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Realitätsflucht in der Regierung
Der Familiennachzug zu subsidiär Geschützten soll auf wenige Härtefälle begrenzt werden. Diesen Plänen muss die Annahme zugrunde liegen, dass die Betroffenen demnächst in ihre Heimat zurückkehren könnten. An der Realität in Syrien geht dies – und damit der Gesetzentwurf der Bundesregierung – jedoch meilenweit vorbei.
Der Entwurf des Gesetzes »zur Neuregelung des Familiennachzugs zu subsidiär Schutzberechtigten« will, wie es die Große Koalition in den Verhandlungen vereinbart hatte, den Rechtsanspruch auf den Familiennachzug für diese Flüchtlingsgruppe abschaffen und durch eine Regelung ersetzen, die bis zu 1.000 Personen im Monat den Nachzug aus »humanitären Gründen« erlauben kann.
Dieser Entwurf ist nicht nur deshalb problematisch, weil verschiedenste Behörden (Deutsche Botschaften, Bundesverwaltungsamt, lokale Ausländerbehörden) in diesem Prozess beteiligt sind – was den Prozess gerade zu Beginn verlangsamen wird – und diverse dehnbare Formulierungen enthält, die Willkür Tür und Tor öffnen, sondern auch, weil damit der Eindruck verfestigt wird, subsidiär Schutzberechtigte könnten in absehbarer Zeit in ihre Heimat zurückkehren.
Subsidiärer Schutz schützt vor Folter und Krieg
Die meisten subsidiär Geschützten stammen aus Syrien und warten größtenteils schon seit Jahren auf ihre Familie. Der subsidiäre Schutzstatus ist dabei kein schwächerer oder eingeschränkter Schutzstatus, sondern – wie der Schutz nach der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK, damit ist Familiennachzug gestattet) – menschenrechtlich begründet. Er schützt die Betroffenen vor der Abschiebung in einen Staat, in denen ihnen Gefahr droht.
Ein baldiger Frieden ist nicht in Sicht – und schon gar keiner, der ein Ende der Diktatur von Assad zur Folge hätte.
Sollte dieser Gesetzentwurf also nicht nur der bloßen Abschreckung und Begrenzung von Flüchtlingszahlen dienen, muss er der Annahme folgen, dass diese, dem Schutzstatus zugrundeliegende, Gefahr nur von kurzweiliger Dauer ist. Blickt man auf die Lage in Syrien, müssen da jedoch starke Zweifel angemeldet werden.
Syrien: Kein Frieden in Sicht
Auch im siebten Jahr des Bürgerkriegs ist die Lage unübersichtlich. Die Türkei führt im kurdischen Norden Syriens einen Krieg, der erneut Tausende zur Flucht zwingt, die Assad-Regierung greift Rückzugsorte der Rebellen erbarmungslos an – nun rückt vor allem Idlib in den Fokus, dorthin sind viele Menschen aus Aleppo oder Ost-Ghouta geflohen, nachdem das Regime einrückte – und mit Russland, der USA, Frankreich, dem Iran und Israel sind etliche Staaten an kriegerischen Handlungen beteiligt. Ein baldiger Frieden ist nicht in Sicht – schon gar keiner, der ein Ende der Diktatur von Assad zur Folge hätte.
Keine Rückkehr in die Diktatur
Vor genau dieser Regierung sind aber viele Menschen geflohen. Rund 1,5 Millionen Personen sollen auf einer Fahndungsliste der Geheimdienste stehen, viele weitere wissen nicht, ob sie auch ohne Nennung darauf nicht trotzdem gesucht werden. Und Assad beginnt Fakten zu schaffen: In einigen Gebieten sollen die Menschen enteignet werden, wenn sie nicht innerhalb von 30 Tagen persönlich nachweisen können, dass die Grundstücke und Häuser – oder das, was davon noch übrig geblieben ist – ihnen gehören.
Eine Rückkehr in absehbarer Zeit ist also den meisten Syrer*innen nicht nur nicht möglich – es wird auch abermals deutlich, dass sie von Assads Regierung offenbar auch gar nicht erwünscht ist. Die Bundesregierung ignoriert diese Fakten anscheinend, wenn sie ihre irrigen Annahmen nun sogar in ein Gesetz gießen möchte. Ein Gesetz, das der Realität nicht standhält und nur das Leid der betroffenen Familien befördert.
(mk)