08.06.2014
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Damaskus, 2012: Bewohner begutachten die Schäden, die vermutlich durch einen Anschlag mit einer Autobombe verursacht wurden. Die Wohnung von Fidas jüngstem Bruder wurde mehrfach von Raketen getroffen. Foto: flickr - FreedomHouse

Jeden Tag bangt Fida um das Leben ihrer Geschwister. Die Wohnung ihres jüngsten Bruders wurde bereits mehrfach von Raketen getroffen. Sie versucht verzweifelt, ihn mit Frau und drei Kindern aus Syrien zu sich nach Nordrhein-Westfalen zu holen. Aber das vom Land Nordrhein-Westfalen dafür geforderte Einkommen nachzuweisen, ist mit ihrem Monatsverdienst utopisch.

Fida* lebt seit vie­len Jah­ren in Deutsch­land, ist inzwi­schen deut­sche Staats­an­ge­hö­ri­ge, ihre Kin­der sind erwach­sen. Sor­gen macht sich die Chris­tin aus Damas­kus um ihre Geschwis­ter in Syri­en. Vor zehn Mona­ten, berich­tet sie bei einer PRO ASYL-Pres­se­kon­fe­renz am 21. Mai in Ber­lin, habe sie einen ihrer Brü­der beim Minis­te­ri­um in Nord­rhein-West­fa­len für das LAn­des­auf­nah­me­pro­gramm für syri­sche Flücht­lin­ge ange­mel­det. „Nach acht Mona­ten habe ich die Refe­renz­num­mer bekom­men, das hat mich so gefreut.“ Doch alle Mühen soll­ten fehl­schla­gen. Fidas Bru­der, sei­ne Frau und drei Kin­der sind heu­te noch in Damas­kus. Jeder Tag stellt ein töd­li­ches Risi­ko für die Fami­lie dar.

Seit Kriegs­be­ginn wur­de ihre Woh­nung mehr­fach von Rake­ten getrof­fen. Ende April schlug eine Rake­te im Wohn­zim­mer ein. „Gott sei Dank waren die Kin­der da nicht auf dem Sofa unter dem Fens­ter“, sagt Fida, sonst wären alle drei Kin­der tot. „Und war­um? Weil ich kei­ne 3000 Euro für mei­nen Bru­der und sei­ne Fami­lie habe, um sie aus die­sem Krieg her­aus­zu­ho­len.“ Mona­te­lang hat sie ver­zwei­felt ver­sucht, sie aus Syri­en nach Deutsch­land zu holen. 

Böse Über­ra­schung: eine Verpflichtungserklärung

Schon der ers­te Ver­such, über die deut­sche Bot­schaft im Liba­non Visa zu bekom­men, war geschei­tert. Dann stell­te Fida einen Auf­nah­me­an­trag über das Län­der­pro­gramm Nord­rhein-West­fa­lens, brach­te für die zustän­di­ge Aus­län­der­be­hör­de alle nöti­gen Papie­re zusam­men, sogar Urkun­den von ihr und ihrem Bru­der aus Damas­kus. „Und dann plötz­lich hat die Dame vom Aus­län­der­amt gesagt, es gebe eine Ver­pflich­tungs­er­klä­rung“, erzählt Fida – an die­ser Hür­de ist sie schier ver­zwei­felt. „Ich weiß nicht, was soll ich denn machen? Alle Türen sind für mich zu“, sagt sie.

Fida lebt allein seit ihre Kin­der aus­ge­zo­gen sind. Sie ver­fügt über ein Ein­kom­men von 900 Euro. Die drei­zehn­hun­dert Euro, die eine Toch­ter ver­dient, reich­ten gera­de ein­mal für eine hal­be Per­son, habe die Sach­be­ar­bei­te­rin ihr gesagt, berich­tet sie. Sie müs­se 3.000 Euro net­to Monats­ein­kom­men pro Per­son nachweisen.

Fida sucht Hil­fe bei der Cari­tas, beim Roten Kreuz, bei ihren Freun­den und einem wei­te­ren Ver­wand­ten in Deutsch­land – ver­geb­lich. „Wie kann ich die 3000 Euro krie­gen?“, fragt sie auf der Pres­se­kon­fe­renz in Ber­lin verzweifelt.

„Ich brau­che also 10 Per­so­nen, mit 10 Gehäl­tern, für die Ver­pflich­tungs­er­klä­rung, für mei­nen Bru­der, sei­ne Frau und drei Kin­der“, stellt sie fest. „Das ist nur für die rei­chen Fami­li­en, aber die armen Fami­li­en, die dür­fen unter den Gra­na­ten ster­ben.“ Einen Antrag nach dem 2. Bun­des­pro­gramm hat Fida erst gar nicht erst gestellt. 

Der syri­sche Bür­ger­krieg hat eine der größ­ten Flücht­lings­ka­ta­stro­phen unse­rer Zeit aus­ge­löst. Mehr als 2,7 Mil­lio­nen Men­schen sind aus Syri­en ins Aus­land geflüch­tet, wo sie not­dürf­tig über­le­ben. Euro­pa muss jetzt han­deln und syri­schen Flücht­lin­gen Zugang zu Schutz in Euro­pa ermöglichen.

Geben Sie syri­schen Flücht­lin­gen ihre Stim­me! Unter­zeich­nen Sie die euro­pa­wei­te Peti­ti­on »Help Syri­as Refu­gees«

*Name zum Schutz der Per­son geändert.

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