21.05.2014

Ange­sichts der mitt­ler­wei­le über 2,7 Mil­lio­nen Men­schen, die vor dem syri­schen Bür­ger­krieg in die Nach­bar­staa­ten geflo­hen sind, for­dert PRO ASYL, syri­schen Flücht­lin­gen end­lich unge­hin­der­ten Zugang zu Schutz in Euro­pa zu gewähren.

Abschot­tungs­po­li­tik und Zurück­wei­sun­gen beenden

Die Euro­päi­sche Uni­on hat ihre Gren­zen gegen­über syri­schen Schutz­su­chen­den sys­te­ma­tisch ver­schlos­sen – vor allem durch die Abrie­ge­lung der bul­ga­risch-tür­ki­schen und der grie­chisch-tür­ki­schen EU-Land­gren­zen. Schutz­su­chen­de aus Syri­en, die vor den pre­kä­ren Ver­hält­nis­sen in den Erst­auf­nah­me­staa­ten nach Euro­pa flie­hen, sehen sich mehr und mehr gezwun­gen, die Flucht über das Meer zu ris­kie­ren. Zuletzt hat sich die Flucht­rou­te syri­scher Flücht­lin­ge ver­stärkt auf die Ägä­is und das zen­tra­le Mit­tel­meer ver­la­gert. Seit Okto­ber 2013 sind meh­re­re Hun­dert Schutz­su­chen­de aus dem Bür­ger­kriegs­land ertrunken.

Die sys­te­ma­ti­schen völ­ker­rechts­wid­ri­gen Zurück­wei­sun­gen von Schutz­su­chen­den an den EU- Außen­gren­zen Bul­ga­ri­ens und Grie­chen­lands müs­sen been­det wer­den. Das gilt auch für ille­ga­le Zurück­wei­sun­gen im Inne­ren der EU. Syri­sche Flücht­lin­ge sind aktu­ell auch Opfer völ­ker­rechts­wid­ri­ger Push Backs von Ita­li­en nach Griechenland.

Erwei­ter­ten Fami­li­en­nach­zug ermöglichen

In Deutsch­land leben im Mai 2014 laut Bun­des­in­nen­mi­nis­te­ri­um rund 64.000 Men­schen aus Syri­en sowie eine unbe­kann­te Zahl deut­scher Staats­bür­ger syri­scher Her­kunft. Vie­le die­ser größ­ten­teils seit lan­gem in Deutsch­land leben­den Men­schen wol­len Ange­hö­ri­ge zu sich ret­ten, die in Syri­en in Lebens­ge­fahr sind oder in Syri­ens Nach­bar­staa­ten in exis­ten­ti­el­ler Not leben. Groß­zü­gi­ge und unbü­ro­kra­ti­sche Rege­lun­gen eines erwei­ter­ten Fami­li­en­nach­zugs sind ein Gebot der Menschlichkeit.

Die bis­he­ri­gen Auf­nah­me­pro­gram­me decken den Bedarf in kei­ner Wei­se ab. Den Bun­des­län­dern lie­gen für das 2. Bun­des­pro­gramm zur Auf­nah­me von Syri­en-Flücht­lin­gen Anträ­ge für 76.000 Men­schen vor, für die in Deutsch­land leben­de Ange­hö­ri­ge um Ein­rei­se­er­laub­nis bit­ten. Den 76.000 Men­schen ste­hen im Rah­men die­ses 2. Bun­des­pro­gramms nur 5.000 Auf­nah­me­plät­ze gegen­über. Die poli­tisch dis­ku­tier­te Auf­sto­ckung um wei­te­re 10.000 Plät­ze ist des­halb nicht ausreichend.

PRO ASYL for­dert als Ad-hoc-Maß­nah­me die Auf­nah­me der 76.000 Fami­li­en­an­ge­hö­ri­gen aus Syri­en, für die bereits Anträ­ge gestellt wur­den. PRO ASYL erin­nert dar­an, dass wäh­rend des Bos­ni­en-Krie­ges mehr als 300.000 Men­schen in Deutsch­land Auf­nah­me haben fin­den können.

Ent­bü­ro­kra­ti­sie­rung der Flüchtlingsaufnahme

Die büro­kra­ti­schen Auf­nah­me­pro­gram­me sind ange­sichts der aku­ten Not der Flücht­lin­ge viel zu schwer­fäl­lig. Nach einem Jahr sind die letz­ten der 5.000 Men­schen aus dem ers­ten Bun­des­pro­gramm ein­ge­reist. Über das im Dezem­ber 2013 beschlos­se­ne zwei­te Pro­gramm sind erst 100 ange­kom­men. Von der bevor­ste­hen­den Kon­fe­renz der Innen­mi­nis­ter von Bund und Län­dern erwar­tet PRO ASYL ein Kon­zept zur Ent­bü­ro­kra­ti­sie­rung der Flücht­lings­auf­nah­me. Dazu gehört, dass die star­ren Ober­gren­zen für Kon­tin­gen­te auf­ge­ho­ben werden.

Ein ande­rer gang­ba­rer Weg wäre, den Ver­wand­ten der hier leben­den Syrer den Nach­zug über § 36 Auf­ent­halts­ge­setz zu ermög­li­chen (Nach­zug sons­ti­ger Ange­hö­ri­ger auf­grund einer außer­ge­wöhn­li­chen Här­te). Bis­lang wer­den fast kei­ne Visa nach die­ser Ermes­sen­vor­schrift erteilt. Recht­lich wäre es jedoch mög­lich, den Fami­li­en­nach­zug nach die­ser Vor­schrift zu ermöglichen.

Lega­le Zugangs­we­ge für Flücht­lin­ge nach Europa

PRO ASYL for­dert die Bun­des­re­gie­rung zudem auf, sich für lega­le Zugangs­we­ge für Flücht­lin­ge nach Euro­pa ein­zu­set­zen. Nur so kann das Ster­ben auf dem Meer ver­hin­dert wer­den. Eine Mög­lich­keit wäre die Auf­he­bung der Visum­pflicht. Ange­sichts der gro­ßen Zahl von syri­schen Flücht­lin­gen, die sich im liby­schen Tran­sit befin­den, um von dort aus die gefähr­li­che Flucht über das zen­tra­le Mit­tel­meer zu wagen, for­dert PRO ASYL die unmit­tel­ba­re Ein­lei­tung von Ret­tungs­maß­nah­men für die gestran­de­ten Schutz­su­chen­den. Die­se Flücht­lin­ge müs­sen durch ein Ad-hoc-Auf­nah­me­pro­gramm zügig in die EU trans­fe­riert werden.

Zustän­dig­keits­ver­wei­ge­rung beenden

Trotz der rigi­den Grenz­ab­wehr kom­men Flücht­lin­ge aus Syri­en über ande­re EU- Staa­ten wie Ita­li­en, Bul­ga­ri­en und Ungarn nach Deutsch­land. Die Bun­des­re­gie­rung sieht sich für die Asyl­an­trä­ge der Betrof­fe­nen für nicht zustän­dig, da die soge­nann­te Dub­lin-Ver­ord­nung vor­sieht, dass der­je­ni­ge EU-Staat für einen Flücht­ling ver­ant­wort­lich ist, der ihn hat ein­rei­sen las­sen. Allein in den letz­ten 15 Mona­ten hat die Bun­des­re­gie­rung cir­ca 2.000 Rück­über­stel­lungs­ge­su­che an ande­re EU-Mit­glieds­staa­ten gestellt. Dies erfolgt, um die Betrof­fe­nen auf der Grund­la­ge der Dub­lin-III-Ver­ord­nung in den­je­ni­gen EU-Rand­staa­ten abzu­schie­ben, in dem sie erst­mals EU-Ter­ri­to­ri­um betre­ten haben. Unter den von Abschie­bung bedroh­ten syri­schen Schutz­su­chen­den sind auch zahl­rei­che Schutz­su­chen­de mit Fami­li­en­an­ge­hö­ri­gen in Deutschland.

PRO ASYL for­dert die Bun­des­re­gie­rung auf, die­se Zustän­dig­keits­ver­wei­ge­rung zu been­den. Das Dub­lin-Sys­tem wälzt die Ver­ant­wor­tung für den Flücht­lings­schutz auf EU-Rand­staa­ten ab, die die­ser nicht nach­kom­men. Es ver­hin­dert zudem, dass Schutz­su­chen­de inner­halb der EU zu ihren Ange­hö­ri­gen gelan­gen kön­nen. Es führt dazu, dass Flücht­lin­gen, die vor unmensch­li­chen Auf­nah­me­be­din­gun­gen etwa aus Bul­ga­ri­en nach Deutsch­land wei­ter­flie­hen, in Ver­hält­nis­se abge­scho­ben wer­den, in denen ihnen men­schen­un­wür­di­ge Bedin­gun­gen dro­hen und sie schutz­los bleiben.

PRO ASYL for­dert, dass auch aus den EU-Staa­ten Anträ­ge auf Auf­nah­me nach Deutsch­land mög­lich sind. Bis­lang kön­nen die­se nur aus den Anrai­ner­staa­ten Syri­ens und Ägyp­ten gestellt werden.

Euro­pas Ver­sa­gen ange­sichts der syri­schen Flüchtlingskrise

Bis­lang konn­ten sich seit Kriegs­aus­bruch im Früh­jahr 2011 nur knapp 95.000 Schutz­su­chen­de aus Syri­en auf eige­ne Faust nach Euro­pa durch­schla­gen und hier einen Asyl­an­trag stel­len. Die Zahl der von den EU-Staa­ten frei­wil­lig für Syri­en-Flücht­lin­ge zur Ver­fü­gung gestell­ten Auf­nah­me­plät­ze liegt aktu­ell bei weni­ger als 20.000. Im EU-Nach­bar­land Tür­kei leben bereits über eine Mil­li­on Flücht­lin­ge aus Syri­en, im Liba­non sind es eben­falls über eine Mil­li­on, in Jor­da­ni­en rund 600.000, im Irak über 220.000 und knapp 140.000 in Ägypten.

PRO ASYL wirft der Euro­päi­schen Uni­on Ver­sa­gen ange­sichts der syri­schen Flücht­lings­kri­se vor. Die vom Bun­des­tag gefor­der­te euro­päi­sche Flücht­lings­auf­nah­me­kon­fe­renz muss ent­schie­den von der Bun­des­re­gie­rung vor­an­ge­trie­ben werden.

Auf­nah­me­an­ord­nung des BMI vom 30.12.2013 (zum 2. Bundesprogramm)

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