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Selbst die offiziellen Unterbringungslager für Flüchtlinge gleichen in Griechenland Haftanstalten. Foto: Unsplash

Immer häufiger berichten Medien über systematische Verletzungen der Menschenrechte an den Außengrenzen, immer brutaler werden die Methoden der Grenzschützer. Doch ohne vernünftige Kontrollinstanzen bleiben die Taten ungestraft.

Die ver­gan­ge­nen Tage brach­ten scho­ckie­ren­de Nach­rich­ten von den euro­päi­schen Außen­gren­zen. In Mel­il­la star­ben min­des­tens 23 Men­schen beim Ver­such, in die Euro­päi­sche Uni­on ein­zu­rei­sen. Trotz der zahl­rei­chen Toten und dut­zen­der Miss­han­del­ter lob­te der Innen­mi­nis­ter Spa­ni­ens das Vor­ge­hen der Sicherheitsbehörden.

In Grie­chen­land erpres­sen Grenz­schüt­zer Schutz­su­chen­de, die zuvor selbst Opfer schwers­ter Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen durch eben jene Behör­den gewor­den sind. Sie erpres­sen sie, zum Teil  ver­skla­ven sie die­se und zwin­gen sie zur Mit­wir­kung bei ihren völ­ker­rechts­wid­ri­gen Push­backs – das zeigt eine neue Recher­che ver­schie­de­ner Medi­en, die Betrof­fe­ne die­ser Prak­ti­ken aus­fin­dig machen konnten.

Die Betrof­fe­nen berich­ten von Schlä­gen, soll­ten sie ihre Arbeit ver­wei­gern. Wäh­rend ihrer erzwun­ge­nen Arbeit wur­den sie von der Poli­zei »Zel­len« unter­ge­bracht. Nah­rung, Was­ser und medi­zi­ni­sche Ver­sor­gung gab es nur unregelmäßig.

Griechenland hat ein massives Rechtsstaatsproblem

Ange­sichts die­ses neu­en Tief­punkts ist das Ver­trau­en in den grie­chi­schen Rechts­staat ein wei­te­res Mal erschüt­tert wor­den. Deut­lich wird: Grie­chen­land hat unter der Regie­rung Mit­so­ta­kis ein mas­si­ves Rechtsstaatsproblem.

Seit Jah­ren beob­ach­tet PRO ASYL mit den Partner*innen in Grie­chen­land die Spi­ra­le der Gewalt gegen­über Geflüch­te­ten mit Sor­ge und doku­men­tiert die Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen. Immer wie­der kommt es zu Toten. Zuletzt scho­ckier­ten Berich­te über Flücht­lin­ge, die von der Küs­ten­wa­che ohne Ret­tungs­wes­ten zurück ins Meer gewor­fen und dort zum Ster­ben zurück­ge­las­sen wurden.

Trotz zahl­rei­cher, gut doku­men­tier­ter Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen gibt es bis­her kei­ner­lei Sank­tio­nen gegen die EU-Mitgliedsstaaten!

Und erst im April war der bis­he­ri­ge Lei­ter der euro­päi­schen Grenz­schutz­agen­tur Fron­tex zurück­ge­tre­ten, nach­dem die Ver­tu­schung ille­ga­ler Push­backs durch sei­ne Behör­de bekannt gewor­den war.

Trotz der Bericht­erstat­tung fehlt es bis­lang an Kon­se­quen­zen. Die Regie­rung in Athen scheint die völ­ker­rechts­wid­ri­gen Prak­ti­ken an den Außen­gren­zen zu bil­li­gen oder sogar zu befür­wor­ten. Doch auch die Euro­päi­sche Uni­on ver­schließt in Sachen Flücht­lings­schutz die Augen vor den Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen. Die EU-Kom­mis­si­on darf aber nicht wei­ter auf die »Selbst­kon­trol­le«  des grie­chi­schen Staa­tes bei Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen ver­trau­en. Die­se »Selbst­kon­trol­le« funk­tio­niert offen­sicht­lich nicht.

Wäh­rend wei­ter Pro­jek­te zur Siche­rung der Gren­ze unter­stützt und Haft­la­ger für Schutz­su­chen­de mit­fi­nan­ziert wer­den, mach­te die Euro­päi­sche Kom­mis­si­on bis­her kei­ner­lei Anstal­ten, die völ­ker­rechts­wid­ri­gen Prak­ti­ken eini­ger Mit­glieds­staa­ten zu unter­bin­den oder zu sanktionieren.

Mit EU Geldern zurück in die Folter- und Vergewaltigungslager Libyens

Wäh­rend die grie­chi­schen Sicher­heits­be­hör­den ihren schmut­zi­gen Deal vor der Öffent­lich­keit geheim hiel­ten, wer­den sol­che Deals an ande­ren Grenz­ab­schnit­ten formalisiert.

Im Mit­tel­meer macht sich die Euro­päi­sche Uni­on zum direk­ten Mit­tä­ter der sys­te­ma­ti­schen Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen. So trägt Fron­tex etwa durch die Luft­über­wa­chung dazu bei, Flücht­lings­boo­te im Mit­tel­meer zu erken­nen und über­mit­telt Echt­zeit­da­ten an die soge­nann­te »liby­sche Küs­ten­wa­che«. Die­se Mili­zen, die wie­der­holt zivi­le Seenotretter*innen mit dem Tode bedroht und deren Schif­fe beschos­sen, wer­den von EU-Gel­dern finan­ziert und schlep­pen die flüch­ten­den Men­schen in die Fol­ter- und Ver­ge­wal­ti­gungs­la­ger Liby­ens zurück.

Gelder für menschenrechtsfeindliche Monarchien

Auf dem afri­ka­ni­schen Kon­ti­nent koope­riert die spa­ni­sche Regie­rung mit den marok­ka­ni­schen Behör­den zur Grenz­si­che­rung ihrer Exkla­ven Ceu­ta und Melilla.

Mil­lio­nen von Gel­dern gehen an einen Staat, in dem Oppos­tio­nel­le Inhaf­tie­rung und Fol­ter fürch­ten müssen!

Marok­ko ist auch seit Jah­ren ein enger Part­ner der EU bei der soge­nann­ten »Migra­ti­ons­kon­trol­le«. Für das Abschot­ten der euro­päi­schen Gren­zen erhält der marok­ka­ni­sche Staat jähr­lich vie­le Mil­lio­nen Euro. Dabei steht er selbst immer wie­der in der Kri­tik, Men­schen­rech­te zu ver­let­zen. Der nord­afri­ka­ni­sche Staat ist eine kon­sti­tu­tio­nel­le Mon­ar­chie, in dem Oppo­si­tio­nel­le Inhaf­tie­rung und Fol­ter fürch­ten müs­sen. Auch die Rech­te von Frau­en oder Homo­se­xu­el­len wer­den missachtet.

Am ver­gan­ge­nen Wochen­en­de nun miss­han­del­ten marok­ka­ni­sche Grenz­schüt­zer Geflüch­te­te, die ver­such­ten, die Grenz­an­la­gen nach Mel­il­la zu über­win­den. Min­des­tens 23 Todes­op­fer waren die Fol­ge. Dort fal­len die letz­ten Tabus in der euro­päi­schen Abwehr­po­li­tik, indem das Ster­ben von Migrant*innen nicht nur igno­riert oder in Kauf genom­men, son­dern bewusst her­bei­ge­führt wird. Das Recht auf Leben und Schutz sowie die Men­schen­wür­de lösen sich dort am Grenz­zaun auf.

Es braucht einen RECHTS-Schutz an den Außengrenzen!

Ange­sichts all die­ser ekla­tan­ten Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen braucht es jetzt end­lich ein poli­ti­sches Erd­be­ben. Seit Jah­ren doku­men­tie­ren UN- Orga­ni­sa­tio­nen, der Euro­pa­rat,  Men­schen­rechts­or­ga­ni­sa­tio­nen   und Medi­en die Eska­la­ti­on der Gewalt an den Außen­gren­zen, doch Kon­se­quen­zen blie­ben bis­lang aus.

Daher braucht es eine funk­tio­nie­ren­de, inter­na­tio­na­le Kon­troll­in­stanz, die die viel­fäl­ti­gen Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen lücken­los auf­klärt und die Ver­ant­wort­li­chen und ihre Hin­ter­män­ner zur Rechen­schaft zieht. Einen Vor­schlag für einen sol­chen Über­wa­chungs­me­cha­nis­mus hat­te PRO ASYL bereits vor eini­gen Wochen vorgelegt.

 

(jo)