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Die Coronakrise macht es schwer, billige Arbeitskräfte für die Spargelernte zu finden. Jetzt sollen diejenigen einspringen, die man vorher nicht hat arbeiten lassen. Foto: Flickr / LID / cc-by-sa-2.0

Wenn es um den deutschen Spargel geht, ist in der Politik einiges möglich. Aktuell wird diskutiert, Personen, die bisher einem Arbeitsverbot unterliegen, das Arbeiten zur Krisenzeit zu erlauben. PRO ASYL unterstützt eine Aufhebung von Arbeitsverboten, diese müssen auch nach Corona fortbestehen. Das kann auch für den Gesundheitsbereich wichtig sein.

Wäh­rend der Coro­na-Pan­de­mie zeigt sich gera­de, an wie vie­len Stel­len mehr Per­so­nal nötig wäre. Jede Per­son, der die Aus­bil­dungs­dul­dung zur Pfle­ge­kraft ver­wei­gert wur­de, fehlt. Jede Per­son, die trotz eines Job­an­ge­bo­tes im Super­markt kei­ne Arbeits­er­laub­nis bekom­men hat, fehlt.

Ange­sichts des Fach­kräf­te­man­gels ist es schon lan­ge absurd, dass es in Deutsch­land vie­len Men­schen ver­bo­ten ist, zu arbei­ten. Dies gilt wäh­rend der Unter­brin­gung in einer Erst­auf­nah­me­ein­rich­tung für in der Regel neun Mona­te, für Per­so­nen aus ver­meint­lich »siche­ren Her­kunfts­staa­ten« wie den Bal­kan-Staa­ten kom­plett vor und, im Fal­le einer Ableh­nung, nach dem Asyl­ver­fah­ren und auch für vie­le gedul­de­te Menschen.

Durch Geset­zes­än­de­run­gen, die sol­che Arbeits­ver­bo­te auf­he­ben, und durch Wei­sun­gen auf Lan­des­ebe­ne, bestehen­den Spiel­raum posi­tiv zu nut­zen, könn­ten die »sys­tem­re­le­van­ten« Bran­chen in Deutsch­land durch hier sich bereits auf­hal­ten­de Per­so­nen, denen die Mög­lich­keit zur Arbeit bis­lang ver­wei­gert wur­de, unter­stützt wer­den. Sol­che Rege­lun­gen soll­ten aber nicht zeit­lich begrenzt wer­den, son­dern müs­sen dau­er­haft gel­ten. Alles ande­re wäre purer Eigennutz.

Sol­che Rege­lun­gen dür­fen nicht zeit­lich begrenzt wer­den, son­dern müs­sen dau­er­haft gelten!

Gleich­zei­tig ban­gen auch vie­le Men­schen aktu­ell um ihre Jobs und Aus­bil­dun­gen – oder haben die­se bereits auf­grund der Coro­na-Kri­se ver­lo­ren. Damit droht zum einen, einen bestehen­den Sta­tus zu ver­lie­ren oder die Chan­ce zu ver­lie­ren, über die Arbeit ein Blei­be­recht in Deutsch­land zu begrün­den. Dies gilt zum Bei­spiel für Men­schen mit einer Aus­bil­dungs­dul­dung und Per­so­nen, die eine Beschäf­ti­gungs­dul­dung bean­tra­gen wol­len. Hier muss Sicher­heit gege­ben werden.

Ausufernde Arbeitsverbote

Wie aktu­ell Politiker*innen wie Land­wirt­schafts­mi­nis­te­rin Julia Klöck­ner fest­stel­len, gibt es eine Viel­zahl an in Deutsch­land leben­den Men­schen, denen ver­bo­ten wird zu arbeiten.

So gilt gene­rell wäh­rend der ers­ten neun Mona­te des Asyl­ver­fah­rens ein Arbeits­ver­bot für Asyl­su­chen­de (§ 61 Abs. 1 AsylG), solan­ge sich die Asyl­su­chen­den in Erst­auf­nah­me­ein­rich­tun­gen auf­hal­ten müs­sen. Wenn sie bereits auf die Kom­mu­nen ver­teilt wur­de, kann einer/einem Asylbewerber*in nach drei Mona­ten die Arbeit erlaubt wer­den, wenn die Bun­des­agen­tur für Arbeit zustimmt oder per Rechts­ver­ord­nung gere­gelt ist, dass eine sol­che Zustim­mung nicht erfor­der­lich ist (§ 61 Abs. 2 AsylG i.V.m. § 4a Abs. 4 Auf­enthG). Da gesetz­lich aber seit letz­tem Jahr in der Regel die Pflicht zur Unter­brin­gung in der Erst­auf­nah­me­ein­rich­tung für das gesamt Asyl­ver­fah­ren vor­ge­se­hen ist, kommt es nicht mehr häu­fig zu einer frü­hen Ver­tei­lung. Für Asyl­su­chen­de aus »siche­ren Her­kunfts­staa­ten« gilt das Arbeits­ver­bot ohne Ein­schrän­kun­gen wäh­rend des gesam­ten Asyl­ver­fah­rens (§ 61 AsylG).

Für Per­so­nen, die im Asyl­ver­fah­ren abge­lehnt wur­den und des­halb nicht durch die Aner­ken­nung eines Schutz­sta­tus eine Arbeits­er­laub­nis haben, gibt es ver­schie­de­ne Rege­lun­gen, die eine Arbeits­auf­nah­me verhindern.

  • Wenn der Asyl­an­trag rechts­kräf­tig als »offen­sicht­lich unbe­grün­det« oder »unzu­läs­sig« abge­lehnt wur­de und die Per­son noch in der Erst­auf­nah­me­ein­rich­tung wohnt – was häu­fig der Fall ist – gilt ein unbe­fris­te­tes Arbeits­ver­bot (§ 61 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 AsylG).
  • Wenn die Per­son eine Dul­dung hat… 
    • …und sie noch in einer Erst­auf­nah­me­ein­rich­tung wohnt, kann ihr erst nach sechs Mona­ten Besitz der Dul­dung die Beschäf­ti­gung erlaubt wer­den (§ 61 Abs. 1 S. 2 AsylG).
    • …und die Abschie­bung angeb­lich aus von der Per­son zu ver­tre­te­nen Grün­den nicht erfol­gen kann, darf sie nicht arbei­ten (§ 60a S. 1 Nr. 2 AufenthG).
    • …und aus einem »siche­ren Her­kunfts­staat« kommt und nach dem 31. August 2015 ein­ge­reist ist, darf sie unbe­fris­tet nicht arbei­ten (§ 60a S. 1 Nr. 3 AufenthG).
  • Für alle Per­so­nen mit einer »Dul­dung Light« (Dul­dung für Per­so­nen mit unge­klär­ter Iden­ti­tät) gilt ein Arbeits­ver­bot (§ 60b Abs. 5 S. 2 AufenthG).

Akuter Handlungsbedarf – dauerhafte Lösungen

Wenn Arbeits­ver­bo­te jetzt gelo­ckert wer­den, ist das grund­sätz­lich zu begrü­ßen. Jedoch soll­te dies nicht nur aus Eigen­nutz gesche­hen, wes­we­gen wes­we­gen es lang­fris­ti­ge Lösun­gen braucht.

Vie­le gedul­de­te Men­schen haben ein Arbeits­ver­bot, weil ihnen vor­ge­wor­fen wird, bestimm­ten Mit­wir­kungs­hand­lun­gen nicht nach­zu­kom­men. Dazu zählt zum Bei­spiel, sich bei der Bot­schaft des Hei­mat­lan­des um einen Pass zu bemü­hen – aktu­ell haben die meis­ten Bot­schaf­ten, wie Behör­den gene­rell, aber den Publi­kums­ver­kehr eingestellt.

Das Arbeits­ver­bot greift dann, wenn die Abschie­bung aus Sicht der Aus­län­der­be­hör­de aus »selbst zu ver­tre­ten­den Grün­den« nicht durch­ge­führt wer­den kann. Momen­tan sind Abschie­bun­gen in vie­le Län­der aber unab­hän­gig davon auf­grund der Rei­se­be­schrän­kun­gen durch Coro­na ohne­hin nicht durchführbar.

Wenn Arbeits­ver­bo­te jetzt gelo­ckert wer­den, ist das grund­sätz­lich zu begrü­ßen. Jedoch soll­te dies nicht nur aus Eigen­nutz gesche­hen, wes­we­gen es lang­fris­ti­ge Lösun­gen braucht.

Des­we­gen müs­sen Sank­tio­nen auf­grund ver­meint­li­cher Pflicht­ver­let­zung jetzt aus­ge­setzt wer­den, da die Betrof­fe­nen den meis­ten Pflich­ten wäh­rend der Pan­de­mie gar nicht nach­kom­men kön­nen und Abschie­bun­gen auch unab­hän­gig davon nicht statt­fin­den. Dazu gehö­ren neben dem Arbeits­ver­bot und der Ertei­lung der »Dul­dung Light« auch Leis­tungs­kür­zun­gen nach dem Asyl­be­wer­ber­leis­tungs­ge­setz. Bun­des­län­der kön­nen ent­spre­chen­de Anwei­sun­gen an ihre Aus­län­der­be­hör­den ver­schi­cken, um eine sol­che Aus­set­zung von Sank­tio­nen zu gewährleisten.

Zusätz­lich soll­ten per Geset­zes­än­de­rung die ande­ren Arbeits­ver­bo­te auf­ge­ho­ben wer­den. Eine Befris­tung sol­cher Erleich­te­run­gen wäre nicht ange­mes­sen. Wenn Asyl­su­chen­de und Gedul­de­te »gut genug« sind Deutsch­land in einer Kri­sen­zeit zu hel­fen, dann soll­ten sie auch dar­über hin­aus arbei­ten dür­fen und auch eine Blei­be­per­spek­ti­ve erhalten.

Job weg – Bleibeperspektive weg? 

Vie­le Men­schen in Deutsch­land befürch­ten auf­grund der durch den Coro­na-Virus geschwäch­ten Wirt­schaft ihre Arbeit zu ver­lie­ren. Dar­un­ter sind auch Men­schen, die mit einer Dul­dung arbei­ten dür­fen und oft­mals pre­kär beschäf­tigt sind. Für die­se Grup­pe kommt eine wei­te­re Sor­ge hin­zu: Ver­lie­re ich mei­nen aktu­el­len Auf­ent­halts­ti­tel oder mei­ne Chan­ce auf ein Blei­be­recht, weil ich nicht unun­ter­bro­chen arbei­te und zeit­wei­se mei­nen Lebens­un­ter­halt nicht selbst bestrei­ten kann?

Für die Beschäf­ti­gungs­dul­dung ist es zum Bei­spiel Vor­aus­set­zung, dass man

  • 18 Mona­te sozi­al­ver­si­che­rungs­pflich­tig gear­bei­tet hat und auch wei­ter­hin min­des­tens 35 Stun­den pro Woche arbei­tet (bei Allein­er­zie­hen­den: 20 Stun­den pro Woche) und
  • den eige­nen Lebens­un­ter­halt in den letz­ten zwölf Mona­ten und aktu­ell durch die Beschäf­ti­gung sichert (§ 60d Abs. 1 Nr. 3–5 AufenthG).

Die­se sowie­so schon sehr hohen Erfor­der­nis­se wer­den auf­grund der aktu­el­len Situa­ti­on noch pro­ble­ma­ti­scher. Zum Bei­spiel wenn bei einer gedul­de­ten Per­son das Kurz­ar­bei­ter­geld nicht reicht und des­we­gen eine Auf­sto­ckung über das Asyl­be­wer­ber­leis­tungs­ge­setz not­wen­dig ist, wür­de sie damit den Lebens­un­ter­halt nicht mehr selbst sichern – obwohl sie wei­ter­hin in ihrem Job beschäf­tigt ist.

Men­schen in Aus­bil­dung, die auf­grund der aktu­el­len Lage in Gefahr sind, ihren Aus­bil­dungs­platz zu ver­lie­ren, droht ein Erlö­schen der Ausbildungsduldung.

Noch gra­vie­ren­der ist es, wenn die Betrof­fe­nen auf­grund betriebs­be­ding­ter Kün­di­gun­gen unver­schul­det ihren Job ver­lie­ren. Gesetz­lich gere­gelt ist nur, dass kurz­fris­ti­ge Unter­bre­chun­gen nicht schäd­lich sind (§ 60d Abs. 3 Auf­enthG), was laut Anwen­dungs­hin­wei­sen des Bun­des­in­nen­mi­nis­te­ri­um maxi­mal drei Mona­te sein dür­fen. Hier wäre drin­gend eine Son­der­re­ge­lung für die Coro­na-Zeit not­wen­dig – ansons­ten wird die erst seit die­sem Jahr bestehen­de Beschäf­ti­gungs­dul­dung noch mehr leer­lau­fen, als es eh auf­grund der hohen Anfor­de­run­gen befürch­tet wird.

Auch Men­schen in Aus­bil­dung, die auf­grund der aktu­el­len Lage in Gefahr sind, ihren Aus­bil­dungs­platz zu ver­lie­ren (z.B. Frisör*innen), droht ein Erlö­schen der Aus­bil­dungs­dul­dung, die ansons­ten im Fal­le eines erfolg­rei­chen Abschlus­ses zu einer Auf­ent­halts­er­laub­nis als qua­li­fi­zier­ter Fach­kraft füh­ren wür­de. Eben­so kön­nen Men­schen mit Auf­ent­halts­er­laub­nis­sen auf­grund lang­jäh­ri­gen Auf­ent­halts und guter Inte­gra­ti­on vom Ver­lust des Auf­ent­halts­ti­tels betrof­fen sein, wenn sie arbeits­los wer­den und in den Sozi­al­leis­tungs­be­zug rut­schen, also nicht die Vor­aus­set­zun­gen für ALG I erfül­len. Um Rechts­si­cher­heit zu gewähr­leis­ten, sind hier kla­re Rege­lun­gen für die aktu­el­le Aus­nah­me­si­tua­ti­on wichtig.

Rechtssicherheit muss gewährleistet werden!

Ber­lin hat zum Bei­spiel eine All­ge­mein­ver­fü­gung erlas­sen, die für Per­so­nen, die bei Bezug von Kurz­ar­bei­ter­geld und ergän­zen­den Sozi­al­leis­tun­gen ihren Titel ver­lö­ren, für drei Mona­te das Erlö­schen des Auf­ent­halts ver­hin­dert. Damit ist aber auch kei­ne Erneue­rung des Auf­ent­halts­ti­tels garantiert.

Bei dem Sozi­al­schutz­pa­ket der Bun­des­re­gie­rung, wel­ches am 27. März den Bun­des­rat pas­sier­te, wur­den geflüch­te­te Men­schen nicht mit bedacht. Damit gel­ten beschlos­se­ne Erleich­te­run­gen beim SGB II nicht für Bezieher*innen von Leis­tun­gen nach dem Asyl­be­wer­ber­leis­tungs­ge­setz. Auch hier muss drin­gend nach­ge­bes­sert werden.

(wj / dmo)