Obwohl Iran eines der von der Corona-Pandemie am stärksten betroffenen Länder ist, will das Bundesinnenministerium nächste Woche zwei Frauen dorthin zurück schicken. Da es keine regulären Flugverbindungen mehr in den Iran gibt, wird extra ein Flugzeug gechartert. PRO ASYL unterstützt eine der Betroffenen.

Update, 03.02.22: Das zustän­di­ge Gericht hat im Novem­ber 2021 fest­ge­stellt, dass die Inhaf­tie­rung von Nas­rin B. am Flug­ha­fen im März 2020 rechts­wid­rig war. Lei­der nur eine unter vie­len: Etwa 50% aller Men­schen sit­zen zu Unrecht in Abschie­be­haft

Update, 31.03.20: Der Char­ter­flug wird nicht abhe­ben! Die bei­den betrof­fe­nen Frau­en wur­den aus der Haft ent­las­sen, durf­ten ein­rei­sen und kön­nen nun die nächs­ten recht­li­chen Schrit­te aus Deutsch­land vornehmen.

Eins der vom Coro­na­vi­rus am här­tes­ten gebeu­tel­ten Län­der ist der Iran. Das gesam­te Land gilt laut Robert-Koch-Insti­tut auf­grund von Coro­na als Inter­na­tio­na­le Kri­sen­re­gi­on. Bis zum 27. März wur­den 29.406 Infi­zie­run­gen gemel­det und 2.234 Tote.

Da es weni­ge ver­läss­li­che Daten sowohl hin­sicht­lich der Zahl der Infi­zier­ten als auch hin­sicht­lich der Todes­fäl­le gibt, geht die WHO laut Deut­sche Wel­le sogar von einer fünf­mal höhe­ren Dun­kel­zif­fer aus. Expert*innen rech­ne­ten aktu­ell damit, dass die Zahl der Todes­oper bis Ende Mai auf 3,5 Mil­lio­nen anstei­gen kann. Die Lage im Iran ist nicht zuletzt wegen einer man­gel­haf­ten medi­zi­ni­schen Infra­struk­tur dra­ma­tisch. Der regu­lä­re Flug­ver­kehr aus Deutsch­land in den Iran ist eingestellt.

Absurdes und unverantwortliches Unterfangen: Charterflug in den Iran

Wäh­rend all­dem hält das Bun­des­in­nen­mi­nis­te­ri­um an einem Vor­ha­ben fest, das an Absur­di­tät und Unver­ant­wort­lich­keit kaum zu über­tref­fen ist: Zwei Frau­en, die der­zeit am Frank­fur­ter Flug­ha­fen in Abschie­bungs­haft sind, sol­len mit­tels eines extra für sie gechar­ter­ten Flug­zeu­ges in die Coro­na-Kri­sen­re­gi­on geflo­gen wer­den. Hier­zu berich­tet auch die Tages­schau.

Update, 31.03.: Die bei­den betrof­fe­nen Frau­en wur­den mitt­ler­wei­le aus der Haft ent­las­sen und durf­ten ein­rei­sen! PRO ASYL for­dert ange­sichts der Pan­de­mie einen gene­rel­len Abschie­be­stopp und Frei­las­sung der noch in Abschie­be­haft Inhaftierten. 

Dabei gab es Rück­füh­run­gen in den Iran ohne­hin bis­her nur ver­ein­zelt. Im ers­ten Halb­jahr 2019 wur­den 18 Per­so­nen in den Iran abge­scho­ben. Im sel­ben Zeit­raum wur­den 46 Iraner*innen die Ein­rei­se ver­wei­gert und sie wur­den zurück­ge­flo­gen, wie es nach dem Flug­ha­fen­ver­fah­ren mög­lich ist – dies kann auch in einen Dritt­staat erfolgt sein, über den sie ein­ge­reist waren.

Zwei Frau­en sol­len mit­tels eines extra für sie gechar­ter­ten Flug­zeu­ges in die Coro­na-Kri­sen­re­gi­on geflo­gen werden.

Nicht nur, dass extra für zwei Per­so­nen ein Flug­zeug gechar­tert wird: Gera­de zu Zei­ten einer Pan­de­mie, die auch Deutsch­land noch nicht in den Griff bekom­men hat, muss man sich fra­gen, wor­auf aktu­ell der Fokus der Behör­den liegt. Um eine sol­che Maß­nah­me zu ermög­li­chen braucht es schließ­lich auch die ent­spre­chen­de Beglei­tung durch eine/n Dolmetscher*in, Arzt/Ärztin und Begleitbeamt*innen.

Problematisches Flughafenverfahren: Turboablehnung

Eine der bei­den Frau­en, die Deutsch­land auf Teu­fel komm raus nächs­te Woche in den Iran zurück­brin­gen will, ist Nas­rin B*. Sie kam gemein­sam mit ihrem Ver­lob­ten nach Deutsch­land, der auf­grund von Herz­pro­ble­men nach Deutsch­land ein­rei­sen durf­te, sich nun im Asyl­ver­fah­ren befin­det und aus Angst um sei­ne Ver­lob­te PRO ASYL um Hil­fe bat.

Unter dem Ein­druck der Tren­nung und in Sor­ge um ihren Ver­lob­ten, muss­te Nas­rin anstatt eben­falls ein­rei­sen zu dür­fen, das soge­nann­te Flug­ha­fen­ver­fah­ren durch­lau­fen. Dabei han­delt es sich um ein extrem beschleu­nig­tes Ver­fah­ren gemäß § 18a AsylG, das noch im Tran­sit­be­reich durch­ge­führt wird. Inner­halb von zwei Tagen nach Ankunft muss bereits die Bun­des­amts­ent­schei­dung vor­lie­gen. Auch der recht­li­che Schutz ist wie­der­um verkürzt.

Wenn das BAMF den Antrag als »offen­sicht­lich unbe­grün­det« ablehnt, wird den Betrof­fe­nen die Ein­rei­se ver­wei­gert. Als »offen­sicht­lich unbe­grün­det« kann ein Antrag aber nur gel­ten, wenn die Vor­aus­set­zun­gen für eine Flücht­lings­zu­er­ken­nung offen­sicht­lich nicht vor­lie­gen, etwa weil das Vor­brin­gen nicht sub­stan­ti­iert ist, wider­sprüch­lich ist, oder offen­kun­dig den Tat­sa­chen nicht ent­spricht (§ 30 AsylG).

Iraner*innen am Flughafen: Wesentlich häufiger »offensichtlich unbegründet«?!

Ableh­nun­gen als o.u. im Flug­ha­fen­ver­fah­ren haben in den letz­ten Jah­ren ste­tig zuge­nom­men. Im letz­ten Jahr lag die o.u.-Ablehnungsquote im Flug­ha­fen­ver­fah­ren bei rund 47 Pro­zent und damit vier­mal höher als noch 2015 (Sta­tis­ti­ken zum Flug­ha­fen­ver­fah­ren wer­den regel­mä­ßig von PRO ASYL abge­fragt und sind hier zu finden).

Ira­ni­sche Asyl­an­trä­ge wer­den im Flug­ha­fen­ver­fah­ren sogar in der Hälf­te aller Fäl­le als o.u. abge­lehnt, wäh­rend dies im regu­lä­ren Asyl­ver­fah­ren bei Iraner*innen nur in zwei Pro­zent der Fall ist. Die­se besorg­nis­er­re­gen­de Ent­wick­lung wirft ein­mal mehr die Fra­ge auf, ob Asyl­an­trä­ge im Flug­ha­fen­ver­fah­ren aus­rei­chend und genau genug geprüft werden.

PRO ASYL for­dert auf­grund der welt­wei­ten Aus­brei­tung des Coro­na-Virus einen gene­rel­len Abschiebungsstopp!

Der Asyl­an­trag von Nas­rin wur­de als »offen­sicht­lich unbe­grün­det« abge­lehnt, seit­dem sitzt sie in Haft. Auch ihr Antrag im Eil­ver­fah­ren – der die Rück­füh­rung hät­te stop­pen kön­nen – wur­de nicht statt­ge­ge­ben. In der Haupt­sa­che wur­de vom Gericht noch nicht ent­schie­den. Auch gegen die Inhaf­tie­rung wird mit Unter­stüt­zung von PRO ASYL recht­lich vorgegangen.

Abschiebungsstopp aufgrund von Pandemie – erst recht bei Krisenregionen!

PRO ASYL for­dert auf­grund der welt­wei­ten Aus­brei­tung des Coro­na-Virus einen gene­rel­len Abschie­bungs­stopp. Zum einen soll­te Deutsch­land nicht durch Abschie­bun­gen zur Aus­brei­tung des Virus bei­tra­gen. Zum ande­ren müs­sen Betrof­fe­ne davor geschützt wer­den, in Län­der mit fra­gi­len Gesund­heits­sys­te­men abge­scho­ben zu wer­den, in denen die Aus­wir­kun­gen von Coro­na kata­stro­phal wer­den kön­nen oder dies – wie im Fall des Iran – bereits sind. Eine Abschie­bung in eine offi­zi­el­le Coro­na-Kri­sen­re­gi­on kann nur noch als zynisch bezeich­net werden.

*Der Name wur­de geändert.

(jlr / wj)