29.04.2014
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Neue Qualität der völkerrechtswidrigen Pushbacks: Einsatz marokkanischer Sicherheitskräfte innerhalb der Grenzanlage von Melilla. Bild: aus einem Video von Prodein

In ihrer Anzeige beklagt die Menschenrechtsorganisation Prodein insbesondere die wiederholte völkerrechtswidrige Zurückweisung von Flüchtlingen nach Marokko, ohne dass ihnen in der spanischen Enklave Zugang zu einem Asylverfahren gewährt wurde. Hierfür agieren inzwischen auch marokkanische Sicherheitskräfte auf spanischem Gebiet.

Gestützt wird die Anzei­ge gegen den spa­ni­schen Regie­rungs­ab­ge­ord­ne­ten in Mel­il­la und den Chef der Guar­dia Civil unter ande­rem durch meh­re­re Video­auf­nah­men von Pro­de­in.  Die­se zei­gen unter ande­rem wie Men­schen durch  Tore im Zaun der Grenz­an­la­gen den marok­ka­ni­schen Sicher­heits­kräf­ten über­ge­ben oder auch wie sie beim Ver­such, die Enkla­ven schwim­mend zu errei­chen, von Boo­ten der spa­ni­schen Guar­dia Civil noch im Was­ser zurück nach Marok­ko gezo­gen wer­den. Die­se soge­nann­ten „hei­ßen“ – also umge­hen­den – Abschie­bun­gen sind nach inter­na­tio­na­lem Recht nicht erlaubt.

Marok­ka­ni­sche Sicher­heits­kräf­te auf spa­ni­schem Gebiet

Für beson­de­res Auf­se­hen sorg­ten die Gescheh­nis­se am 28. März. Nach Infor­ma­tio­nen des spa­ni­schen Innen­mi­nis­te­ri­ums ver­such­ten an die­sem Tag, auf­ge­teilt in drei Grup­pen, ca. 800 Men­schen die Grenz­zäu­ne zwi­schen Marok­ko und der spa­ni­schen Enkla­ve Mel­il­la zu über­win­den. Nur sechs von ihnen sol­len offi­zi­el­len Anga­ben zufol­ge nach Mel­il­la gelangt sein. Ein weni­ge Tage spä­ter von Pro­de­in ver­öf­fent­lich­tes Video zeigt jedoch, dass es deut­lich mehr Men­schen auf spa­ni­sches Gebiet schafften.

Doch eine Mög­lich­keit, Asyl zu bean­tra­gen, beka­men sie nicht. Statt­des­sen wur­den sie umge­hend abge­scho­ben: In der Auf­nah­me von Pro­de­in ist zum ers­ten Mal zu sehen, wie marok­ka­ni­sche para­mi­li­tä­ri­sche Ein­hei­ten die spa­ni­schen Grenz­an­la­gen betre­ten, Flücht­lin­ge, die sich zwi­schen und auf den Grenz­zäu­nen befin­den, fest­neh­men und durch ein Tor zurück auf marok­ka­ni­sches Gebiet brin­gen – nach Infor­ma­tio­nen von Pro­de­in kein Einzelfall.

Spa­ni­sche Behör­den defi­nie­ren Ter­ri­to­ri­um neu

An der Auf­klä­rung sol­cher Vor­fäl­le scheint es auf staat­li­cher Sei­te kein Inter­es­se zu geben. Die Video­auf­nah­men der Über­wa­chungs­ka­me­ras im Grenz­ge­biet hält die spa­ni­sche Regie­rung offen­bar wei­ter­hin unter Ver­schluss. Ange­spro­chen auf die Mas­sen­rück­füh­run­gen defi­nie­ren spa­ni­sche Behör­den das spa­ni­sche Ter­ri­to­ri­um teil­wei­se neu:  „Erst wer bei­de Grenz­zäu­ne über­wun­den hat, ist in Spa­ni­en“ so die Aus­sa­ge des regie­ren­den Bür­ger­meis­ters von Mel­il­la, Juan José Imbroda.

Ähn­lich äußer­te sich auch der Ver­tre­ter des Innen­mi­nis­te­ri­ums in Mel­il­la, Abdel­ma­lik el Bar­ka­ni. Der spa­ni­sche Minis­ter­prä­si­dent Maria­no Rajoy stell­te fest, dass ille­ga­le Ein­wan­de­rung „inak­zep­ta­bel“ sei und kün­dig­te an, die­se wei­ter­hin „sehr ent­schlos­sen“ zu bekämp­fen. Die Regie­rung plant, die Grenz­an­la­gen wei­ter aus zu bauen.

Orga­ni­sa­tio­nen for­dern Unter­su­chung der Vorfälle

Unter­des­sen ver­öf­fent­lich­te auch eine Grup­pe wei­te­rer spa­ni­scher Orga­ni­sa­tio­nen einen Bericht über Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen an den Gren­zen der bei­den spa­ni­schen Enkla­ven. In die­sem wer­fen die Orga­ni­sa­tio­nen den Behör­den eine Ver­let­zung der Euro­päi­schen Stan­dards, der Gen­fer Flücht­lings­kon­ven­tio­nen und der Men­schen­rech­te vor. Die Orga­ni­sa­tio­nen for­dern die Euro­päi­sche Kom­mis­si­on auf, die beschrie­be­nen Vor­wür­fe zu unter­su­chen und ggf. ein Ver­trags­ver­let­zungs­ver­fah­ren gegen Spa­ni­en einzuleiten.

Die Pra­xis spa­ni­scher Behör­den, Men­schen, die sich auf der Flucht befin­den, völ­ker­rechts­wid­rig zurück zu schie­ben ist nicht neu. Erst ges­tern wur­de wie­der ein Video ver­öf­fent­licht, wel­ches spa­ni­sche Sicher­heits­kräf­te letz­ten Don­ners­tag bei einer Zurück­wei­sung von (zum Teil ver­letz­ten) Flücht­lin­gen vom spa­ni­schen Ter­ri­to­ri­um nach Marok­ko zeigt.

Neue Qua­li­tät der ille­ga­len Zurückführung 

Doch mit der Fest­nah­me von geflüch­te­ten Men­schen durch marok­ka­ni­sche Sicher­heits­kräf­te  auf spa­ni­schem Hoheits­ge­biet erreicht die nach inter­na­tio­na­lem Recht ille­ga­le Zurück­füh­rung von Flücht­lin­gen an der spa­ni­schen Außen­gren­ze eine neue Qualität.

Eine Ent­schär­fung der Situa­ti­on in den spa­ni­schen Enkla­ven zeich­net sich nicht ab. Das Auf­fang­la­ger in Mel­il­la platzt aus allen Näh­ten. Obwohl es nur für 480 Per­so­nen aus­ge­legt ist, wer­den dort zur­zeit mehr als 1800 Men­schen unter­ge­bracht. Die Regie­rung bringt nur die wenigs­ten Flücht­lin­ge auf die ibe­ri­sche Halbinsel.

Seit Anfang des Jah­res schaff­ten es offi­zi­el­len Anga­ben zufol­ge über 1000 Men­schen, die Grenz­an­la­gen zur spa­ni­schen Exkla­ve Mel­il­la zu über­win­den. Dass in letz­ter Zeit mehr Men­schen ver­su­chen über die Grenz­an­la­gen der spa­ni­schen Enkla­ven zu gelan­gen, könn­te sich schon dar­aus erklä­ren, dass mit zuneh­men­der Abrie­ge­lung der euro­päi­schen Außen­gren­zen nur weni­ge Eng­stel­len blei­ben, an denen Flücht­lin­ge ver­su­chen, nach Euro­pa zu gelangen.

Medi­en­be­rich­te: Taz (1.4.); Taz (6.2.); The Wall Street Jour­nal (12.4.); The Wall Street Jour­nal (4.4.); El País;  El FaroDeutsch­land­funkMugakABCWochen­blattSüd­deut­scheTages­an­zei­ger

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