17.07.2014
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Abschiebungsgefangene in der JVA Büren (NRW), in der Abschiebungshaft und Strafhaft vollzogen werden. Bild: Achim Pohl/www.achim-pohl.de

Seit Jahren vollziehen die meisten Bundesländer Abschiebungshaft auf rechtswidrige Art und Weise: Asylsuchende, die nichts verbrochen haben, werden in regulären Gefängnissen inhaftiert, wo sie spürbare Nachteile einer Strafhaft erleiden. Nach zwei heutigen Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs steht diese Praxis vor dem Aus.

Betrof­fen von Abschie­bungs­haft sind heut­zu­ta­ge zuneh­mend Asyl­su­chen­de, die auf­grund der Dub­lin-Ver­ord­nung in ande­re EU-Staa­ten abge­scho­ben wer­den sol­len. In den Haft­an­stal­ten im grenz­na­hen Raum wie Eisen­hüt­ten­stadt oder Rends­burg, liegt der Anteil von inhaf­tier­ten Flücht­lin­gen regel­mä­ßig bei ca. 90 Pro­zent. Betrof­fen sind unter ande­rem auch Bür­ger­kriegs­flücht­lin­ge aus Syrien.

Abschie­bungs­haft ist kei­ne Straf­haft – und doch füh­len sich Män­ner, Frau­en und sogar Min­der­jäh­ri­ge in Jus­tiz­voll­zugs­an­stal­ten als Ver­bre­cher stig­ma­ti­siert. Erst im April hat­te die Anti­fol­ter­stel­le die Tren­nung des Voll­zugs von Abschie­bungs­haft und Straf­haft gefor­dert und einen Bericht vor­ge­legt. Dar­in wur­den zahl­rei­che gra­vie­ren­de Nach­tei­le für Flücht­lin­ge in Ein­rich­tun­gen zur Straf­haft doku­men­tiert, wie sie auch PRO ASYL in dem Bericht „Schutz­los hin­ter Git­tern“ doku­men­tiert hat. Dazu gehö­ren Han­dy- und Inter­net­ver­bo­te, redu­zier­te Besuchs­zei­ten und das Ein­sper­ren in Zellen. 

Inhaf­tier­te dür­fen nicht zum gemein­sa­men Voll­zug gedrängt werden

Ins­be­son­de­re weib­li­che Abschie­bungs­ge­fan­ge­ne lei­den wegen der gerin­ge­ren Zahl weib­li­cher Häft­lin­ge unter Ver­ein­ze­lung. Nicht zuläs­sig ist es jedoch, wenn Behör­den die­sen Umstand aus­nut­zen und weib­li­che Abschie­bungs­ge­fan­ge­ne dazu drän­gen, sich mit straf­ge­fan­ge­nen Frau­en ein­schlie­ßen zu las­sen. Dies wäre unzu­läs­sig, wie der EuGH heu­te feststellte.

Den Urtei­len des EuGH lagen die Fäl­le einer Viet­na­me­sin, einer Syre­rin und eines Marok­ka­ners zugrun­de. Sie alle hat­ten gegen ihre Inhaf­tie­rung in Jus­tiz­voll­zugs­an­stal­ten geklagt. Der EuGH stell­te heu­te fest, dass dies gegen das Tren­nungs­ge­bot der euro­päi­schen Rück­füh­rungs­richt­li­nie ver­stößt. Nach die­ser sind Abschie­bungs­ge­fan­ge­ne aus­schließ­lich in spe­zi­el­len Haft­ein­rich­tun­gen unter­zu­brin­gen, wenn die­se vor­han­den sind. 

Seit Jah­ren rechts­wid­ri­ge Vollzugspraxis

Die­ses EU-Recht hät­te bis Ende 2010 auch in Deutsch­land umge­setzt wer­den müs­sen. Bis zur Anru­fung des EuGH im Som­mer 2013 wur­de in zehn Bun­des­län­dern die Abschie­bungs­haft in Straf­voll­zugs­an­stal­ten durch­ge­führt. Inzwi­schen hat es in einer Rei­che von Bun­des­län­dern – auf Druck der jewei­li­gen Land­ge­rich­te – bereits Umstel­lun­gen gegeben.

Meck­len­burg-Vor­pom­mern und Sach­sen schi­cken Abschie­bungs­ge­fan­ge­ne neu­er­dings nach Ber­lin (Män­ner) oder nach Eisen­hüt­ten­stadt (Frau­en). Nie­der­sach­sen und Bay­ern stell­ten ihre Haft­pra­xis in den ver­gan­ge­nen Mona­ten auf spe­zi­el­le Haft­an­stal­ten um. Doch in Baden-Würt­tem­berg, Hes­sen, Nord­rhein-West­fa­len, Ham­burg, Sach­sen-Anhalt und Thü­rin­gen wur­de die Abschie­bungs­haft bis heu­te in einer Straf­voll­zugs­an­stalt vollzogen.

Ledig­lich Rhein­land-Pfalz, das Saar­land, Bran­den­burg, Ber­lin, Schles­wig-Hol­stein und Bre­men beach­ten schon län­ger das Tren­nungs­ge­bot. Das Saar­land bringt Abschie­bungs­ge­fan­ge­ne nach Rhein­land-Pfalz, in den ande­ren Län­dern bestehen eige­ne Abschie­bungs­haft­an­stal­ten (in Bre­men ist dies ein Polizeigewahrsam). 

Zahl­rei­che Kla­gen gegen rechts­wid­ri­gen Vollzug

PRO ASYL hat in den Jah­ren 2013 und 2014 ins­ge­samt 23 Rechts­be­schwer­de­ver­fah­ren vor dem Bun­des­ge­richts­hof (BGH) unter­stützt. Allein seit dem 1. Janu­ar 2014 wur­den 286 Anträ­ge auf Rechts­hil­fe an PRO ASYL gestellt.

Die Kla­gen vor dem BGH wur­den not­wen­dig, da die Bun­des­län­der ent­ge­gen der EU-Richt­li­nie und zahl­rei­cher BGH-Ent­schei­dun­gen wei­ter­hin rechts­wid­rig Abschie­bungs­haft in regu­lä­ren Gefäng­nis­sen voll­zo­gen. Die heu­ti­gen Ent­schei­dun­gen des EuGH las­sen nun kei­nen Zwei­fel mehr dar­an zu, dass dies rechts­wid­rig ist. Abschie­bungs­häft­lin­ge in Straf­haft müs­sen nun unver­züg­lich frei­ge­las­sen werden!

Laut der Anti­fol­ter­stel­le waren 2013 bun­des­weit etwa 5.000 Men­schen in Abschie­bungs­haft. Ins­ge­samt wird Abschie­bungs­haft zu lan­ge, zu oft und zu schnell ver­hängt. Der Han­no­ve­ra­ner Rechts­an­walt Peter Fahl­busch hat seit 2002 über 900 Inhaf­tier­te ver­tre­ten. In jedem zwei­ten Fall erwies die Haft sich als rechts­wid­rig; durch­schnitt­lich saß jeder die­ser Men­schen 28 Tage zu Unrecht in Haft. PRO ASYL for­dert, dass die Abschie­bungs­haft gene­rell abge­schafft wird.

Hin­ter­grund­in­for­ma­tio­nen zum The­ma Abschiebungshaft 

Bericht „Schutz­los hin­ter Gittern“

 EuGH been­det rechts­wid­ri­ge Abschie­bungs­haft (17.07.14)

 Abschie­bungs­haft: Vor­sätz­li­che Frei­heits­be­rau­bung in der JVA Pre­un­ges­heim? (10.06.14)

 Anti­fol­ter-Stel­le rügt Abschie­bungs­haft (07.04.14)

 Abschie­bungs­haft: Zu schnell, zu oft, zu lan­ge (13.09.12)