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Hasmatullah Fazelpur (2. von rechts) mit Unterstützern bei seiner Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Sigmaringen. Foto: Andreas Linder / move on - menschen.rechte tübingen e.V.

Jedes Jahr begleiten wir zahlreiche verfolgte Menschen in ihren Asylverfahren. Das PRO ASYL-Team hat 2018 tausende Beratungsgespräche geführt, rund 400 Flüchtlingen standen wir mit Mitteln aus dem Rechtshilfefonds zur Seite. Einer davon ist Hasmatullah Fazelpur aus Afghanistan.

Regi­on Kabul, Afgha­ni­stan, 2015: Der 21-Jäh­ri­ge Has­ma­tul­lah Fazel­pur, Ange­hö­ri­ger der afgha­ni­schen Armee, gerät auf der Heim­rei­se in eine Stra­ßen­sper­re der Tali­ban. Die isla­mis­ti­schen Gewalt­tä­ter zer­ren ihn aus dem Auto und schla­gen ihn bru­tal zusam­men. In einem Wald­stück kommt er wie­der zu sich. Erneut wird er geschla­gen und mit einem Gewehr­kol­ben trak­tiert. Wie­der ver­liert Herr Fazel­pur das Bewusst­sein. Als er auf­wacht, hängt er kopf­über an einem Baum. Es gelingt ihm, sich am Seil hoch­zu­zie­hen und von den Fes­seln zu befrei­en. Zu Fuß schafft er es bis zur Haupt­stra­ße, von dort nimmt ihn jemand mit nach Kabul.

Der jun­ge Mann ruft sei­nen Vater an und berich­tet ihm von dem bru­ta­len Über­fall. Er erfährt, dass die Tali­ban auf der Suche nach ihm auch den Vater über­fal­len und geschla­gen haben.

»Mein Vater riet mir, nicht nach Hause zu kommen«

Eini­ge Zeit spä­ter: Ent­ge­gen dem Rat­schlag sei­nes Vaters reist Has­ma­tul­lah Fazel­pur nach Hau­se, er ver­misst sei­ne Fami­lie. Eines Abends klopft es am Hof­tor des elter­li­chen Anwe­sens. Der jun­ge Mann fragt, wer dort drau­ßen sei. Eine Stim­me beschimpft ihn als Ungläu­bi­gen und for­dert ihn auf, zu öff­nen. Herr Fazel­pur schnappt sich ein Gewehr und gibt einen Warn­schuss ab. Eine Hand­gra­na­te fliegt über das Tor, durch die Deto­na­ti­on wird Herr Fazel­pur schwer ver­letzt. Vier Mona­te lang liegt er in einem Kabu­ler Kran­ken­haus, nach der Ent­las­sung ent­schließt er sich zur Flucht.

»Die Wän­de waren vol­ler Unge­zie­fer. Uns kratz­te der gan­ze Kör­per. Nach dem Auf­wa­chen haben wir als ers­tes unse­re Läu­se entfernt.«

4 Monate Haft in Bulgarien

Über die Tür­kei erreicht Has­ma­tul­lah Fazel­pur im Okto­ber 2016 Bul­ga­ri­en und damit die Euro­päi­sche Uni­on. Er glaubt, in Sicher­heit zu sein, doch man inhaf­tiert ihn im Lyu­bi­mets Detenti­on Cen­ter, einem berüch­tig­ten Gefäng­nis, in dem Flücht­lin­ge Hun­ger, Krank­hei­ten und schlimms­ten hygie­ni­schen Zustän­den aus­ge­setzt sind. Miss­hand­lun­gen durch die Beam­ten sind an der Tages­ord­nung. PRO ASYL hat bereits 2014 über Fol­ter in die­sem Gefäng­nis berich­tet. Nach vier Mona­ten Haft kommt Herr Fazel­pur end­lich frei. Im Mai 2017 gelingt es ihm, nach Deutsch­land zu entkommen.

Rechtswidrige Abschiebung aus Deutschland nach Bulgarien

In Deutsch­land wird Herr Fazel­pur durch das Bun­des­amt für Migra­ti­on und Flücht­lin­ge (BAMF) ange­hört, eine Aner­ken­nung als Flücht­ling scheint zunächst mög­lich. Doch dann wird sein Asyl­an­trag im Rah­men der Dub­lin-Ver­ord­nung als »unzu­läs­sig« abge­lehnt – dies bedeu­tet, dass er zurück in das EU-Land sei­ner Ein­rei­se muss. Er reicht Kla­ge gegen die­se Ent­schei­dung ein, trotz­dem wird er am 14. Sep­tem­ber 2017 rechts­wid­rig nach Bul­ga­ri­en abgeschoben.

Kettenabschiebung nach Afghanistan

In Bul­ga­ri­en ange­kom­men wird Herr Fazel­pur noch am glei­chen Tag von Beam­ten ver­prü­gelt, miss­han­delt und gezwun­gen, ver­schie­de­ne Papie­re zu unter­schrei­ben. Spä­ter stellt sich her­aus, dass eines die­ser Papie­re ein Antrag auf die frei­wil­li­ge Rück­kehr nach Afgha­ni­stan ist. Dann wird Herr Fazel­pur nach Elho­vo gebracht – auch die­ses Gefäng­nis ist seit Jah­ren bekannt für übels­te Haft­be­din­gun­gen und Über­grif­fe gegen Flüchtlinge.

Am 3. Okto­ber 2017 erfolgt von dort die Abschie­bung nach Afgha­ni­stan, obwohl das Ver­wal­tungs­ge­richt Sig­ma­rin­gen zwi­schen­zeit­lich ent­schie­den hat­te, dass Herr Fazel­pur nach Deutsch­land zurück­ge­bracht wer­den muss.

Im Juni 2018 erhält Herr Fazel­pur end­lich Schutz!

Versteck in Afghanistan & Rückkehr nach Deutschland

Nach der Ankunft in Afgha­ni­stan wird Herr Fazel­pur von sei­nem Bru­der abge­holt. Die­ser bringt ihn zu einem Freund, auf des­sen Land­grund­stück er sich ver­steckt. Bereits kurz dar­auf erfah­ren die Tali­ban, dass er zurück ist und suchen nach ihm. Gerät er in ihre Hän­de, ist ihm der Tod gewiss.

In der Zwi­schen­zeit ver­pflich­tet das Ver­wal­tungs­ge­richt Sig­ma­rin­gen das BAMF noch­mals, Herrn Fazel­pur zurück­brin­gen zu las­sen. Nach mehr­mo­na­ti­ger Lebens­ge­fahr kommt der Schutz­su­chen­de am 14. Dezem­ber 2017 wie­der in Deutsch­land an. Am 3. Febru­ar 2018 wird sein Asyl­an­trag vom BAMF wegen man­geln­der Glaub­wür­dig­keit abge­lehnt. Erneut kommt der Fall vor das Ver­wal­tungs­ge­richt. Die­ses ent­schei­det am 21. Juni 2018, dass Herr Fazel­pur Schutz erhält.

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Wir brauchen Ihre Unterstützung!

Seit der Abschie­bung von Herrn Fazel­pur nach Bul­ga­ri­en küm­mer­te sich PRO ASYL inten­siv um sei­nen Fall. Durch das uner­müd­li­che Enga­ge­ment loka­ler Unterstützer*innen und den gemein­sa­men hart­nä­cki­gen Ein­satz wur­den am Ende die Wie­der­ein­rei­se und ein posi­ti­ves Urteil erreicht: Has­ma­tul­lah Fazel­pur ist nun end­lich in Sicher­heit. Mög­lich ist ein sol­cher Ein­satz für ver­folg­te Men­schen nur auf­grund der groß­zü­gi­gen Hil­fe unse­rer Mit­glie­der, Spen­de­rin­nen und Spen­der. Enga­gie­ren auch Sie sich zusam­men mit uns. Bit­te spen­den Sie, oder wer­den Sie Mit­glied von PRO ASYL.