06.01.2012
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Flüchtling im Mellila (Foto: José Palazon)

Seit den Unruhen in Nordafrika erreichen wieder mehr Flüchtlinge die spanischen Enklaven Ceuta und Melilla. Die Menschenrechtsorganisation PRODEIN sieht die Lage trotz Verbesserungen gegenüber dem Katastrophenjahr 2005 kritisch.

Über sechs Jah­re ist es her, dass Hun­der­te afri­ka­ni­scher Flücht­lin­ge auf ihrem Weg nach Euro­pa ver­such­ten, die Grenz­zäu­ne der spa­ni­schen Enkla­ven Ceu­ta und Mel­il­la zu über­win­den. Min­des­tens 16 Men­schen star­ben dabei. Kurz dar­auf fan­den auf Anord­nung der spa­ni­schen Behör­den men­schen­rechts­wid­ri­ge Mas­sen­ab­schie­bun­gen ins Nach­bar­land Marok­ko statt. Von dort aus wur­den tau­sen­de Flücht­lin­ge von marok­ka­ni­schen Poli­zis­ten an die alge­ri­sche Gren­ze gebracht und in der Wüs­te abgesetzt.

Seit­her ist die­ses „Schlupf­loch“ nach Euro­pa mit­tels moderns­ter Abschot­tungs­tech­nik und inten­si­ver diplo­ma­ti­scher Koope­ra­ti­on zwi­schen Spa­ni­en und Marok­ko weit­ge­hend geschlos­sen. Flucht­rou­ten haben sich zunächst nach Wes­ten (Kana­ren), inzwi­schen nach Ost­eu­ro­pa verlagert.

Aktu­ell gelan­gen Flücht­lin­ge wie­der in grö­ße­ren Zah­len nach Mel­il­la und Ceu­ta, wohl vor allem ver­ur­sacht durch die revo­lu­tio­nä­ren Umbrü­che in Nord­afri­ka im ver­gan­ge­nen Jahr 2011. Nach Schät­zun­gen der Men­schen­rechts­or­ga­ni­sa­ti­on PRODEIN in Mel­il­la sind seit Som­mer 2011 bis zum Jah­res­en­de täg­lich etwa zehn „irre­gu­lä­re Migran­ten“ nach Mel­il­la gekom­men. Eini­ge gelan­gen ver­steckt in Autos über die Grenz­über­gän­ge in die Stadt, der über­wie­gen­de Teil über das Meer – oft schwim­mend. Über den Grenz­zaun habe es seit 2007 nie­mand mehr geschafft, obwohl es im ver­gan­ge­nen Som­mer seit lan­ger Zeit wie­der zu ver­ein­zel­ten Ver­su­chen gekom­men sei, berich­tet José Pala­zón, Vor­sit­zen­der von PRODEIN. Über die Vor­gän­ge am Zaun besteht sei­tens der Behör­den jedoch offen­sicht­lich eine Auskunftssperre.

Im letz­ten Jahr sind nach Infor­ma­tio­nen von PRODEIN im Meer vor Mel­il­la ver­schie­dent­lich Flücht­lings­boo­te von spa­ni­schen Schif­fen ent­deckt wor­den. Anstatt die Men­schen zu ret­ten, habe – in einem kon­kre­ten Fall vom 21. Novem­ber 2011 – die Besat­zung der spa­ni­schen Fäh­re jedoch die marok­ka­ni­schen Behör­den infor­miert, die wie­der­um einen Rück­trans­port der 22 Betrof­fe­nen nach Marok­ko ver­an­lasst hät­ten. José Pala­zón ver­mu­tet hin­ter die­sem Vor­ge­hen Sys­tem. 

Die aktu­el­le Situa­ti­on an der Gren­ze ist zwar laut José Pala­zón in ihrer Dra­ma­tik im Hin­blick auf Art und Anzahl der Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen gegen­über Flücht­lin­gen bei wei­tem nicht mit der von 2005/2006 zu ver­glei­chen. So sei­en kei­ne Miss­hand­lun­gen durch spa­ni­sche Grenz­be­am­te mehr bekannt gewor­den. Auch wer­de Flücht­lin­gen die Mög­lich­keit, sich bei den Behör­den offi­zi­ell regis­trie­ren zu las­sen und ggfl. einen Asyl­an­trag zu stel­len offen­sicht­lich nicht mehr ver­wehrt. Den­noch wür­den immer wie­der Fäl­le von völ­ker­rechts­wid­ri­gen Abschie­bun­gen von Mel­il­la nach Marok­ko bekannt – häu­fig ermög­licht durch kor­rup­te Grenz­be­am­te. PRODEIN beklagt eben­so, dass es wie im Jahr 2005 wie­der regel­mä­ßig von marok­ka­ni­schen Beam­ten durch­ge­führ­te Trans­por­te von Flücht­lin­gen an die alge­ri­sche Gren­ze gebe.

Die Auf­nah­me­si­tua­ti­on in Mel­il­la ist, wie zahl­rei­chen Pres­se­be­rich­ten zu ent­neh­men ist, seit Anfang 2011 pre­kär. Das staat­li­che Erst­auf­nah­me­zen­trum CETI ist per­ma­nent über­füllt, wes­halb vie­le der der­zeit haupt­säch­lich aus der DR Kon­go, Kame­run und Nige­ria stam­men­den Neu­an­kömm­lin­ge oft bereits nach weni­gen Wochen Auf­ent­halt mit einer Abschie­bungs­an­ord­nung aufs Fest­land und dort in Haft­la­ger gebracht wer­den. Nor­ma­ler­wei­se blei­ben die­je­ni­gen, die kei­ne Aus­sicht auf ein erfolg­rei­ches Asyl­ver­fah­ren haben, in Mel­il­la, bis eine Abschie­bung ins Her­kunfts­land mög­lich ist. Ledig­lich Frau­en, Kin­der und Fami­li­en müs­sen nicht dau­er­haft in Mel­il­la blei­ben, son­dern wer­den übli­cher­wei­se in Auf­nah­me­zen­tren auf der ibe­ri­schen Halb­in­sel untergebracht.

Fünf Jah­re nach dem Flücht­lings­dra­ma von Ceu­ta und Mel­il­la (Pres­se­er­klä­rung, 05.10.2010)

Ein Jahr nach dem Flücht­lings­dra­ma in Ceu­ta und Mel­il­la (Pres­se­er­klä­rung vom 06.10.2006)

Flücht­lings­dra­ma in Ceu­ta und Mel­il­la Pres­se­er­klä­rung, 07.10.2005

 Ceu­ta: Min­des­tens 14 Flücht­lin­ge bei bru­ta­lem Poli­zei-Ein­satz getö­tet (10.02.14)

 Schwe­re Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen an Flücht­lin­gen an der Gren­ze zu Mel­il­la (22.08.12)