News
Menschen, die wir schützen müssen: Die Geschichte von Hasmatullah Fazelpur aus Afghanistan.
Jedes Jahr begleiten wir zahlreiche verfolgte Menschen in ihren Asylverfahren. Das PRO ASYL-Team hat 2018 tausende Beratungsgespräche geführt, rund 400 Flüchtlingen standen wir mit Mitteln aus dem Rechtshilfefonds zur Seite. Einer davon ist Hasmatullah Fazelpur aus Afghanistan.
Region Kabul, Afghanistan, 2015: Der 21-Jährige Hasmatullah Fazelpur, Angehöriger der afghanischen Armee, gerät auf der Heimreise in eine Straßensperre der Taliban. Die islamistischen Gewalttäter zerren ihn aus dem Auto und schlagen ihn brutal zusammen. In einem Waldstück kommt er wieder zu sich. Erneut wird er geschlagen und mit einem Gewehrkolben traktiert. Wieder verliert Herr Fazelpur das Bewusstsein. Als er aufwacht, hängt er kopfüber an einem Baum. Es gelingt ihm, sich am Seil hochzuziehen und von den Fesseln zu befreien. Zu Fuß schafft er es bis zur Hauptstraße, von dort nimmt ihn jemand mit nach Kabul.
Der junge Mann ruft seinen Vater an und berichtet ihm von dem brutalen Überfall. Er erfährt, dass die Taliban auf der Suche nach ihm auch den Vater überfallen und geschlagen haben.
»Mein Vater riet mir, nicht nach Hause zu kommen«
Einige Zeit später: Entgegen dem Ratschlag seines Vaters reist Hasmatullah Fazelpur nach Hause, er vermisst seine Familie. Eines Abends klopft es am Hoftor des elterlichen Anwesens. Der junge Mann fragt, wer dort draußen sei. Eine Stimme beschimpft ihn als Ungläubigen und fordert ihn auf, zu öffnen. Herr Fazelpur schnappt sich ein Gewehr und gibt einen Warnschuss ab. Eine Handgranate fliegt über das Tor, durch die Detonation wird Herr Fazelpur schwer verletzt. Vier Monate lang liegt er in einem Kabuler Krankenhaus, nach der Entlassung entschließt er sich zur Flucht.
»Die Wände waren voller Ungeziefer. Uns kratzte der ganze Körper. Nach dem Aufwachen haben wir als erstes unsere Läuse entfernt.«
4 Monate Haft in Bulgarien
Über die Türkei erreicht Hasmatullah Fazelpur im Oktober 2016 Bulgarien und damit die Europäische Union. Er glaubt, in Sicherheit zu sein, doch man inhaftiert ihn im Lyubimets Detention Center, einem berüchtigten Gefängnis, in dem Flüchtlinge Hunger, Krankheiten und schlimmsten hygienischen Zuständen ausgesetzt sind. Misshandlungen durch die Beamten sind an der Tagesordnung. PRO ASYL hat bereits 2014 über Folter in diesem Gefängnis berichtet. Nach vier Monaten Haft kommt Herr Fazelpur endlich frei. Im Mai 2017 gelingt es ihm, nach Deutschland zu entkommen.
Rechtswidrige Abschiebung aus Deutschland nach Bulgarien
In Deutschland wird Herr Fazelpur durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) angehört, eine Anerkennung als Flüchtling scheint zunächst möglich. Doch dann wird sein Asylantrag im Rahmen der Dublin-Verordnung als »unzulässig« abgelehnt – dies bedeutet, dass er zurück in das EU-Land seiner Einreise muss. Er reicht Klage gegen diese Entscheidung ein, trotzdem wird er am 14. September 2017 rechtswidrig nach Bulgarien abgeschoben.
Kettenabschiebung nach Afghanistan
In Bulgarien angekommen wird Herr Fazelpur noch am gleichen Tag von Beamten verprügelt, misshandelt und gezwungen, verschiedene Papiere zu unterschreiben. Später stellt sich heraus, dass eines dieser Papiere ein Antrag auf die freiwillige Rückkehr nach Afghanistan ist. Dann wird Herr Fazelpur nach Elhovo gebracht – auch dieses Gefängnis ist seit Jahren bekannt für übelste Haftbedingungen und Übergriffe gegen Flüchtlinge.
Am 3. Oktober 2017 erfolgt von dort die Abschiebung nach Afghanistan, obwohl das Verwaltungsgericht Sigmaringen zwischenzeitlich entschieden hatte, dass Herr Fazelpur nach Deutschland zurückgebracht werden muss.
Im Juni 2018 erhält Herr Fazelpur endlich Schutz!
Versteck in Afghanistan & Rückkehr nach Deutschland
Nach der Ankunft in Afghanistan wird Herr Fazelpur von seinem Bruder abgeholt. Dieser bringt ihn zu einem Freund, auf dessen Landgrundstück er sich versteckt. Bereits kurz darauf erfahren die Taliban, dass er zurück ist und suchen nach ihm. Gerät er in ihre Hände, ist ihm der Tod gewiss.
In der Zwischenzeit verpflichtet das Verwaltungsgericht Sigmaringen das BAMF nochmals, Herrn Fazelpur zurückbringen zu lassen. Nach mehrmonatiger Lebensgefahr kommt der Schutzsuchende am 14. Dezember 2017 wieder in Deutschland an. Am 3. Februar 2018 wird sein Asylantrag vom BAMF wegen mangelnder Glaubwürdigkeit abgelehnt. Erneut kommt der Fall vor das Verwaltungsgericht. Dieses entscheidet am 21. Juni 2018, dass Herr Fazelpur Schutz erhält.
Wir brauchen Ihre Unterstützung!
Seit der Abschiebung von Herrn Fazelpur nach Bulgarien kümmerte sich PRO ASYL intensiv um seinen Fall. Durch das unermüdliche Engagement lokaler Unterstützer*innen und den gemeinsamen hartnäckigen Einsatz wurden am Ende die Wiedereinreise und ein positives Urteil erreicht: Hasmatullah Fazelpur ist nun endlich in Sicherheit. Möglich ist ein solcher Einsatz für verfolgte Menschen nur aufgrund der großzügigen Hilfe unserer Mitglieder, Spenderinnen und Spender. Engagieren auch Sie sich zusammen mit uns. Bitte spenden Sie, oder werden Sie Mitglied von PRO ASYL.