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Zum 8. März: Geflüchtete Frauen brauchen gendersensible Asylverfahren
Geflüchtete Frauen und Mädchen aus vielen Regionen der Welt haben besondere Gewalt und geschlechtsspezifische Diskriminierung erlitten. Das muss in Asylverfahren berücksichtigt werden. Zum Internationalen Frauentag am 8. März fordern PRO ASYL und einige Landesflüchtlingsräte, Asylverfahren endlich geschlechtersensibel zu gestalten.
Die Anerkennung geschlechtsspezifischer Verfolgung ist seit 2004 gesetzlich verankert. Gemäß der Istanbul-Konvention haben zudem von Gewalt betroffene geflüchtete Frauen und Mädchen Anspruch darauf, angemessen untergebracht, medizinisch versorgt und vor weiterer Gewalt geschützt zu werden. In der Praxis kommt es dennoch zu erheblichen Problemen. Dies ist das Ergebnis einer Untersuchung von PRO ASYL und Flüchtlingsräten zur Umsetzung der Istanbul Konvention.
Oft wird nicht richtig hingeschaut
So hat das BAMF 2020, wie der Antwort auf eine Bundestagsanfrage der Linken Partei vom Oktober 2021 zu entnehmen ist, annähernd 60.000 Asylanträge von Frauen und Mädchen inhaltlich geprüft und nur in 1.300 Fällen eine geschlechtsspezifische Verfolgung erkannt. Da kann etwas nicht stimmen: Oft wird nicht genau genug hingeschaut, nicht nachgefragt, den Frauen nicht geglaubt. Oder die Behörden verlangen aufwändige Nachweise, die die Frauen kaum beschaffen können. So fallen viele Frauen durch das Raster.
Die Bundesregierung hat in ihrem Koalitionsvertrag eine flächendeckende, behördenunabhängige Asylverfahrensberatung und die besondere Unterstützung vulnerabler Personen beschlossen. Das muss umgesetzt werden.
Oft wird nicht genau genug hingeschaut, nicht nachgefragt, den Frauen nicht geglaubt.
Zu wenig Zeit
Ein großes Problem ist, dass die Frauen oft nicht gut auf die alles entscheidende Anhörung vorbereitet werden. Sie ist nötig, damit die betroffenen Frauen sich öffnen und über sexuelle Gewalterfahrungen oder Traumata sprechen können. Durch beschleunigte Verfahren bleibt zwischen Ankunft und Anhörung kaum Zeit und oftmals keine Gelegenheit für eine Vorbereitung, Beratung oder gar eine kurze Erholungspause nach einer strapaziösen Flucht.
So können geschlechtsspezifische Verfolgung und Gewalterfahrungen weder hinreichend erkannt und gewürdigt werden noch können die Frauen adäquat unterstützt werden. Beschleunigte Verfahren dürfen nicht auf Kosten der Rechtssicherheit und des Schutzes der Frauen durchgeführt werden. Weitere Forderungen und Erfahrungen finden sich hier.
Die Erfahrungen mit den Sonderbeauftragten des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF), die eigens für Fälle geschlechtsspezifischer Verfolgung herangezogen werden, sind durchwachsen – zumal diese nicht immer die Anhörung selbst durchführen. Teilweise geben sie lediglich eine Entscheidung nach Akteneinsicht frei.
Unsensible Befragungen
Noch immer berichten Frauen von unsensiblen, entwürdigenden Befragungen oder davon, dass Dolmetscher*innen aus ihrer Rolle fallen und sich mit eigenen Kommentaren in die Anhörung einmischen.
Und der Blick muss geweitet werden: Ein geschlechtersensibles Asylverfahren und gute Aufnahmebedingungen müssen in Deutschland erreicht werden. Doch das reicht nicht, solange Geflüchtete auf ihrem Weg nach und in Europa mit unvorstellbarer Gewalt – auch von europäischen Grenzwächtern – konfrontiert sind. Der ungehinderte Zugang Geflüchteter zu einem fairen, regulären Asylverfahren in der EU bleibt oberste Priorität.
Zum Internationalen Frauentag 2022 fordern PRO ASYL und Landesflüchtlingsräte:
- Die Bundesregierung muss die versprochene gesetzliche Regelung für eine behördenunabhängige Asylverfahrensberatung zügig auf den Weg bringen und langfristig finanziell absichern.
- Bei der Terminvergabe für die Anhörung ist gegebenenfalls eine längere Pause einzuräumen, um Nachweise beschaffen oder sich emotional auf die Anhörung vorbereiten zu können.
- Anhörungen müssen gendersensibel und ausschließlich mit geschulten Dolmetscher*innen gestaltet werden; Sonderbeauftragte müssen bei erkennbarem Bedarf frühzeitig und transparent übernehmen, außerdem auf Wunsch der Betroffenen eingesetzt und im Konfliktfall auch ausgetauscht werden.
- Das BAMF muss bei der Anhörung durch entsprechende Fragen aktiv prüfen, ob geschlechtsspezifische Asylgründe vorliegen könnten. Die Betroffenen brauchen zuvor klare Informationen über mögliche asylrelevante Umstände.
- Für die spezifischen medizinischen, psychologischen und sozialen Bedarfe von vulnerablen Geflüchteten muss bei der Aufnahme durch die Behörden eine Anbindung an Fachorganisationen (etwa für Opfer von Menschenhandel) und die Übernahme der notwendigen Kosten sichergestellt werden.
PRO ASYL und Flüchtlingsräte unterstützen die europäische Initiative feministasylum, die sich im Sinne der Istanbul-Konvention mit einer europaweiten Petition für einen solchen ungehinderten Zugang und die konsequente Anerkennung spezifischer Asylgründe von Frauen und Mädchen sowie queerer Personen einsetzt.
(ak/wr)