heit aber Unsi­cher­heit, Armut, Ver­elen­dung und Per­spek­tiv­lo­sig­keit zumu­ten – sol­che Kon­zep­te wer­den schei­tern. Das gilt sowohl inner­halb der Gesell­schaft eines Lan­des als auch in einer glo­ba­li­sier­ten Welt. »Es geht nur mit­ein­an­der und für­ein­an­der. Es geht nur, indem wir Soli­da­ri­tät ent­gren­zen« heißt es in dem Positionspapier.

Doch in der Poli­tik ist seit­dem wenig pas­siert: Statt die­ses Enga­ge­ment (aus­rei­chend) mit Struk­tu­ren und Geld zu unter­stüt­zen, hat sie statt­des­sen immer wie­der neue gesetz­li­che Restrik­tio­nen beschlos­sen, und immer wie­der, gera­de auch in der Afgha­ni­stan-Kri­se im August 2021, wird das rechts­po­pu­lis­ti­sche Man­tra wie­der­holt, »dass sich 2015 nicht wie­der­ho­len darf«. Doch das dient nur dazu, Ängs­te zu schü­ren. Denn: Aus vie­len Geflüch­te­ten, die damals nach Deutsch­land kamen, sind längst Kolleg*innen, Freund*innen, enga­gier­te Ehren­amt­li­che und Nachbar*innen gewor­den, die Deutsch­land jün­ger, bun­ter, stär­ker und klü­ger gemacht haben: #offen­geht gut! Doch Tau­sen­de ste­hen heu­te im Unter­schied zu 2015 vor geschlos­se­nen Grenzen!

Der­zeit ent­schei­det sich auch am Hin­du­kusch, wie wir als Gesell­schaft in Deutsch­land, Euro­pa und der Welt leben wol­len. Des­halb sind wir über­zeugt; #offen­geht!

Und dass es auch in der Migra­ti­ons- und Flücht­lings­po­li­tik nur #offen­geht, haben Mil­lio­nen von Men­schen 2015 im »Som­mer und Herbst der Flucht« prak­tisch vor­ge­lebt, als sie sich bei der Auf­nah­me von fast einer Mil­li­on Flücht­lin­gen aus Kriegs- und Kri­sen­ge­bie­ten enga­gier­ten. Men­schen, die in Deutsch­land den Schutz such­ten, tra­fen auf eine leben­di­ge, huma­ne, empa­thi­sche und an der Idee der uni­ver­sell gül­ti­gen Men­schen­rech­te ori­en­tier­te Zivilgesellschaft.

Der­zeit ent­schei­det sich auch am Hin­du­kusch, wie wir als Gesell­schaft in Deutsch­land, Euro­pa und der Welt leben wol­len. Des­halb sind wir über­zeugt; #offen­geht!

Die dies­jäh­ri­ge Inter­kul­tu­rel­le Woche beginnt am Tag der Bun­des­tags­wahl – und bie­tet nicht nur des­halb die Mög­lich­keit, über eine neue Flücht­lings- und Migra­ti­ons­po­li­tik zu dis­ku­tie­ren. Und auch schon vor­her kön­nen die deut­li­chen For­de­run­gen des Posi­ti­ons­pa­pier mit den Kandidat*innen demo­kra­ti­scher Par­tei­en dis­ku­tiert werden:

Von einer men­schen­rechts­ba­sier­ten Migra­ti­ons- und Flücht­lings­po­li­tik erwar­ten wir umgehend:

  • die Schaf­fung siche­rer und lega­ler Zugangs­we­ge und die Gewähr­leis­tung eines fai­ren und rechts­staat­li­chen Asyl­ver­fah­rens in Europa;
  • die dezen­tra­le Unter­brin­gung von Schutz­su­chen­den, ihre Umver­tei­lung in die Kom­mu­nen nach spä­tes­tens drei Mona­ten sowie die Unter­stüt­zung der Kom­mu­nen bei der Inte­gra­ti­ons­för­de­rung vom ers­ten Tag an;
  • die umfas­sen­de und zeit­na­he Gewähr­leis­tung der Fami­li­en­zu­sam­men­füh­rung in Deutsch­land für alle Flücht­lin­ge und damit die recht­li­che Gleich­stel­lung von sub­si­di­är Geschützten;
  • die Ände­rung huma­ni­tä­rer Blei­be­rechts­re­ge­lun­gen, um Ket­ten­dul­dun­gen wirk­sam zu ver­hin­dern und i.d.R. nach spä­tes­tens fünf Jah­ren dau­er­haf­te Auf­ent­halts­si­cher­heit herzustellen;
  • die Gewäh­rung glei­cher poli­ti­scher Betei­li­gungs­rech­te (Wahl­recht auf allen Ebe­nen) nach fünf Jah­ren Aufenthalt;
  • Sicher­stel­lung des gleich­be­rech­tig­ten Schut­zes sozi­al benach­tei­lig­ter Per­so­nen­grup­pen vor (pan­de­mie­be­ding­ten) Gesund­heits­ri­si­ken. Hier­zu bedarf es der dezen­tra­len Unter­brin­gung, der not­wen­di­gen medi­zi­ni­sche Ver­sor­gung ent­spre­chend dem Leis­tungs­spek­trum der gesetz­li­chen Kran­ken­kas­sen und dem gleich­be­rech­tig­ten Zugang zu Bil­dungs- und Teilhabeangeboten;
  • die Bekämp­fung von Ras­sis­mus in all sei­nen Erschei­nungs­for­men – von All­tags­ras­sis­mus bis zu struk­tu­rel­ler Dis­kri­mi­nie­rung und ras­sis­ti­scher Gewalt – und in allen gesell­schaft­li­chen Berei­chen. Dazu gehö­ren u.a. die kon­se­quen­te Ermitt­lung und Ahn­dung ras­sis­ti­scher Straf- und Gewalt­ta­ten, eine dis­kri­mi­nie­rungs­freie Poli­zei­ar­beit ins­be­son­de­re bei soge­nann­ten »ver­dachts­un­ab­hän­gi­gen Kon­trol­len«, die Aus­wei­tung des recht­li­chen Dis­kri­mi­nie­rungs­schut­zes sowie eine akti­ve und (selbst)kritische Aus­ein­an­der­set­zung mit den Ursa­chen und Fol­gen von Rassismus;
  • eine regel­haf­te und kon­ti­nu­ier­li­che inhalt­li­che und finan­zi­el­le För­de­rung der Arbeit für und mit Schutz­su­chen­den und Ein­ge­wan­der­ten sowie die dau­er­haf­te För­de­rung des Enga­ge­ments für demo­kra­ti­sche Wer­te und gegen jede Form von ras­sis­ti­scher Dis­kri­mi­nie­rung. Weil Demo­kra­tie die Zivil­ge­sell­schaft drin­gend braucht!

(wr)