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Schwere Menschenrechtsverletzungen an Flüchtlingen an der Grenze zu Melilla

Seit 2011 steigt die Zahl der Flüchtlinge, die versuchen, die spanische Exklave Melilla zu erreichen, drastisch an. Die spanischen Sicherheitskräfte reagieren mit Gewalt und illegalen Abschiebungen.
Nach dem revolutionären Umsturz in Tunesien und dem Bürgerkrieg in Libyen suchen Tausende afrikanische Flüchtlinge, die zuvor dort gelebt hatten, Schutz in den Nachbarstaaten. Viele wollen über Marokko auf spanisches Territorium gelangen. An den meterhohen Grenzzäunen der spanischen Exklave Melilla droht die Situation ähnlich zu eskalieren wie in den Jahren 2005/2006, befürchtet die spanische Menschenrechtsorganisation PRODEIN. Damals hatten Hunderte Flüchtlinge aus verschiedenen afrikanischen Staaten versucht, die Grenzen zu Ceuta und Melilla zu überwinden. Im Oktober 2005 starben mindestens 16 Schutzsuchende, zum Teil an Schussverletzungen, viele weitere wurden verletzt. Die spanische Regierung ließ damals die Grenze befestigen und den Zaun erhöhen.
Schusswaffen und Gummigeschosse gegen Flüchtlinge
Seit Beginn des Jahres 2011 versuchen nun fast täglich Flüchtlinge die spanische Exklave auf afrikanischem Boden zu erreichen. Das Unterfangen ist äußerst gefährlich – nach wie vor setzt das marokkanische Militär Schusswaffen gegen Menschen ein, die über den Zaun zu klettern versuchen. Auch die Gummigeschosse, die von den spanischen Grenzbeamten auf sehr kurze Distanz eingesetzt werden, verursachen gravierende Verletzungen. Noch im August werden neue Einsatztruppen der Guardia Civil erwartet, die die spanischen Grenzbeamten unterstützen sollen. Der Zugang zu der Grenzwallanlage wird Journalisten und Menschenrechtsbeobachtern systematisch verwehrt.
Wer es schafft, wird abgeschoben – ohne Prüfung von Asylgründen
Trotzdem versuchte zuletzt während der Ramadan-Feiern im August 2012 eine Gruppe von 300 afrikanischen Flüchtlingen, die Grenze zu überwinden, 60 von ihnen gelangten auf spanischen Boden. Kurz darauf versuchte eine zweite Gruppe von 150 Menschen, den Zaun zu stürmen. Täglich gelangen Schutzsuchende auch über das Mittelmeer nach Melilla, schwimmend oder in kleinen Booten. Ihre Zahl stieg von ein bis zwei Personen täglich in den Jahren 2006 bis 2010 auf aktuell 15–20 Personen täglich, schätzt PRODEIN.
Wer beim Überqueren des Zauns oder an der Küste entdeckt wird, wird häufig illegal nach Marokko abgeschoben. Besorgnis erregt auch die Praxis der spanischen Behörden, Flüchtlinge zu inhaftieren, um sie über das spanische Festland direkt in ihre Herkunftsländer abzuschieben. Insbesondere die kollektive Abschiebung von Flüchtlingen in die Demokratischen Republik Kongo im März 2012 – ohne existierendes Rückübernahmeabkommen und ohne Prüfung der Staatsangehörigkeit der Betroffenen – stellt einen Skandal dar.
Polizei geht mit Gewalt gegen Flüchtlinge vor
Bei der Organisation Ärzte ohne Grenzen melden sich vermehrt Flüchtlinge, die Opfer von physischer Gewalt durch die spanische Grenzpolizei geworden sind. Der Organisation sind 34 Fälle bekannt, die ins Krankenhaus der marokkanischen Stadt Nador unweit der Grenze zu Melilla eingeliefert wurden. Zwischen dem 25. Juni und dem 16. Juli 2012 versorgte die Organisation 165 Migrantinnen und Migranten, die Opfer von Gewalt wurden, davon 81, die nach Massenverhaftungen durch die marokkanische Polizei am 11. Juli nach Nador verschleppt worden waren.
Medienberichte: Spiegel Online, taz
Aktuelle Informationen von PRODEIN zur Situation von Flüchtlingen an der Grenze zu Melilla enthält dieser Blog
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