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Menschen, die wir schützen müssen: Die Geschichte der Afghanin Fahima Malek und ihrer Familie
2018 haben wir tausende Beratungsgespräche geführt und konnten rund 400 Flüchtlingen mit Mitteln aus dem Rechtshilfefonds unterstützen. Zusammen mit unserem Refugee Support Aegean (RSA)-Team in Griechenland, helfen wir schutzsuchenden Menschen vor Ort. Auch der Afghanin Fahima Malek, die auf der Flucht ihre vier Kinder verlor, stehen wir zur Seite.
Didim, Westtürkei, 16. März 2018: Am frühen Morgen startet ein Flüchtlingsboot von der türkischen Küste. Ziel ist Agathonisi, eine 20 Kilometer entfernte griechische Insel. An Bord befinden sich rund 20 Menschen, darunter auch Fahima Malek und ihre Kinder.
Darab Darvish, der Neffe Fahima Maleks, wartet zur gleichen Zeit auf griechischer Seite auf die Ankunft des Bootes. Zusammen mit Mutter und Schwester ist ihm zwei Monate zuvor die Flucht über die Ägäis gelungen.
Nun steht er in ständigem Kontakt mit seiner Schwester Freshta, einer jungen Rechtsanwältin, die sich neben zwei weiteren Geschwistern und dem Vater ebenfalls an Bord des Flüchtlingsbootes Richtung Agathonisi befindet. Kurz vor dem Ziel telefoniert Freshta voller Panik mit Darab: »Das Schiff sinkt!« Es gelingt ihr noch, die Koordinaten durchzugeben.
16 Flüchtlinge ertrinken, darunter neun Kinder.
Darab Darvish informiert sofort die griechische Polizei und die Küstenwache. Immer wieder, insgesamt elf Mal an diesem Tag ruft der verzweifelte Mann dort an. Trotzdem trifft die Küstenwache nicht am Unglücksort ein. 16 Flüchtlinge ertrinken, darunter neun Kinder. Unter den einzigen drei Überlebenden befindet sich Fahima Malek.
Welches Schiff war in der Nähe ohne einzugreifen?
Im Krankenhaus berichtet Fahima Malek, dass sich stundenlang ein Schiff in Sichtweite des Unglücksortes befunden habe. »Wir trugen alle Schwimmwesten. Wir versuchten nahe beieinander zu bleiben. Etwas später tauchte ein Schiff auf, das von der Insel aus in unsere Richtung fuhr. Wir begannen um Hilfe zu rufen. Mein Sohn begann laut zu pfeifen und mein Neffe versuchte das Schiff zu erreichen. Doch die Wellen trugen uns weiter weg. Wir realisierten, dass wir nicht gerettet würden. Mit den Stunden, die vergingen, konnten sich immer mehr von uns nicht mehr über Wasser halten, einer nach dem anderen sank und tauchte nicht mehr an der Wasseroberfläche auf.«
»Mein Sohn begann laut zu pfeifen und mein Neffe versuchte das Schiff zu erreichen. Doch die Wellen trugen uns weiter weg. Wir realisierten, dass wir nicht gerettet würden.«
Fahima Malek sieht ihre vier Kinder ertrinken, ohne ihnen auch nur irgendwie helfen zu können. Darab Darvish verliert neben Freshta zwei weitere Geschwister und den Vater.
Warum half die Küstenwache nicht?
Die Geschehnisse rund um den Einsatz der Küstenwache sind bis heute nicht geklärt. Erst 24 Stunden nach dem ersten Notruf Darab Darvishs, als Fahima Malek und zwei weitere Überlebende bereits auf Agathonisi gestrandet sind, rücken 13 Schiffe, zwei Helikopter und ein Flugzeug aus – sie können nur noch die Toten bergen.
»Der Spiegel« berichtet, dass sich der griechische Minister für Schifffahrt und Inseln bei der Küstenwache erkundigte, ob es einen Notruf gegeben habe. Die Antwort der Küstenwache lautete: Ja. Man habe daraufhin mehrfach versucht, den Anrufer zurückzurufen, aber niemanden erreicht. Im Folgenden zitieren wir original: »Dem Spiegel liegen jedoch Belege vor, dass der Angehörige der in Seenot Geratenen am Freitag mehrfach mit den zuständigen Stellen von Polizei und Küstenwache in Kontakt war, vom frühen Morgen bis mindestens zum Mittag. Danach ging er nach eigener Aussage bis zum Abend mehrfach zu verschiedenen Polizeiposten und bat darum, nach seiner Familie zu suchen.«
Was konnte PRO ASYL für die verzweifelten Überlebenden tun?
Ein Cousin Darab Darvishs ruft bei der Beratungshotline von PRO ASYL in Deutschland an und berichtet von der Katastrophe. Wir informieren RSA (Refugee Support Aegean), unser Team in der Ägäis, das sich sofort auf den Weg macht, um den Überlebenden und ihren Angehörigen zur Seite zu stehen. Wir sichern die Soforthilfe, kümmern uns um die ärztliche Versorgung, informieren die Behörden und sorgen für rechtlichen Beistand. Die Überlebenden und Angehörigen haben außerdem Klage wegen unterlassener Hilfeleistung gegen die griechische Küstenwache eingelegt und werden dabei von RSA vertreten. Sie wollen wissen, wer für den Tod ihrer acht Familienmitglieder verantwortlich ist.
Ein Cousin Darab Darvishs ruft bei der Beratungshotline von PRO ASYL in Deutschland an und berichtet von der Katastrophe. Wir informieren unser Team in der Ägäis, das sich sofort auf den Weg macht, um den Überlebenden und ihren Angehörigen zur Seite zu stehen.
Der größte Wunsch der schwer traumatisierten Familie ist es, nach Deutschland weiterreisen zu können, wo mehrere Geschwister seit langem leben. Während des zermürbenden Verfahrens werden die Schutzsuchenden weiterhin von unserem Team betreut.
Update: Mittlerweile sind Fahima Malek und ihre Angehörigen endlich in Deutschland angekommen. Bereits im August hatten wir diese Zusage erreicht, bis zur Einreise hat es aber noch viele weitere Monate gedauert.