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Blick über das völlig zerstörte Homs, drittgrößte Stadt Syriens und Hochburg der Proteste gegen Präsident Assad 2011. Foto: picture alliance

Diktator Baschar al-Assad ist bekannt für gravierende Menschenrechtsverletzungen und brutales Vorgehen gegen Oppositionelle. Millionen Menschen sind weiterhin auf der Flucht. Innenminister aus CDU und CSU wollen jetzt trotzdem über Abschiebungen ins Bürgerkriegsland diskutieren – trotz anderslautenden Forderungen des UNHCR.

Erst kürz­lich wur­de im Bun­des­tag ein Antrag der AfD zu Rück­füh­run­gen nach Syri­en abge­lehnt. Auch Uni­ons­po­li­ti­ker kri­ti­sier­ten die Plä­ne scharf.

Medi­en­be­rich­ten zufol­ge for­dern die uni­ons­ge­führ­ten Bun­des­län­der zur Innen­mi­nis­ter­kon­fe­renz kom­men­de Woche in Leip­zig jetzt aller­dings selbst eine Neu­be­wer­tung der Lage in Syri­en und eine Wie­der­auf­nah­me von Abschie­bun­gen in 2018.

»Wenn man in Ihrem Antrag liest, dass Sie davon aus­ge­hen, ein Ver­trags­part­ner auf syri­scher Sei­te kön­ne glaub­haft ver­si­chern, dass die rück­ge­führ­ten Per­so­nen in siche­re Gebie­te gebracht, mit dem Nötigs­ten ver­sorgt, nicht gefol­tert und nicht ver­folgt wer­den, dann kann man nur sagen: Das ist Sar­kas­mus pur.«

Ste­phan May­er, CSU in der Bundestagsdebatte 

Nicht mit der tatsächlichen Lage zu begründen

Die tat­säch­li­che Lage in Syri­en recht­fer­tigt die Plä­ne der uni­ons­ge­führ­ten Bun­des­län­der in keins­ter Wei­se. Dabei wird auch kom­plett igno­riert, dass bei­spiels­wei­se der UNHCR in sei­ner aktu­el­len Lage­ein­schät­zung aus dem Novem­ber 2017 ein Mora­to­ri­um für Abschie­bun­gen von syri­schen Flücht­lin­gen fordert.

»As all parts of Syria are repor­ted to have been affec­ted, direct­ly or indi­rect­ly, by one or mul­ti­ple con­flicts, UNHCR calls on sta­tes not to for­ci­b­ly return Syri­an natio­nals and for­mer habi­tu­al resi­dents of Syria, inclu­ding Pal­es­ti­ni­ans pre­vious­ly resi­ding in Syria«

UNHCR-Lage­ein­schät­zung aus dem Novem­ber 2017

Abschiebung in Diktatur und Bürgerkrieg?

Aktu­ell wer­den immer noch Tei­le des Lan­des vom Regime blo­ckiert, dem Guar­di­an zufol­ge sind etwa 3,5 Mil­lio­nen Men­schen davon betrof­fen. Vie­len von ihnen fehlt der Zugang zu Lebens­mit­teln und medi­zi­ni­scher Ver­sor­gung, tau­sen­de Kin­der lei­den unter Man­gel­er­näh­rung, es kommt zu Bom­bar­de­ments durch die Armee. Die UN-Orga­ni­sa­ti­on OCHA stellt in ihrem aktu­el­len Bericht fest, dass über 13 Mil­lio­nen Syrer*innen auf huma­ni­tä­re Hil­fe ange­wie­sen sind. Auch in den soge­nann­ten »Dees­ka­la­ti­ons­zo­nen« kommt es Amnes­ty Inter­na­tio­nal zufol­ge zu Ver­fol­gung und Vertreibungen.

Selbst nach einem Sieg des Assad-Regimes wären dau­er­haf­ter Frie­de in Syri­en und eine siche­re Rück­kehr­mög­lich­keit nicht in Sicht. Ein Waf­fen­still­stand ist ange­sichts der Blo­cka­de der aktu­el­len Ver­hand­lun­gen in Genf durch die Assad-Regie­rung und wei­ter­hin statt­fin­den­den Kämp­fen mit vie­len Todes­op­fern, wie ver­gan­ge­ne Woche in der Nähe von Damas­kus ohne­hin noch in wei­ter Fer­ne, aber auch dann blie­be das Land in den Hän­den des Dik­ta­tors, vor dem Mil­lio­nen Men­schen geflo­hen sind.

Der Vor­stoß der Uni­ons-Innen­mi­nis­ter geschieht aus innen­po­li­ti­schen Erwä­gun­gen. Die­se Vor­ge­hens­wei­se ist unver­ant­wort­lich und gefährlich!

Die Bru­ta­li­tät von Macht­ha­ber Assad ist hin­läng­lich bekannt, es gibt etli­che Berich­te über will­kür­li­che Ver­haf­tun­gen, Fol­ter und Mas­sen­er­schie­ßun­gen in Gefäng­nis­sen – bis zum heu­ti­gen Tage – und Gift­gas­an­grif­fe auf die eige­ne Bevöl­ke­rung.

Syri­sche Flücht­lin­ge abzu­schie­ben, wür­de also nicht nur bedeu­ten, sie in einen schwe­len­den Bür­ger­krieg zurück­zu­schi­cken und einer unsi­che­ren Ver­sor­gungs­la­ge aus­zu­set­zen, son­dern auch, sie in die Gefahr von poli­ti­scher Ver­fol­gung zu brin­gen. Der UNHCR führ­te bereits im Früh­jahr 2017 in sei­nen Her­kunfts­land­in­for­ma­tio­nen zu Syri­en (hier abruf­bar, S. 5 f.) aus, dass für Rück­keh­rer aus ver­schie­dens­ten Grün­den das Risi­ko besteht, inhaf­tiert zu werden.

Im Sep­tem­ber beton­te das auch ein Top-Gene­ral des Assad-Regimes mit den Wor­ten »Kehrt nicht zurück! Wir wer­den euch nie­mals ver­zei­hen!« Sol­che Dro­hun­gen sind ernst zu neh­men, denn bereits in der Ver­gan­gen­heit ist das Assad-Regime gegen aus Deutsch­land Abge­scho­be­ne vorgegangen

Unverantwortliches Handeln der Unions-Innenminister

Dass die Uni­ons-Innen­mi­nis­ter über die Rück­kehr von Syrer*innen spre­chen wol­len, hat mit der dor­ti­gen (Kriegs-)Situation gar nichts zu tun, wohl aber mit dem tie­fen Bedürf­nis, nach Rechts schie­lend Abschie­bungs­the­men in der Öffent­lich­keit zu befeuern.

Ziel ist dabei auch, die Betrof­fe­nen dadurch ver­un­si­chern zu wol­len, nach dem Mot­to: Schutz für Kriegs­flücht­lin­ge sei immer einer auf kur­ze Zeit – ein hal­bes Jahr geben wir ihnen noch, und damit auch Argu­men­te zusam­men­zu­su­chen, mit denen man den Anspruch auf Fami­li­en­nach­zug wei­ter aus­set­zen kann.  Die­ser Ver­su­chung hat die Uni­on in einer von der AFD im Bun­des­tag lan­cier­ten Debat­te vor Kur­zem gera­de noch und auch nur teil­wei­se wider­stan­den – nur um den AFD-Blöd­sinn weni­ge Tage spä­ter zum Gegen­stand eige­nen »Nach­den­kens« zu adeln.

(akr / mk / bm)