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»Transitzentren«: Die Union und ihre Fiktion der Rechtmäßigkeit
Die neueste Idee der Union: Flüchtlinge sollen in Deutschland als »nicht eingereist« gelten und auf dieser Grundlage in sogenannten Transitzentren festgehalten werden. Anschließend will man die Menschen schnell in andere EU-Staaten zurückschicken. Aber: Wie so häufig ist auch dieser CDU/CSU-Plan nicht mit europäischem Recht vereinbar.
Die meisten Menschen würden einen Ort, an dem Personen gegen ihren Willen festgehalten werden und den sie nicht verlassen dürfen, wohl »Gefängnis« nennen. Nicht so Stephan Mayer (CSU) – obwohl er selbst bekräftigt, »raus darf aber niemand«.
Haft für Schutzsuchende ist nicht zulässig
Es entspricht geltendem Recht und Rechtsprechung, dass Asylsuchende nicht allein deswegen in Haft genommen werden, weil sie einen Asylantrag stellen (Erwägungsgrund 15 der Aufnahme-Richtlinie, Artikel 28 Abs. 1 der Dublin-III-Verordnung).
Wenn man sich vorstellt, dass Schutzsuchende beim Aufgriff irgendwo an der Binnengrenze in die »Transitzonen« geschafft und dort festgehalten werden, dann handelt es sich um Freiheitsentziehung im Sinne von Artikel 104 GG, wofür eine richterliche Haftanordnung nötig wäre. Eine Rechtsgrundlage hierfür gibt es aber nicht. Sie dürfte nach geltendem europäischen Recht auch nicht einfach auf der nationalen Ebene geschaffen werden.
Das Grundgesetz verlangt »unverzüglich« eine richterliche Anordnung für jede individuelle Inhaftierung, allerspätestens hat eine Freilassung ohne richterliche Entscheidung am Folgetag der Einsperrung zu erfolgen.
Dies gilt auch für einen Aufenthalt in solchen Zentren für 48 Stunden, wie nun von der Kanzlerin ins Spiel gebracht. Das Grundgesetz verlangt ohnehin »unverzüglich« eine richterliche Anordnung für jede individuelle Inhaftierung, allerspätestens hat eine Freilassung ohne richterliche Entscheidung am Folgetag der Einsperrung (und damit regelmäßig unter 48 Stunden) zu erfolgen.
Transitzonen sind nur an den Außengrenzen möglich
Soweit im Rahmen des Europäischen Asylrechts die Einrichtung von Transitzonen dem Grunde nach zulässig ist, bezieht sich diese Vorschrift deutlich nur auf die europäischen Außengrenzen. Ein Vergleich mit dem Flughafenasylverfahren (§ 18a AsylG) verbietet sich daher, da es dabei nicht um die Binnengrenzen zwischen Mitgliedstaaten geht. Innerhalb des Dublin-/Schengen-Raumes wären solche Zonen unvereinbar mit dem Europäischen Recht.
Die Dublin-III-Verordnung ist damit das maßgebliche Regelwerk, was bestimmt, wie die Verfahren zwischen den Mitgliedstaaten erfolgen. Und diese Vorgaben können auch nicht durch nationale Regelungen oder bilaterale Abkommen wie zwischen Deutschland und Österreich ersetzt werden. Zwar gibt es unter bestimmten Bedingungen die Möglichkeit von Vereinbarungen zur Verfahrenseffizienz, nicht aber zur Verfahrensabschaffung (Artikel 36 Dublin-III-Verordnung).
Zurückweisungen ohne vernünftiges Verfahren sind rechtswidrig
Ziel der Transitzonen ist letztlich die Zurückweisung von Flüchtlingen in andere EU-Staaten. Auch und vor allem in solche, die Asylsuchende weiter inhaftieren – wie Ungarn – oder die über gar kein effektives Schutzsystem verfügen – wie Griechenland. Das impliziert mögliche Verstöße gegen die Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) und die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) sowie die Grundrechtecharta der EU. So haben auch viele Gerichte Überstellungen in solchen Fällen gestoppt – und gerade die rechtsstaatlich zwingend zu gewährleistende gerichtliche Überprüfung kann kaum innerhalb 48 Stunden erfolgen.
Ohnehin gilt: Nicht die Erstregistrierung eines Antragstellers in einem Mitgliedstaat bzw. der sog. EASY-Eintrag entscheidet über die Zuständigkeit zur Asylantragsprüfung. Es gibt etliche Kriterien, die nach der Dublin-III-VO überprüft werden müssen (Kriterienkatalog nach Art. 7 ff. Dublin-III-VO). Das Dublin-Verfahren ist »kein Fünf-Minuten-Verfahren«.
Grenzübergangsstellen innerhalb der EU widersprechen dem Schengener Abkommen
Um es nochmal klarzustellen: Nicht nur das Asylrecht spricht gegen die Einführung der Transitzentren. Es geht viel weiter: An den Binnengrenzen der EU sind schon nach dem Schengener Grenzkodex grundsätzlich Grenzkontrollen verboten.
Die sogenannte »Fiktion der Nichteinreise« basiert darauf, dass ein Mensch erst dann als eingereist gilt, wenn er an »Grenzübergangsstellen« die Kontrollstationen von Grenzpolizei und Zoll passiert hat. Solche dauerhaften Grenzübergangsstellen wären dann aber rechtswidrig. Denn selbst die nach dem Schengener Grenzkodex vorgesehen Ausnahmen sind nur unter bestimmten Bedingungen (Bedrohungslage, »unter außergewöhnlichen Umständen«) möglich und – was entscheidend ist – immer nur befristet zulässig (Artikel 25 Schengener Grenzkodex).
Verheerende Auswirkungen auf den internationalen Flüchtlingsschutz
Die Konstruktion der »Transitzentren«, die de facto geschlossene Lager mit Freiheitsentziehung wären, ist aus allen diesen Gründen rechtswidrig. Die einer solchen Konstruktion entgegenstehenden Gründe lassen sich auch nicht durch den nationalen Gesetzgeber beseitigen. Der Internationale Flüchtlingsschutz darf nicht dadurch unterlaufen werden, dass die EU-Staaten sich vor dem Hintergrund solcher Maßnahmen allesamt veranlasst sehen könnten, in Nichteinreiselagern ihre Unzuständigkeit zu erklären.
Die Folgen der Verwirklichung dieser Pläne gehen dabei über Deutschlands Grenzen weit hinaus!
Die Folgen der Verwirklichung dieser Pläne gehen dabei über Deutschlands Grenzen weit hinaus: Werden Menschen beispielsweise nach Österreich zurückgewiesen (welches in aller Regel ebenfalls nicht zuständig nach der Dublin-Verordnung sein dürfte), wird dieses aller Voraussicht nach seine Grenzen ebenfalls dicht machen – entsprechende Polizeiübungen, bezeichnenderweise unter einem von Rechtsextremen genutzten Begriff, gab es bereits.
Die Ersteinreisestaaten, wie Italien, werden ihrerseits alles dafür tun, dass weniger Flüchtlinge ankommen. Aus diesem Grund werden bereits jetzt die Seenotrettungs-Initiativen im Mittelmeer massiv kriminalisiert und an ihrer Arbeit gehindert. Mit der Folge, dass in den letzten Tagen hunderte Menschen im Mittelmeer ertrunken sind. Über das alles muss mitgesprochen werden, wenn man über Transitzentren diskutiert.
(mk / beb)