Hintergrund
Rück- und Ausblicke 2017 / 2018
Welche Themen haben uns im vergangenen Jahr beschäftigt? Wo wurde PRO ASYL aktiv? Und was sind die Bereiche, die auch 2018 weiter im asylpolitischen Fokus sein werden?
Auch wenn die politischen Entwicklungen nicht immer vorhersehbar sind: Einige Felder zeichnen sich schon heute als auch im kommenden Jahr wichtige Themen ab. Wir stellen sie vor und beschreiben, wie PRO ASYL dort bislang aktiv war.
Familiennachzug: Die Flucht ist erst zu Ende, wenn die Familie vereint ist.
Anas ist 35, Kurde, Syrer. Wegen der Teilnahme an Demonstrationen gegen das Assad-Regime wurde der Lehrer suspendiert und bedroht, deshalb floh er nach Deutschland. Anas hoffte seine Frau und die beiden Söhne (7 und 5 Jahre) nachholen zu können, bekam aber nur subsidiären Schutz zugesprochen, ohne das Recht auf Familiennachzug.
Seine Frau floh vor den massiven Bombardierungen und lebt jetzt nach langer Flucht mit den Söhnen in einem erbärmlichen Zimmer in der Türkei. Ohne Heizung. Ohne sanitäre Anlagen. In Angst, von der türkischen Polizei nach Syrien abgeschoben zu werden. Ihr und den Kindern geht es immer schlechter. Anas fehlt ohne Hoffnung auf Familienvereinigung zusehends die Kraft, sich ein Leben in Deutschland aufzubauen.
PRO ASYL unterstützt Anas und viele andere Flüchtlinge in ähnlicher Situation und fordert die Politik auf, die unmenschliche Praxis der Familientrennung für subsidiär Geschützte endlich zu beenden!
Abschottung: Flüchtlingsdeal mit der Türkei bricht Europa- und Völkerrecht
In der Türkei gilt die Genfer Flüchtlingskonvention nicht. Selbst Schutzsuchende aus Ländern wie Afghanistan, Syrien und dem Irak werden zurückgeschickt. Es drohen Folter und andere Menschenrechtsverletzungen. Überstellungen, die im Rahmen des EU-Türkei-Deals aus Griechenland vorgesehen sind, stellen deshalb einen klaren Verstoß gegen Europa- und Völkerrecht dar.
Trotzdem hat das höchste griechische Gericht im September 2017 mit 13 zu 12 Stimmen den Status der Türkei als „sicheres Drittland“ bestätigt. Ein Präzedenzfall, der viele auf den griechischen Inseln festsitzende syrische Flüchtlinge in Angst versetzt.
Unser Team vor Ort steht den Flüchtlingen zur Seite: Anwältinnen des griechischen PRO ASYL-Projekts „Refugee Support Aegean“ klagen derzeit im Fall des Syrers vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. PRO ASYL stellt dafür die finanziellen Mittel zur Verfügung.
Dublin: Innenministerium als rechtsfreier Raum
Ein Anspruch ist ein Anspruch und nichts, über das eine Behörde willkürlich entscheiden darf. Tausende Kinder, Ehegatten und Eltern müssen in Griechenland ausharren, obwohl sie das Recht auf eine Familienzusammenführung in Deutschland haben. Laut Dublin-Verordnung innerhalb von sechs Monaten. Das deutsche Bundesinnenministerium übt allerdings Druck auf Griechenland aus, den monatlichen Nachzug massiv zu begrenzen.
Ein Anspruch ist ein Anspruch und nichts, über das eine Behörde willkürlich entscheiden darf.
Im Fall eines minderjährigen Syrers ging PRO ASYL exemplarisch dagegen vor. Erfolgreich: Das Verwaltungsgericht Wiesbaden verpflichtete das BAMF, die Überstellungsfrist einzuhalten. Eltern und Geschwister des Jungen durften einreisen. Aber mehr als 4.300 Berechtigte warten noch, unter teils dramatischen und lebensbedrohlichen Bedingungen. PRO ASYL unterstützt weitere Familien vor Gericht und fordert, die rechtswidrige Begrenzung des Familiennachzugs zu beenden.
BAMF: Mangelhafte Verfahren sind lebensbedrohlich
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) ist in der Lage, fehlerhafte Entscheidungen zuzugeben. Aber unwillig, diese dann auch zu korrigieren. So geschehen im Fall eines Somaliers, dessen Asylantrag abgelehnt wurde. Erst wurde die ihm drohende Blutrache in Abrede gestellt, weil der entsprechende Clan religiös sei und deshalb keinen Mord begehen würde, dann das mit Mängeln behaftete Anhörungsprotokoll mit handschriftlichen Notizen manipuliert.
In einem Schreiben an PRO ASYL stimmte das BAMF den Beanstandungen am Verfahren zu, nahm die negative Entscheidung aber nicht zurück. Mit Hilfe von PRO ASYL klagte der Flüchtling vor dem Verwaltungsgericht und erhielt im Frühling 2017 den notwendigen Schutz. PRO ASYL fordert vom BAMF, bei seinen Asylentscheidungen maximale Sorgfalt walten zu lassen. Weitere Klagen vor Gericht werden gefördert und begleitet.
Anschläge fast jeden Tag: Afghanistan ist nicht sicher
Die Lage in Afghanistan verschärft sich, die UN zählte allein für Kabul im ersten Halbjahr 2017 mehr als 1.000 verletzte oder getötete Zivilisten. Trotzdem steigt die Zahl der Ablehnungen. Auch der Asylantrag des Journalisten Ramin Mohabat wurde zunächst abgelehnt. Er war ins Visier der Taliban geraten, bedroht und entführt worden. Schließlich gelang ihm die Flucht. Mit Hilfe von PRO ASYL ging Ramin gegen den Asylbescheid vor und erhielt den ihm zustehenden Schutz.
Nun fürchtet er um die Sicherheit weiterer Afghan*innen in Deutschland: Mehr als 50.000 Asylablehnungen waren es allein in 2017. Unter den Betroffenen herrscht enorme Angst, in ein lebensgefährliches Land abgeschoben zu werden. PRO ASYL unterstützt zahlreiche Verfahren afghanischer Flüchtlinge aus Mitteln des Rechtshilfefonds. Und appelliert eindringlich: Afghanistan ist nicht sicher – nirgends. Abschiebungen dorthin müssen sofort gestoppt werden!