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Foto: PRO ASYL

Die Reform des »Gemeinsamen Europäischen Asylsystems« (GEAS) ist die größte Asylrechtsverschärfung seit 30 Jahren, auch in Deutschland. Für in die EU fliehende Menschen wird es noch schwerer werden, ab dem Sommer 2026 Schutz zu bekommen. Wir beantworten hier die wichtigsten Fragen dazu, wer, wie und was GEAS eigentlich ist.

Als »his­to­ri­schen Tief­punkt für den Flücht­lings­schutz in Euro­pa« hat­te PRO ASYL die Zustim­mung des Euro­pa­par­la­ments zu der Reform des »Gemein­sa­men Euro­päi­schen Asyl­sys­tems« (GEAS) kri­ti­siert. Dabei war die Idee eines gemein­sa­men euro­päi­schen Asyl­sys­tems eigent­lich mal pro­gres­siv, und auch PRO ASYL setz­te sich dafür ein, damit es euro­pa­weit ein­heit­lich hohe Stan­dards gibt.

Doch nun wird unter dem Deck­man­tel des GEAS eine mas­si­ve Schwä­chung des Flücht­lings­schut­zes voll­zo­gen. Denn die Reform sieht gra­vie­ren­de Ver­schär­fun­gen für Men­schen vor, die in Euro­pa Schutz suchen. Es dro­hen Haft­la­ger an den Außen­gren­zen und immer mehr Deals mit Län­dern außer­halb der EU, um Flücht­lin­ge grund­sätz­lich von Euro­pa fern­zu­hal­ten. Was das zukünf­tig für Men­schen bedeu­tet, die ver­su­chen, in der EU Schutz zu bekom­men, haben wir hier beschrie­ben. Die Fes­tung Euro­pa wur­de mit der GEAS-Reform mit neu­en Abwehr­me­cha­nis­men gegen schutz­su­chen­de Men­schen wei­ter ausgebaut.

Die Fes­tung Euro­pa wur­de mit der GEAS-Reform mit neu­en Abwehr­me­cha­nis­men gegen schutz­su­chen­de Men­schen wei­ter ausgebaut.

Für Deutsch­land bedeu­tet die GEAS-Reform, dass wir vor der größ­ten Asyl­rechts­ver­schär­fung seit der Grund­ge­setz­än­de­rung von 1993 ste­hen. Vie­le Asyl­ver­fah­ren wer­den künf­tig in beschleu­nig­ten Asyl­ver­fah­ren mit ein­ge­schränk­tem Rechts­schutz geprüft – und es ist abzu­se­hen, dass sie oft fälsch­lich abge­lehnt wer­den. Neue Mög­lich­kei­ten der Frei­heits­be­schrän­kun­gen und der Asyl­ver­fah­rens­haft kön­nen dazu füh­ren, dass wir so bis­her nicht bekann­te Inhaf­tie­run­gen von Asyl­su­chen­den erleben.

Die Reform wur­de im Mai 2024 vom Euro­päi­schen Par­la­ment und dem Rat der EU ver­ab­schie­det und kommt ab Juni 2026 zur Anwen­dung. Bis dahin müs­sen die Mit­glied­staa­ten ihre Asyl­sys­te­me ent­spre­chend ange­passt haben. Auf Asyl­su­chen­de und ihre Unterstützer*innen kom­men daher gro­ße Ände­run­gen zu, doch vie­le haben wei­ter­hin gro­ße Fra­ge­zei­chen, was die GEAS-Reform eigent­lich genau ist und zu wel­chen Ände­run­gen sie führt. PRO ASYL beant­wor­tet die häu­figs­ten Fragen.

GEAS steht für »Gemein­sa­mes Euro­päi­sches Asyl­sys­tem«. Es umfasst euro­pa­recht­li­che Richt­li­ni­en und Ver­ord­nun­gen, die die Stan­dards für die Asyl­ver­fah­ren, die Unter­brin­gung und die Ver­sor­gung von Asyl­su­chen­den fest­le­gen sollen.

Die Asyl­sys­te­me in den euro­päi­schen Län­dern wei­sen trotz gemein­sa­mer Richt­li­ni­en und Ver­ord­nun­gen gro­ße Unter­schie­de auf. Das soge­nann­te Dub­lin-Sys­tem hat nie wie vor­ge­se­hen funk­tio­niert und ist nicht nur für die Betrof­fe­nen, son­dern auch für die EU-Staa­ten an den Außen­gren­zen extrem unfair. Zudem unter­schei­den sich in den ver­schie­de­nen Mit­glied­staa­ten die Aner­ken­nungs­quo­ten für Flücht­lin­ge aus ver­schie­de­nen Län­dern stark. Hin­zu kommt, dass in eini­gen EU-Län­dern den Asyl­su­chen­den kein laut Grund­rech­te­char­ta und Euro­päi­scher Men­schen­rechts­kon­ven­ti­on ange­mes­se­ner Lebens­stan­dard gewährt wird.

Des­we­gen füh­len sich vie­le Schutz­su­chen­de gezwun­gen, von dem EU-Land der ers­ten Ein­rei­se in ande­re Mit­glied­staa­ten wie Deutsch­land wei­ter­zu­zie­hen (soge­nann­te Sekun­där­mi­gra­ti­on). Die Reform soll­te ein Neu­start sein und unter ande­rem zu einem soli­da­ri­sche­ren Sys­tem füh­ren sowie Sekun­där­mi­gra­ti­on durch effi­zi­en­te und ein­heit­li­che Ver­fah­ren ver­rin­gern. Doch die Reform, auf die sich letzt­lich geei­nigt wur­de, wird nach Ansicht von PRO ASYL die­se Zie­le nicht errei­chen und statt­des­sen zu mehr Inhaf­tie­rung und Leid von Asyl­su­chen­den an den Außen­gren­zen führen.

Die Reform besteht aus zehn neu­en Rechtsakten:

Bei den Rechts­ak­ten der GEAS-Reform fin­det sich als ein­zi­ge Richt­li­nie die Auf­nah­me­richt­li­nie. Die Richt­li­nie ist hin­sicht­lich ihrer Zie­le ver­bind­lich, aber den Mit­glied­staa­ten wird über­las­sen, in wel­cher Form und mit wel­chen Mit­teln sie die Vor­ga­be in natio­na­les Recht umsetzen.

Alle ande­ren Rege­lun­gen sind als Ver­ord­nun­gen erlas­sen wor­den, da so die Asyl­pra­xis in der EU stär­ker ver­ein­heit­licht wer­den soll. Sie gel­ten unmit­tel­bar in jedem Mit­glied­staat und sind in ihrem gesam­ten Inhalt ver­bind­lich. Die Ver­ord­nun­gen wer­den ab Anwen­dung zwei Jah­re nach Inkraft­tre­ten – also ab Juni bzw. Juli 2026 – Bestand­teil der deut­schen Rechts­ord­nung, ohne dass es eines Umset­zungs­akts bedarf.

Die Ver­ord­nun­gen der Reform beinhal­ten jedoch soge­nann­te Öff­nungs­klau­seln, in denen sie dem natio­na­len Gesetz­ge­ber die Kom­pe­tenz ein­räu­men, bestimm­te Berei­che durch natio­na­le Rege­lun­gen zu kon­kre­ti­sie­ren. Hier muss Deutsch­land die zur Ver­fü­gung ste­hen­den Spiel­räu­me nut­zen, um zum Bei­spiel effek­ti­ven Rechts­schutz zu ermög­li­chen. Gemein­sam mit 25 ande­ren Orga­ni­sa­tio­nen hat PRO ASYL für eine mög­lichst men­schen­rechts­kon­for­me Umset­zung For­de­run­gen an die Bun­des­re­gie­rung gestellt.

Das Bun­des­in­nen­mi­nis­te­ri­um arbei­tet am deut­schen Umset­zungs­ge­setz und hat im Okto­ber 2024 einen Refe­ren­ten­ent­wurf vor­ge­legt. Am 6. Novem­ber 2024 wur­de der Gesetz­ent­wurf von der Bun­des­re­gie­rung im Kabi­nett beschlos­sen – am glei­chen Tag ist die Ampel-Regie­rung aus­ein­an­der­ge­bro­chen. Aktu­ell sieht es danach aus, dass es kei­ne aus­rei­chen­de Mehr­heit im Bun­des­tag gibt, um das Gesetz noch vor der Bun­des­tags­wahl zu verabschieden.

PRO ASYL kri­ti­siert scharf, dass der Refe­ren­ten­ent­wurf eine gan­ze Rei­he nicht-not­wen­di­ger Ver­schär­fun­gen und eine mas­si­ve Aus­wei­tung der Mög­lich­kei­ten zur Frei­heits­be­schrän­kung und Inhaf­tie­rung von Schutz­su­chen­den in Deutsch­land vorsieht.

Alle Per­so­nen, die ohne Erlaub­nis die Außen­gren­zen über­schrei­ten, wer­den einem »Scree­ning« unter­wor­fen, das ver­pflich­tend ist. Das Scree­ning (deutsch: Über­prü­fung) umfasst die Iden­ti­fi­zie­rung der Per­so­nen, Gesund­heits- und Sicher­heits­über­prü­fun­gen, die Abnah­me von bio­me­tri­schen Daten und die Regis­trie­rung in der Fin­ger­ab­druck-Daten­bank EURODAC. Außer­dem wird geprüft, ob die Per­so­nen beson­ders schutz­be­dürf­tig sind, also zum Bei­spiel Opfer von Fol­ter gewor­den sind. Die­se Über­prü­fung darf maxi­mal sie­ben Tage dau­ern. Wäh­rend des Scree­nings an den Außen­gren­zen gel­ten die Per­so­nen als »nicht-ein­ge­reist« und wer­den hier­für abseh­bar in bestimm­ten Zen­tren festgehalten.

Erfolg­te das Scree­ning nicht an der Außen­gren­ze, ist es im Inland inner­halb von drei Tagen nach­zu­ho­len, wenn eine Per­son auf­ge­grif­fen wird, die kei­nen Auf­ent­halts­ti­tel hat. Wäh­rend des Scree­nings im Inland gilt die Fik­ti­on (Annah­me) der Nicht-Ein­rei­se nicht.

Das Scree­ning endet mit dem Ver­weis in das geeig­ne­te Ver­fah­ren: das Asyl- oder das Rück­kehr­ver­fah­ren. Es wird auch ent­schie­den, wel­che Per­so­nen in das Asyl­grenz­ver­fah­ren müssen.

Das Asyl­grenz­ver­fah­ren ist ein Schnell­ver­fah­ren und kann bis zu zwölf Wochen dau­ern. Eine Ver­län­ge­rung um wei­te­re vier Wochen ist nur mög­lich, wenn eine Über­nah­me der betref­fen­den Per­son im Rah­men des Soli­da­ri­täts­me­cha­nis­mus erfolgt ist.

Es ist ver­pflich­tend für Per­so­nen, denen vor­ge­wor­fen wird, die Behör­den über ihre Iden­ti­tät getäuscht zu haben, oder bei denen ange­nom­men wird, dass sie eine Gefahr für die natio­na­le Sicher­heit oder öffent­li­che Ord­nung dar­stel­len. Außer­dem müs­sen Per­so­nen, die aus einem Staat kom­men, in dem die Quo­te der Schutz­aner­ken­nung euro­pa­weit unter 20 Pro­zent liegt, in das Grenz­ver­fah­ren. Die Mit­glied­staa­ten kön­nen die Grenz­ver­fah­ren auch optio­nal auf wei­te­re Asyl­su­chen­de aus­wei­ten, wenn sie zum Bei­spiel aus »siche­ren Her­kunfts­staa­ten« kom­men oder über einen »siche­ren Dritt­staat« gereist sind.

Auch Kin­der kön­nen zusam­men mit ihren Fami­li­en zu den betrof­fe­nen Per­so­nen gehö­ren. Nur unbe­glei­te­te Min­der­jäh­ri­ge sind in der Regel vom Grenz­ver­fah­ren aus­ge­nom­men. Per­so­nen­grup­pen, die beson­ders vul­nerabel sind, sind nicht gene­rell vom Grenz­ver­fah­ren aus­ge­nom­men. Wenn aber ihre Bedürf­nis­se im Grenz­ver­fah­ren nicht berück­sich­tigt wer­den kön­nen, darf es nicht durch­ge­führt werden.

Euro­pa­weit ist eine Kapa­zi­tät von 30.000 Plät­zen für das Grenz­ver­fah­ren vor­zu­se­hen, wenn die­se über­schrit­ten wird, sind die Grenz­ver­fah­ren aus­zu­set­zen. Deutsch­land muss laut Umset­zungs­be­schluss der Kom­mis­si­on 374 Plät­ze für das Außen­grenz­ver­fah­ren bereit­stel­len. An das Grenz­ver­fah­ren kann sich ein bis zu drei­mo­na­ti­ges Rück­füh­rungs­grenz­ver­fah­ren anschließen.

Grenz­ver­fah­ren sind nicht dafür geeig­net, dass dort fai­re Asyl­ver­fah­ren statt­fin­den. Es besteht die Gefahr, dass der Schutz­be­darf geflüch­te­ter Men­schen nicht erkannt wird und Abschie­bun­gen trotz dro­hen­der Ver­fol­gung durch­ge­führt wer­den. Mit einem Blick auf die erheb­li­chen sys­te­ma­ti­schen Män­gel an den EU-Außen­gren­zen, die schon heu­te bestehen, lässt eine Stär­kung die­ses Ansat­zes durch ver­pflich­ten­de Grenz­ver­fah­ren schlim­me Kon­se­quen­zen erah­nen. In geschlos­se­nen Lagern in Grie­chen­land bei­spiels­wie­se haben Rechtsberater*innen schon jetzt kei­nen gesi­cher­ten Zugang; und auch die medi­zi­ni­sche Ver­sor­gung ist man­gel­haft. Die recht­li­che Fik­ti­on der Nicht-Ein­rei­se wird abseh­bar dazu füh­ren, dass Asyl­su­chen­de im Grenz­ver­fah­ren sys­te­ma­tisch inhaf­tiert wer­den. Das iso­liert die Men­schen sehr und ist eine zusätz­li­che psy­chi­sche Belastung

In Bul­ga­ri­en wird das Grenz­ver­fah­ren schon seit 2023 als Pilot­pro­jekt erprobt. Die Rechtsberater*innen dort befürch­ten, bei Schnell­ver­fah­ren in Zen­tren an den Gren­zen kei­nen Zugang mehr zu den Asyl­su­chen­den zu erhal­ten. Das Pilot­pro­jekt lässt laut ihren Aus­sa­gen dies­be­züg­lich nichts Gutes erahnen.

Wäh­rend des Scree­nings und der Grenz­ver­fah­ren gilt die Fik­ti­on der Nicht-Ein­rei­se: Obwohl sich die Asyl­su­chen­den ört­lich in einem euro­päi­schen Land befin­den, gel­ten sie als nicht ein­ge­reist. Wäh­rend des Scree­nings und des Grenz­ver­fah­rens dür­fen die Asyl­su­chen­den abseh­bar bis zu sechs Mona­te lang die Auf­nah­me­ein­rich­tun­gen an den Außen­gren­zen nicht verlassen.

Das Bun­des­in­nen­mi­nis­te­ri­um gibt an, die­se Unter­brin­gung im Grenz­ver­fah­ren sei nicht mit Haft gleich­zu­set­zen. Haft bedeu­te Frei­heits­ent­zie­hung. Bei den Grenz­ver­fah­ren wer­de dage­gen für einen befris­te­ten Zeit­raum eine Frei­heits­be­schrän­kung vor­ge­nom­men, das heißt, die betref­fen­den Per­so­nen dürf­ten (noch) nicht in die EU ein­rei­sen, aber die Aus­rei­se in Dritt­staa­ten blei­be möglich.

Fakt ist jedoch, dass die Men­schen in Zen­tren fest­ge­hal­ten wer­den, bis das Ver­fah­ren abge­schlos­sen ist – anders sind die Grenz­ver­fah­ren prak­tisch gar nicht mög­lich. Dass eine Aus­rei­se in einen Dritt­staat hypo­the­tisch mög­lich wäre, kann an der Annah­me einer Haft nichts ändern. Die Per­so­nen müs­sen sich ja gera­de in dem Staat an den Außen­gren­zen und nicht in einem Dritt­staat auf­hal­ten, um Asyl zu erhalten.

In der Scree­ning-Ver­ord­nung heißt es dazu auch: Die Mit­glied­staa­ten sol­len Bestim­mun­gen fest­le­gen, um sicher zu stel­len, »dass die­se Dritt­staats­an­ge­hö­ri­gen wäh­rend der Über­prü­fung anwe­send sind« und nicht flüch­ten (Erwä­gungs­grund 11). Dies wird fak­tisch in die­sem Sys­tem nur mit Haft umzu­set­zen sein.

Der Euro­päi­sche Gerichts­hof stell­te bezüg­lich der Tran­sit­zo­nen in Ungarn schon im Jahr 2020 fest, dass »die Ver­pflich­tung eines Dritt­staats­an­ge­hö­ri­gen, sich stän­dig in einer Tran­sit­zo­ne auf­zu­hal­ten, die ein­ge­grenzt und geschlos­sen ist, in der sei­ne Bewe­gun­gen beschränkt sind und über­wacht wer­den und die er aus eige­nen Stü­cken recht­mä­ßig in kei­ne Rich­tung ver­las­sen kann, einer Frei­heits­ent­zie­hung gleich­kommt, wie sie für eine Haft im Sin­ne der genann­ten Richt­li­ni­en cha­rak­te­ris­tisch ist«. Er stellt dabei auch dar­auf ab, dass beim Ver­las­sen des unga­ri­schen Hoheits­ge­biets jede Chan­ce auf Zuer­ken­nung der Flücht­lings­ei­gen­schaft in Ungarn ver­lo­ren geht und dies folg­lich kei­ne Alter­na­ti­ve darstellt.

Nach inter­na­tio­na­lem Recht dür­fen Per­so­nen nicht allein dafür inhaf­tiert wer­den, dass sie einen Asyl­an­trag stel­len. Die Bedin­gun­gen in den Auf­nah­me­zen­tren wer­den zudem, wenn man bis­he­ri­ge Erfah­run­gen zugrun­de legt, kei­ne men­schen­wür­di­ge Unter­brin­gung ermöglichen.

Für Deutsch­land sind für das Grenz­ver­fah­ren 374 Plät­ze vor­ge­se­hen. Die­se Ver­fah­ren wer­den vor­aus­sicht­lich in der Nähe von Flug­hä­fen statt­fin­den und das Flug­ha­fen­ver­fah­ren inso­weit erset­zen. In Deutsch­land sind Flug­ha­fen­ver­fah­ren bis­lang vor­ge­se­hen für Per­so­nen, die auf dem Luft­weg nach Deutsch­land ein­rei­sen und aus soge­nann­ten siche­ren Her­kunfts­län­dern kom­men oder kei­nen gül­ti­gen Pass bei sich füh­ren. Das Bun­des­amt für Migra­ti­on und Flücht­lin­ge führt unver­züg­lich eine Anhö­rung durch und ent­schei­det ent­we­der inner­halb von zwei Tagen, dass der Antrag als »offen­sicht­lich unbe­grün­det« abge­lehnt wird, oder die Per­son kann zur Durch­füh­rung eines regu­lä­ren Asyl­ver­fah­rens ein­rei­sen. Inner­halb von drei Tagen kann Eil­rechts­schutz und Kla­ge hier­ge­gen erho­ben werden.

Ins­ge­samt dau­ert das Ver­fah­ren maxi­mal 19 Tage. Die­ses Schnell­ver­fah­ren ist durch den Zeit­druck, die hohen psy­chi­schen und phy­si­schen Belas­tun­gen, die haft­ähn­li­chen Bedin­gun­gen und den man­geln­den Kon­takt zur Außen­welt deut­lich nach­teil­haf­ter als die regu­lä­ren Asyl­ver­fah­ren inner­halb Deutsch­lands (hier hat PRO ASYL das Flug­ha­fen­ver­fah­ren und die Pro­ble­me aus­führ­lich analysiert).

Durch die Umstel­lung auf Grenz­ver­fah­ren nach den euro­päi­schen Vor­ga­ben wür­de zwar der Zeit­druck durch die Aus­wei­tung auf zwölf Wochen etwas nach­las­sen, die emo­tio­na­le Belas­tung aber wegen einer noch län­ge­ren Abschot­tung in Haft bezie­hungs­wei­se haft­ähn­li­chen Bedin­gun­gen erheb­lich stei­gen. Zudem wer­den noch mehr Men­schen das Ver­fah­ren durch­lau­fen müs­sen, gera­de wenn – wie im Refe­ren­ten­ent­wurf des deut­schen Innen­mi­nis­te­ri­ums ange­legt – nicht nur in ver­pflich­ten­den Fäl­len die Grenz­ver­fah­ren ange­wen­det wer­den, son­dern auch in optio­na­len Fäl­len.

Für das Scree­ning und das Grenz­ver­fah­ren ist ein eigen­stän­di­ger und unab­hän­gi­ger Moni­to­ring-Mecha­nis­mus vor­ge­se­hen, der die Ein­hal­tung der Grund- und Men­schen­rech­te über­wa­chen soll. Jeder Mit­glied­staat ist für die Ein­rich­tung einer sol­chen Stel­le selbst ver­ant­wort­lich. Eine behörd­li­che Rechts­auf­sicht oder nach­träg­li­che Über­prü­fungs­mög­lich­keit genügt den Anfor­de­run­gen nicht: »Die blo­ße Exis­tenz von gericht­li­chen Rechts­be­hel­fen in Ein­zel­fäl­len oder natio­na­len Sys­te­men zur Kon­trol­le der Effi­zi­enz der Über­prü­fung reicht nicht aus, um die Anfor­de­run­gen hin­sicht­lich der Über­wa­chung der Ein­hal­tung der Grund­rech­te gemäß die­ser Ver­ord­nung zu erfül­len«, heißt es in der Ver­ord­nung (Erwä­gungs­grund 29 VO 2024/1356).

Das Deut­sche Insti­tut für Men­schen­rech­te schlägt in sei­ner Stel­lung­nah­me »als Trä­ger eines unab­hän­gi­gen Moni­to­ring-Mecha­nis­mus in Deutsch­land das Deut­sche Insti­tut für Men­schen­rech­te oder die Natio­na­le Stel­le zur Ver­hü­tung von Fol­ter« vor, weil »deren Unab­hän­gig­keit durch inter­na­tio­na­le Stan­dards bzw. einen völ­ker­recht­li­chen Ver­trag garan­tiert ist«.

Der Moni­to­ring-Mecha­nis­mus hat jeder­zeit Zugang zu den Orten des Scree­nings und der Grenz­ver­fah­ren sowie zu den dort fest­ge­hal­te­nen Men­schen und kann auch Doku­men­te ein­se­hen. Jedes Jahr kön­nen Emp­feh­lun­gen an die Mit­glied­staa­ten abge­ge­ben wer­den. Der Mecha­nis­mus muss eng mit Nicht­re­gie­rungs­or­ga­ni­sa­tio­nen, den natio­na­len Daten­schutz­be­hör­den und dem euro­päi­schen Daten­schutz­be­auf­trag­ten zusam­men­ar­bei­ten. Ob die Über­wa­chung der Ein­hal­tung der Grund- und Men­schen­rech­te effek­tiv ist, wird sich durch die Umset­zung in den Mit­glied­staa­ten ent­schei­den und ob die Emp­feh­lun­gen in der Pra­xis berück­sich­tigt werden.

Mit dem Kon­zept der »siche­ren Dritt­staa­ten« wer­den Geflüch­te­te auf einen angeb­lich in einem ande­ren Land bestehen­den Schutz ver­wie­sen. Statt in der EU Schutz zu bekom­men, wird ihr Antrag dann als »unzu­läs­sig« abge­lehnt. Und es wird ver­sucht, sie in den betref­fen­den Staat außer­halb der EU abzu­schie­ben. Eine inhalt­li­che Prü­fung der Flucht­grün­de fin­det nicht statt.

PRO ASYL lehnt das Kon­zept von »siche­ren Dritt­staa­ten« grund­sätz­lich ab und kri­ti­siert die Aus­wei­tung des Kon­zep­tes durch die GEAS-Reform als eine Mög­lich­keit für die EU-Mit­glied­staa­ten, sich aus dem Flücht­lings­schutz zurück­zu­zie­hen. Dabei wer­den schon jetzt rund drei Vier­tel der welt­wei­ten Flücht­lin­ge von armen oder ein­kom­mens­schwa­chen Län­dern – vor allem im glo­ba­len Süden – auf­ge­nom­men (sie­he hier für eine aus­führ­li­che Stellungnahme).

Die Anfor­de­run­gen, die an einen »siche­ren Dritt­staat« gestellt wer­den, wer­den mit der Reform gesenkt. Der Dritt­staat muss nicht die Gen­fer Flücht­lings­kon­ven­ti­on rati­fi­ziert haben, die Erfül­lung eini­ger weni­ger Rechts­stan­dards zum Schutz von Flücht­lin­gen soll aus­rei­chen. Auch ist es bedenk­lich, dass für die Ein­stu­fung als »siche­rer Dritt­staat« nicht das gan­ze Staats­ge­biet sicher sein muss, son­dern Teil­ge­bie­te des Staa­tes ausreichen.

Die Sen­kung der Anfor­de­run­gen an den Dritt­staat birgt das Risi­ko, dass es in den ver­meint­lich siche­ren Dritt­staa­ten zu Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen kom­men kann oder Ket­ten­ab­schie­bun­gen in die Her­kunfts­staa­ten ermög­licht wer­den. Es ist davon aus­zu­ge­hen, dass das Absen­ken der Kri­te­ri­en zur ver­mehr­ten Nut­zung der Rege­lung füh­ren wird – wenn sich denn außer­eu­ro­päi­sche Län­der fin­den, die für sol­che Deals zur Ver­fü­gung stehen.

Besorg­nis­er­re­gend für die deut­sche Pra­xis ist, dass laut dem Gesetz­ent­wurf der Ampel-Regie­rung »siche­re Dritt­staa­ten« künf­tig von der Bun­des­re­gie­rung per Rechts­ver­ord­nung mit Zustim­mung des Bun­des­ta­ges bestimmt wer­den kön­nen und nicht mehr stets per Gesetz mit Zustim­mung im Bun­des­rat. Der Refe­ren­ten­ent­wurf des BMI hat­te sogar auch den Bun­des­tag von dem Pro­zess aus­schlie­ßen wol­len. In bei­den Fäl­len wür­de der demo­kra­ti­sche Pro­zess ein­ge­schränkt wer­den – im Wider­spruch zum Grundgesetz.

Zu den »siche­ren Dritt­staa­ten« gibt es zudem eine Son­der­re­gel in der Reform: Der Inhalt der Rege­lung soll in einem Jahr – bis Juni 2025 – eva­lu­iert und even­tu­ell ange­passt wer­den. Meh­re­re Mit­glied­staa­ten for­dern bereits, dass das aktu­ell noch bestehen­de soge­nann­te Ver­bin­dungs­ele­ment gestri­chen wer­den soll. Die­ses sieht vor, dass es eine aus­rei­chen­de Ver­bin­dung zwi­schen der in Euro­pa schutz­su­chen­den Per­son und dem Nicht-EU-Land geben soll, in das sie abge­scho­ben wer­den soll. Letzt­lich muss sie sich dafür eini­ge Zeit in dem Land auf­ge­hal­ten haben, damit eine sol­che Ver­bin­dung bestehen kann.

Soll­te das Ver­bin­dungs­kri­te­ri­um gestri­chen wer­den, dann wür­den auch Deals wie der berühmt-berüch­tig­te UK-Ruan­da-Deal für EU-Län­der in Fra­ge kom­men. Das könn­te die Ver­su­che, den Flücht­lings­schutz aus­zu­la­gern, ein­mal mehr antreiben.

Die Prü­fung eines Asyl­an­trags in einem beschleu­nig­te Ver­fah­ren ist in einer Viel­zahl von Fäl­len ver­pflich­tend vor­ge­se­hen: wenn angeb­lich unwah­re oder offen­sicht­lich aus­sicht­lo­se Anga­ben im Asyl­ver­fah­ren gemacht wur­den, der Antrag nur dazu die­nen soll, den Voll­zug einer Abschie­bung zu ver­hin­dern, es sich um einen Fol­ge­an­trag han­delt, die Per­son aus einem »siche­ren Her­kunfts­land« oder einem Staat mit einer Aner­ken­nungs­quo­te von unter 20 Pro­zent kommt oder eine Gefahr für die öffent­li­che Sicher­heit und Ord­nung darstellt.

Auch bei einer ver­säum­ten recht­zei­ti­gen Antrags­stel­lung auf inter­na­tio­na­len Schutz ist das beschleu­nig­te Ver­fah­ren ein­schlä­gig. Es kann auch bei unbe­glei­te­ten Min­der­jäh­ri­gen durch­ge­führt wer­den. Das Ver­fah­ren soll so schnell wie mög­lich, spä­tes­tens aber nach drei Mona­ten, abge­schlos­sen sein. Der kür­ze­re Prü­fungs­zeit­raum birgt die Gefahr für ober­fläch­li­che Ent­schei­dun­gen und man­gel­haf­te Prü­fun­gen der kom­ple­xen Flucht­grün­de oder Situa­tio­nen in Her­kunfts­län­dern. Durch die kür­ze­ren Rechts­mit­tel­fris­ten ist Rechts­schutz in beschleu­nig­ten Ver­fah­ren regel­mä­ßig nur unter erschwer­ten Bedin­gun­gen mög­lich, es gilt zudem kei­ne auf­schie­ben­de Wir­kung des Rechtsbehelfs.

Die ver­pflich­ten­den beschleu­nig­ten Ver­fah­ren sind für die Asyl­ver­fah­ren in Deutsch­land eine der größ­ten Ver­schär­fun­gen und könn­ten zum Bei­spiel mit Asyl­su­chen­den aus der Tür­kei eine der Haupt­grup­pen von Asyl­su­chen­den treffen.

Eine kos­ten­lo­se recht­li­che Unter­stüt­zung von Asyl­su­chen­den ist von nun an recht­lich zwin­gend. Die nähe­re Aus­ge­stal­tung der Rechts­be­ra­tung wird den Mit­glied­staa­ten über­las­sen. In Deutsch­land gibt es mit der bun­des­wei­ten Asyl­ver­fah­rens­be­ra­tung durch die Wohl­fahrts­ver­bän­de ein gutes Sys­tem, das durch eine ange­mes­se­ne Finan­zie­rung gestärkt wer­den sollte.

Die Fris­ten sind in der Asyl­ver­fah­rens­ver­ord­nung als Ermes­sens­spiel­raum ange­ge­ben, wobei Deutsch­land zur Wah­rung eines effek­ti­ven Rechts­schut­zes und Ver­mei­dung ober­fläch­li­cher Prü­fun­gen die längst mög­li­chen Fris­ten wäh­len sollte.

Besorg­nis­er­re­gend ist, dass die soge­nann­te auf­schie­ben­de Wir­kung von Rechts­be­hel­fen – dass also wäh­rend des Gerichts­ver­fah­rens kei­ne Abschie­bung voll­zo­gen wer­den kann – in vie­len Fäl­len nicht mehr gel­ten wird. Hier­zu gehö­ren alle Fäl­le, die in soge­nann­ten beschleu­nig­ten Ver­fah­ren geprüft wur­den: zum Bei­spiel im Außen­grenz­ver­fah­ren, aber auch im Inland. Das erhöht die Gefahr, dass es zu Abschie­bun­gen kommt, bei denen die Gefahr im Her­kunfts­land nicht erkannt wur­de. Die auf­schie­ben­de Wir­kung kann mit einem Eil­an­trag erreicht werden.

Zum ers­ten Mal gibt es durch die GEAS-Reform eine Kri­sen-Ver­ord­nung, mit der die eigent­lich gel­ten­den Regeln aus­ge­setzt wer­den kön­nen. Die Kom­mis­si­on stellt auf Antrag fest, ob es eine Kri­se in dem jewei­li­gen Mit­glied­staat gibt.

Eine Kri­se im Sin­ne der Ver­ord­nung ist »eine außer­ge­wöhn­li­che Situa­ti­on von Mas­sen­an­künf­ten von Dritt­staats­an­ge­hö­ri­gen«, die ins­be­son­de­re im Hin­blick auf Ein­woh­ner­zahl und Grö­ße des Hoheits­ge­biets des Mit­glied­staa­tes ein Aus­maß hat, das dazu führt, dass gut vor­be­rei­te­te Asyl­sys­te­me nicht mehr funk­tio­nie­ren, »sodass es zu schwer­wie­gen­den Fol­gen für das Funk­tio­nie­ren des Gemein­sa­men Euro­päi­schen Asyl­sys­tems kom­men könn­te« (Art. 1 Absatz 4 Buch­sta­be a der Verordnung).

Eben­falls stellt es laut der Ver­ord­nung eine Kri­se dar, wenn ein Dritt­staat die Ein­rei­se von Dritt­staats­an­ge­hö­ri­gen för­dert »mit dem Ziel, die Uni­on oder einen Mit­glied­staat zu desta­bi­li­sie­ren« und die asyl­su­chen­den Men­schen so »instru­men­ta­li­siert«. Eine Kri­se ist dies nur, wenn wesent­li­che Funk­tio­nen des Mit­glied­staa­tes ein­schließ­lich der Auf­recht­erhal­tung der öffent­li­chen Ord­nung oder des Schut­zes der natio­na­len Sicher­heit gefähr­det werden.

Die Kri­sen-Ver­ord­nung ent­hält für die­se Fäl­le einen Maß­nah­men­ka­ta­log, der von einer mas­si­ven Aus­wei­tung des Grenz­ver­fah­rens über eine Ver­län­ge­rung der Regis­trie­rungs- und Dub­lin­fris­ten bis hin zu ergän­zen­den Soli­da­ri­täts­maß­nah­men reicht. Die Mit­lied­staa­ten ent­schei­den im Rat der EU, wel­che Aus­nah­me­maß­nah­men dem Mit­glied­staat gewährt werden.

Die Behand­lung Asyl­su­chen­der kann sich dem­nach in Kri­sen­fäl­len noch wei­ter ver­schlech­tern. Die Kri­sen-Ver­ord­nung wird zu einer erneu­ten Frag­men­tie­rung des Euro­päi­schen Asyl­sys­tems füh­ren und unter­stützt den Trend, dass Mit­glied­staa­ten sich auf angeb­li­che Kri­sen und Not­stän­de beru­fen, um die Men­schen­rech­te von Geflüch­te­ten zu m missachten.

Obwohl das Dub­lin-Sys­tem seit vie­len Jah­ren und von vie­len Sei­ten in der Kri­tik steht, wur­de es durch die Asyl- und Migra­ti­ons­ma­nage­ment­ver­ord­nung, die die Dub­lin-Ver­ord­nung ersetzt, nicht wesent­lich ver­än­dert. Wei­ter­hin sind die Erst­ein­rei­se­staa­ten pri­mär für die Durch­füh­rung der Asyl­ver­fah­ren zustän­dig, wes­halb die gro­ße Ver­ant­wor­tung der Mit­glied­staa­ten an den Außen­gren­zen kaum weni­ger wer­den wird.

Beson­ders rele­vant sind die Ände­run­gen bei der Über­stel­lungs­frist. Die regu­lä­re Über­stel­lungs­frist bleibt zwar bei sechs Mona­ten, sie kann jedoch auf bis zu drei Jah­re ver­län­gert wer­den, wenn eine Per­son – oder jemand aus der Fami­lie – als flüch­tig gilt, sich der Über­stel­lung kör­per­lich wider­setzt, sich für die Über­stel­lung vor­sätz­lich untaug­lich macht oder die erfor­der­li­chen medi­zi­ni­schen Anfor­de­run­gen nicht erfüllt.

Zudem sol­len nach der Zustel­lung der Dub­lin-Ent­schei­dung die Asyl­be­wer­ber­leis­tun­gen nur noch in dem Mit­glied­staat, in dem sich der Antrag­stel­ler auf­zu­hal­ten hat, gewährt wer­den. Das ändert jedoch nichts dar­an, dass ein men­schen­wür­di­ges Exis­tenz­mi­ni­mum zu gewähr­leis­ten ist. Der in Deutsch­land mit dem Sicher­heits­pa­ket vor­ge­se­he­ne Leis­tungs­aus­schluss für Dub­lin-Fäl­le bleibt damit euro­pa­rechts­wid­rig.

Ein schwa­cher Trost sind in Anbe­tracht des­sen die weni­gen Ver­bes­se­run­gen für Asyl­su­chen­de: Fami­li­en müs­sen nicht mehr schon im Her­kunfts­land bestan­den haben, son­dern kön­nen auch auf der Flucht ent­stan­den sein. Und Ver­fah­ren zur Wie­der­her­stel­lung der Fami­li­en­ein­heit sol­len prio­ri­siert werden.

Die Asyl- und Migra­ti­ons­ma­nage­ment-Ver­ord­nung sieht eine ver­pflich­ten­de Teil­nah­me an einem Soli­da­ri­täts­me­cha­nis­mus vor. Dies soll zu einer gerech­te­ren Ver­tei­lung der Ver­ant­wor­tung der Mit­glied­staa­ten für Asylbewerber*innen füh­ren, indem die Staa­ten, die unter »Migra­ti­ons­druck« ste­hen oder sich in einer »Kri­se« befin­den, ent­las­tet werden.

Ob dies erreicht wer­den wird, ist zwei­fel­haft, da unter den unter­schied­li­chen Soli­da­ri­täts­bei­trä­gen frei gewählt wer­den kann: Die Über­nah­me von Asyl­su­chen­den, ein finan­zi­el­ler Bei­trag an die ande­ren Staa­ten und ein alter­na­ti­ver Bei­trag (zum Bei­spiel per­so­nel­le Unter­stüt­zung, Dienst­leis­tun­gen, Ein­rich­tun­gen und tech­ni­sche Aus­rüs­tung) gel­ten als gleich­wer­tig. Mit­glied­staa­ten, die Soli­da­ri­täts­bei­trä­ge leis­ten und selbst unter Migra­ti­ons­druck gera­ten, kön­nen die Beträ­ge redu­zie­ren oder sogar aus­set­zen. Pro Jahr sol­len min­des­tens 30.000 Umver­tei­lungs­plät­ze und 600 Mil­lio­nen Euro Finanz­hil­fen von den Mit­glied­staa­ten zur Ver­fü­gung gestellt werden.

Es ist zu befürch­ten, dass sich die meis­ten Mit­glied­staa­ten auf finan­zi­el­le Unter­stüt­zun­gen beschrän­ken wer­den, statt aktiv Asyl­su­chen­de zu über­neh­men. Mit einer wirk­li­chen Ent­las­tung der Staa­ten an den Außen­gren­zen ist des­we­gen nicht zu rech­nen, was die Situa­ti­on an den Außen­gren­zen wei­ter ver­schär­fen wird.

Der Umfang der Soli­da­ri­täts­bei­trä­ge rich­tet sich nach einem Schlüs­sel (dem »fair share«), der sich nach der Bevöl­ke­rungs­zahl und dem Brut­to­in­lands­pro­dukt des jewei­li­gen Mit­glieds­staa­tes bemisst. Auf Deutsch­land fal­len damit 22 Pro­zent der Soli­da­ri­täts­bei­trä­ge. Wenn man dies auf die Min­dest­vor­ga­ben berech­net, dann bedeu­tet dies für Deutsch­land 6.585 Auf­nah­men von Geflüch­te­ten pro Jahr und 131,7 Mil­lio­nen Euro als Anteil an den vor­ge­se­he­nen Finanzbeiträgen.

(Rebec­ca Hei­ne­mann, Refe­ren­da­rin bei PRO ASYL von Juli bis Sep­tem­ber 2024, wj)