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Transitzentrum in der Praxis - hier im ungarischen Tompa: Zäune, Stacheldraht, bewaffnetes Sicherheitspersonal. Für Stephan Mayer (CSU) kein Gefängnis. Foto: Reuters / Laszlo Balogh

Die neueste Idee der Union: Flüchtlinge sollen in Deutschland als »nicht eingereist« gelten und auf dieser Grundlage in sogenannten Transitzentren festgehalten werden. Anschließend will man die Menschen schnell in andere EU-Staaten zurückschicken. Aber: Wie so häufig ist auch dieser CDU/CSU-Plan nicht mit europäischem Recht vereinbar.

Die meis­ten Men­schen wür­den einen Ort, an dem Per­so­nen gegen ihren Wil­len fest­ge­hal­ten wer­den und den sie nicht ver­las­sen dür­fen, wohl »Gefäng­nis« nen­nen. Nicht so Ste­phan May­er (CSU) – obwohl er selbst bekräf­tigt, »raus darf aber nie­mand«.

Haft für Schutzsuchende ist nicht zulässig

Es ent­spricht gel­ten­dem Recht und Recht­spre­chung, dass Asyl­su­chen­de nicht allein des­we­gen in Haft genom­men wer­den, weil sie einen Asyl­an­trag stel­len (Erwä­gungs­grund 15 der Auf­nah­me-Richt­li­nie, Arti­kel 28 Abs. 1 der Dub­lin-III-Ver­ord­nung).

Wenn man sich vor­stellt, dass Schutz­su­chen­de beim Auf­griff irgend­wo an der Bin­nen­gren­ze in die »Tran­sit­zo­nen« geschafft und dort fest­ge­hal­ten wer­den, dann han­delt es sich um Frei­heits­ent­zie­hung im Sin­ne von Arti­kel 104 GG, wofür eine rich­ter­li­che Haft­an­ord­nung nötig wäre. Eine Rechts­grund­la­ge hier­für gibt es aber nicht. Sie dürf­te nach gel­ten­dem euro­päi­schen Recht auch nicht ein­fach auf der natio­na­len Ebe­ne geschaf­fen werden.

Das Grund­ge­setz ver­langt »unver­züg­lich« eine rich­ter­li­che Anord­nung für jede indi­vi­du­el­le Inhaf­tie­rung, aller­spä­tes­tens hat eine Frei­las­sung ohne rich­ter­li­che Ent­schei­dung am Fol­ge­tag der Ein­sper­rung zu erfolgen.

Dies gilt auch für einen Auf­ent­halt in sol­chen Zen­tren für 48 Stun­den, wie nun von der Kanz­le­rin ins Spiel gebracht. Das Grund­ge­setz ver­langt ohne­hin »unver­züg­lich« eine rich­ter­li­che Anord­nung für jede indi­vi­du­el­le Inhaf­tie­rung, aller­spä­tes­tens hat eine Frei­las­sung ohne rich­ter­li­che Ent­schei­dung am Fol­ge­tag der Ein­sper­rung (und damit regel­mä­ßig unter 48 Stun­den) zu erfolgen.

Transitzonen sind nur an den Außengrenzen möglich

Soweit im Rah­men des Euro­päi­schen Asyl­rechts die Ein­rich­tung von Tran­sit­zo­nen dem Grun­de nach zuläs­sig ist, bezieht sich die­se Vor­schrift deut­lich nur auf die euro­päi­schen Außen­gren­zen. Ein Ver­gleich mit dem Flug­ha­fen­asyl­ver­fah­ren (§ 18a AsylG) ver­bie­tet sich daher, da es dabei nicht um die Bin­nen­gren­zen zwi­schen Mit­glied­staa­ten geht. Inner­halb des Dub­lin-/Schen­gen-Rau­mes wären sol­che Zonen unver­ein­bar mit dem Euro­päi­schen Recht.

Die Dub­lin-III-Ver­ord­nung ist damit das maß­geb­li­che Regel­werk, was bestimmt, wie die Ver­fah­ren zwi­schen den Mit­glied­staa­ten erfol­gen. Und die­se Vor­ga­ben kön­nen auch nicht durch natio­na­le Rege­lun­gen oder bila­te­ra­le Abkom­men wie zwi­schen Deutsch­land und Öster­reich ersetzt wer­den. Zwar gibt es unter bestimm­ten Bedin­gun­gen die Mög­lich­keit von Ver­ein­ba­run­gen zur Ver­fah­rens­ef­fi­zi­enz, nicht aber zur Ver­fah­rens­ab­schaf­fung (Arti­kel 36 Dublin-III-Verordnung).

Zurückweisungen ohne vernünftiges Verfahren sind rechtswidrig

Ziel der Tran­sit­zo­nen ist letzt­lich die Zurück­wei­sung von Flücht­lin­gen in ande­re EU-Staa­ten. Auch und vor allem in sol­che, die Asyl­su­chen­de wei­ter inhaf­tie­ren – wie Ungarn – oder die über gar kein effek­ti­ves Schutz­sys­tem ver­fü­gen – wie Grie­chen­land. Das impli­ziert mög­li­che Ver­stö­ße gegen die Gen­fer Flücht­lings­kon­ven­ti­on (GFK) und die Euro­päi­sche Men­schen­rechts­kon­ven­ti­on (EMRK) sowie die Grund­rech­te­char­ta der EU. So haben auch vie­le Gerich­te Über­stel­lun­gen in sol­chen Fäl­len gestoppt – und gera­de die rechts­staat­lich zwin­gend zu gewähr­leis­ten­de gericht­li­che Über­prü­fung kann kaum inner­halb 48 Stun­den erfolgen.

Ohne­hin gilt: Nicht die Erst­re­gis­trie­rung eines Antrag­stel­lers in einem Mit­glied­staat bzw. der sog. EASY-Ein­trag ent­schei­det über die Zustän­dig­keit zur Asyl­an­trags­prü­fung. Es gibt etli­che Kri­te­ri­en, die nach der Dub­lin-III-VO über­prüft wer­den müs­sen (Kri­te­ri­en­ka­ta­log nach Art. 7 ff. Dub­lin-III-VO). Das Dub­lin-Ver­fah­ren ist »kein Fünf-Minu­ten-Ver­fah­ren«.

Grenzübergangsstellen innerhalb der EU widersprechen dem Schengener Abkommen

Um es noch­mal klar­zu­stel­len: Nicht nur das Asyl­recht spricht gegen die Ein­füh­rung der Tran­sit­zen­tren. Es geht viel wei­ter: An den Bin­nen­gren­zen der EU sind schon nach dem Schen­ge­ner Grenz­ko­dex grund­sätz­lich Grenz­kon­trol­len verboten.

Die soge­nann­te »Fik­ti­on der Nicht­ein­rei­se« basiert dar­auf, dass ein Mensch erst dann als ein­ge­reist gilt, wenn er an »Grenz­über­gangs­stel­len« die Kon­troll­sta­tio­nen von Grenz­po­li­zei und Zoll pas­siert hat. Sol­che dau­er­haf­ten Grenz­über­gangs­stel­len wären dann aber rechts­wid­rig. Denn selbst die nach dem Schen­ge­ner Grenz­ko­dex vor­ge­se­hen Aus­nah­men sind nur unter bestimm­ten Bedin­gun­gen (Bedro­hungs­la­ge, »unter außer­ge­wöhn­li­chen Umstän­den«) mög­lich und – was ent­schei­dend ist – immer nur befris­tet zuläs­sig (Arti­kel 25 Schen­ge­ner Grenzkodex).

Verheerende Auswirkungen auf den internationalen Flüchtlingsschutz

Die Kon­struk­ti­on der »Tran­sit­zen­tren«, die de fac­to geschlos­se­ne Lager mit Frei­heits­ent­zie­hung wären, ist aus allen die­sen Grün­den rechts­wid­rig. Die einer sol­chen Kon­struk­ti­on ent­ge­gen­ste­hen­den Grün­de las­sen sich auch nicht durch den natio­na­len Gesetz­ge­ber besei­ti­gen. Der Inter­na­tio­na­le Flücht­lings­schutz darf nicht dadurch unter­lau­fen wer­den, dass die EU-Staa­ten sich vor dem Hin­ter­grund sol­cher Maß­nah­men alle­samt ver­an­lasst sehen könn­ten, in Nicht­ein­rei­se­la­gern ihre Unzu­stän­dig­keit zu erklären.

Die Fol­gen der Ver­wirk­li­chung die­ser Plä­ne gehen dabei über Deutsch­lands Gren­zen weit hinaus!

Die Fol­gen der Ver­wirk­li­chung die­ser Plä­ne gehen dabei über Deutsch­lands Gren­zen weit hin­aus: Wer­den Men­schen bei­spiels­wei­se nach Öster­reich zurück­ge­wie­sen (wel­ches in aller Regel eben­falls nicht zustän­dig nach der Dub­lin-Ver­ord­nung sein dürf­te), wird die­ses aller Vor­aus­sicht nach sei­ne Gren­zen eben­falls dicht machen – ent­spre­chen­de Poli­zei­übun­gen, bezeich­nen­der­wei­se unter einem von Rechts­extre­men genutz­ten Begriff, gab es bereits.

Die Erst­ein­rei­se­staa­ten, wie Ita­li­en, wer­den ihrer­seits alles dafür tun, dass weni­ger Flücht­lin­ge ankom­men. Aus die­sem Grund wer­den bereits jetzt die See­not­ret­tungs-Initia­ti­ven im Mit­tel­meer mas­siv kri­mi­na­li­siert und an ihrer Arbeit gehin­dert. Mit der Fol­ge, dass in den letz­ten Tagen hun­der­te Men­schen im Mit­tel­meer ertrun­ken sind. Über das alles muss mit­ge­spro­chen wer­den, wenn man über Tran­sit­zen­tren diskutiert.

(mk / beb)