21.01.2014
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Nach mehr als 100 Tagen auf Lampedusa verlassen die letzten dort festgehaltenen Überlebenden der Bootskatastrophe vom 3. Oktober die Insel. Bild: www.borderline-europe.de

Nach der Räumung des umstrittenen Aufnahmelagers auf Lampedusa hatten die italienischen Behörden sieben Überlebende vom 3. Oktober dort festgehalten, die als Zeugen im Prozess gegen mutmaßliche Schlepper aussagen sollten. Erst am 12. Januar wurden die sieben Flüchtlinge aus Eritrea nach Sizilien gebracht.

Nach Infor­ma­tio­nen der Orga­ni­sa­ti­on Bor­der­line Sici­lia, Part­ner­or­ga­ni­sa­ti­on von Bor­der­line Euro­pe, soll­ten bis zum 15. Janu­ar auch noch sechs Men­schen aus Syri­en seit Mit­te Okto­ber aus „juris­ti­schen Grün­den“ auf Lam­pe­du­sa  fest­ge­hal­ten wer­den. Das chro­nisch über­füll­te Erst­auf­nah­me-Lager war in den Weih­nachts­ta­gen geräumt wor­den, nach­dem  Berich­te über die ernied­ri­gen­de Behand­lung der Flücht­lin­ge dort an die Öffent­lich­keit gelangt waren.

Wochen­lang in Unsi­cher­heit gelassen

Die letz­ten auf Lam­pe­du­sa ver­blei­ben­den sie­ben Über­le­ben­den der Boots­ka­ta­stro­phe wur­den von den ita­lie­ni­schen Behör­den mehr als drei Mona­te dort fest­ge­hal­ten, ohne ange­mes­se­ne psy­cho­lo­gi­sche Unter­stüt­zung und in völ­li­ger Unsi­cher­heit über ihre Zukunft. Nach Infor­ma­tio­nen von Bor­der­line Sici­lia bestieg die Grup­pe am Mor­gen des 12. Janu­ar eine Fäh­re in Rich­tung des sizi­lia­ni­schen Hafens Por­to Empe­do­cle. Laut Rotem Kreuz soll es den Flücht­lin­gen zu die­sem Zeit­punkt „schlecht“ gegan­gen sein.

Am 13. Janu­ar wur­den die sie­ben vor einem Gericht in Paler­mo als Zeu­gen gegen den mut­maß­li­chen Schlep­per gehört. Nach Ende der Ver­hand­lung brach­te man sie, ohne sie zuvor dar­über infor­miert zu haben, in ein Auf­nah­me­zen­trum der Stadt Pozz­al­lo. Auch das Lager dort ist über­be­legt. Flücht­lings­un­ter­stüt­zern zufol­ge gibt es dort kein war­mes Was­ser, es fehlt an Decken und war­mer Klei­dung. Laut Bor­der­line-Sici­lia waren wegen der schlech­ten Kon­di­tio­nen in Pozz­al­lo Flücht­lin­ge am 12. Janu­ar in Hun­ger­streik getreten.

In Ita­li­en droht Obdachlosigkeit

Den sie­ben Über­le­ben­den der Boots­ka­ta­stro­phe vom 3. Okto­ber wur­de ver­mut­lich der Aus­gang ver­bo­ten, nach­dem sie sich gewei­gert hat­ten, ihre Fin­ger­ab­drü­cke abzu­ge­ben. – Auf­grund der euro­päi­schen Asyl­zu­stän­dig­keits­re­ge­lung müs­sen Flücht­lin­ge befürch­ten, in das Land ihrer ers­ten Regis­trie­rung in Euro­pa abge­scho­ben zu werden.

Im Fal­le Ita­li­ens bedeu­tet das in der Regel Obdach­lo­sig­keit, man­geln­de medi­zi­ni­sche Ver­sor­gung und völ­li­ge Per­spek­tiv­lo­sig­keit, da Ita­li­en Flücht­lin­ge nicht unter­stützt. Die Grup­pe der sie­ben Über­le­ben­den hat sich offen­bar trotz der Auf­la­gen aus dem Auf­nah­me­zen­trum in Pozz­al­lo ent­fernt. Ihr Ver­bleib ist unbekannt.

Huma­ne Flücht­lings­po­li­tik sieht anders aus

Die sie­ben Flücht­lin­ge aus Eri­trea waren am 3. Okto­ber 2013 in einem Boot vor der Küs­te Lam­pe­du­sas  geken­tert. 366 Men­schen waren umge­kom­men, nur etwa 150 Per­so­nen haben über­lebt.  Unge­ach­tet ihrer trau­ma­ti­sie­ren­den Erleb­nis­se wur­den sie wochen­lang, sie­ben von ihnen mehr als 100 Tage lang, unter unmensch­li­chen Bedin­gun­gen festgehalten.

Die Boots­ka­ta­stro­phe vom 3. Okto­ber hat­te welt­weit Ent­set­zen aus­ge­löst und eine Debat­te über eine ande­re euro­päi­sche Flücht­lings­po­li­tik ange­sto­ßen. Poli­ti­ke­rin­nen und Poli­ti­ker in Ita­li­en und Euro­pa hat­ten unter dem Ein­druck der vie­len Toten Betrof­fen­heit gezeigt – die huma­ne Behand­lung der Über­le­ben­den der Boots­ka­ta­stro­phe hät­te den Beginn einer ande­ren Flücht­lings­po­li­tik signa­li­sie­ren kön­nen. Doch die EU-Staa­ten set­zen wei­ter auf Abschot­tung. Ein Umden­ken sieht jeden­falls anders aus.

Bericht zur Situa­ti­on von Flücht­lin­gen in Italien

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