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Anas macht sich große Sorgen um seine Frau und seine zwei Kinder. Sie leben unter schwierigen Bedingungen in der Türkei, er darf sie nicht zu sich nach Deutschland holen. Foto: Najem Al-Khalaf

Anas lebt seit 2015 in Deutschland. Seine Frau und seine zwei Kinder dürfen nicht zu ihm, denn für Flüchtlinge mit subsidiärem Schutz ist das Recht auf Familiennachzug bis März 2018 ausgesetzt. Was diese inhumane Politik für die Betroffenen bedeutet, zeigt PRO ASYL in einer kleinen Serie: Wir stellen die Menschen hinter den Zahlen vor.

Anas (35) ist Kur­de und stammt aus dem Nord­os­ten Syri­ens. Auf­grund sei­ner poli­ti­schen Akti­vi­tä­ten und der Teil­nah­me an Demons­tra­tio­nen gegen das Assad-Regime wur­de der Leh­rer drang­sa­liert und offi­zi­ell vom Dienst sus­pen­diert. Aus Angst vor wei­te­ren Repres­sa­li­en durch das Regime und auf der Suche nach einem siche­ren Ort floh Anas über die Tür­kei und die Bal­kan-Rou­te nach Deutschland.

Im Juli 2015 kam er schließ­lich in Mün­chen an. Er hoff­te auf eine Aner­ken­nung als GFK-Flücht­ling und dar­auf, sei­ne Ehe­frau und die zwei Kin­der anschlie­ßend zu sich holen zu kön­nen. Doch es kam alles anders.

Syrisch-kurdischer Lehrer floh vor dem Assad-Regime

Obwohl Anas sei­ne Flucht­grün­de bei der Anhö­rung im März 2016 detail­liert vor­ge­tra­gen hat und sogar die Ent­las­sungs­ur­kun­de vor­le­gen konn­te, bekam er vom BAMF im Febru­ar 2017 nur sub­si­diä­ren Schutz zuge­spro­chen. Anas hat vor dem Ver­wal­tungs­ge­richt Kla­ge gegen den Bescheid ein­ge­reicht. Er hofft, auf die­sem Wege doch noch als GFK-Flücht­ling aner­kannt zu werden.

Als sub­si­di­är Geschütz­ter darf er sei­ne Fami­lie aktu­ell nicht nach Deutsch­land nach­ho­len. Sei­ne Ehe­frau Aycha (30) war in Syri­en eben­falls als Leh­re­rin tätig, sei­ne Söh­ne, Sark­h­ab­oun und You­sef, sind heu­te sie­ben und fünf Jah­re alt.

Wegen der sich ver­schär­fen­den Kriegs­hand­lun­gen und auf­grund mas­si­ver Bom­bar­die­run­gen ihrer Hei­mat­stadt konn­te Aycha mit den Kin­dern nicht län­ger in Syri­en aus­har­ren: Anfang Okto­ber 2016 flo­hen sie über den Irak in die Tür­kei. Die kür­ze­re, direk­te Rou­te war ihnen ver­sperrt, da die Tür­kei die Gren­ze zu Syri­en in Fol­ge des EU-Tür­kei-Deals abge­rie­gelt und eine meh­re­re hun­dert Kilo­me­ter lan­ge, drei Meter hohe Grenz­mau­er errich­tet hat. Die Gefahr für Aycha und ihre Kin­der, beim Ver­such des Grenz­über­tritts erschos­sen zu wer­den, war zu hoch.

Ein Zimmer, kein fließend Wasser, keine Heizung

In der Tür­kei leb­ten Mut­ter und Kin­der zunächst 20 Tage in einem Zelt­la­ger, bevor es ihnen gelang, sich nach Şan­li­ur­fa zu Aychas Schwes­ter durch­zu­schla­gen. Sie und ihre Fami­lie nah­men Aycha und ihre Söh­ne auf, ins­ge­samt zwölf Per­so­nen teil­ten sich die klei­ne 2‑Zim­mer-Woh­nung.

Ende Novem­ber 2016 fand Aycha schließ­lich ein klei­nes Zim­mer, in dem sie seit­her mit ihren Söh­nen wohnt. Das Zim­mer hat kei­ne Hei­zung und kei­ne sani­tä­ren Anla­gen, im Win­ter ist es eis­kalt. Aycha zahlt den­noch umge­rech­net 90 Euro Mie­te im Monat plus Strom­kos­ten. Ver­geb­lich hat sie sich bemüht, eine Arbeit zu fin­den. Ohne die Unter­stüt­zung ihres Schwa­gers  und ihrer Schwes­ter sowie eini­ger Wohl­fahrts­ein­rich­tun­gen könn­ten sie und die Kin­der in der Tür­kei nicht überleben.

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Fami­li­en­al­bum im Smart­phone: Anas blei­ben vor­erst nur die Erin­ne­rungs­fo­tos aus bes­se­ren Zeiten.

Anas lebt in der Nähe von Bre­men, wo er auch sei­nen Asyl­an­trag gestellt hat. Aus der gemein­sa­men Unter­kunft mit fünf ande­ren männ­li­chen Flücht­lin­gen ist er inzwi­schen aus­ge­zo­gen, seit ein paar Mona­ten hat er eine eige­ne Wohnung.

Auch ansons­ten ver­sucht er, in Deutsch­land Fuß zu fas­sen: Er will bald sei­ne B2-Sprach­prü­fung machen und hat ein Prak­ti­kum in einem Alten­heim absol­viert. Doch aus Sor­ge um sei­ne Fami­lie und auf­grund der Unge­wiss­heit, ob er sie über­haupt irgend­wann zu sich holen kann, fällt es ihm immer schwe­rer, die nöti­ge Kraft  auf­zu­brin­gen, um sich ein neu­es Leben in Deutsch­land aufzubauen.

Angst und Sorgen bestimmen den Alltag

Auch Aycha hat inzwi­schen fast alle Hoff­nung auf ein gemein­sa­mes Leben in Deutsch­land ver­lo­ren. Sie und die Kin­der leben in stän­di­ger Angst davor, von der tür­ki­schen Poli­zei auf­ge­grif­fen und nach Syri­en abge­scho­ben zu wer­den. Auch Über­grif­fe auf allein leben­de Frau­en häu­fen sich.

Aycha geht inzwi­schen nur noch in Beglei­tung ihres Schwa­gers vor die Tür, nachts hat sie stän­dig Angst. Ihr phy­si­scher und psy­chi­scher Zustand hat sich so ver­schlech­tert, dass sie ärzt­li­che Hil­fe in Anspruch neh­men muss. „Mei­ne Frau war immer eine star­ke Frau. Aber jetzt habe ich Angst, dass sie sich etwas antut. Ich kann das kaum aus­hal­ten“, sagt Anas. Auch sei­ne Kin­der sei­en sehr ver­ängs­tigt, am Tele­fon wür­den sie kaum noch mit ihm spre­chen, nur weinen.

Unterstützer sehen Politik in der Pflicht

Unter­stüt­zung bekommt Anas von ehren­amt­li­chen Flücht­lings­hel­fern. Doch auch sie kön­nen nicht viel für sei­ne Fami­lie tun, fürch­ten im Gegen­teil, dass die Hard­li­ner in der Uni­on sich mit ihrem Vor­ha­ben, den Fami­li­en­nach­zug für sub­si­di­är Geschütz­te auch über den 16. März 2018 hin­aus aus­zu­set­zen, durch­setzt: „Die Aus­sa­gen diver­ser Poli­ti­ker las­sen wenig Hoff­nung auf bal­di­ge Fami­li­en­zu­sam­men­füh­rung zu. Ich per­sön­lich emp­fin­de die­se Aus­sa­gen als Schlag ins Gesicht für alle ehren­amt­li­chen Flücht­lings­hel­fer“, unter­streicht die 77-jäh­ri­ge Eri­ka Matthias.

Petition: Familien gehören zusammen!

Wie Anas ergeht es vie­len Flücht­lin­gen in Deutsch­land. Sie blei­ben über Jah­re hin­weg von ihren Fami­li­en getrennt. Die­se Situa­ti­on ist uner­träg­lich und muss geän­dert werden!

mfe