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6. Mai 2015: Mazedonierinnen und Mazedonier demonstrieren in Skopje gegen Polizeigewalt. Protokolle von abgehörten Telefonaten der Regierung zeigten jüngst, wie die Behörden versuchten, den Tod eines 22 jährigen Demonstranten zu vertuschen, der 2011 durch Polizeigewalt starb. Foto: flickr / Mite Kuzevski

Die derzeitigen bewaffneten Auseinandersetzungen in Mazedonien führen vor Augen, wie wenig die Einstufung des Landes als „sicheres Herkunftsland“ mit der Realität zu tun hat. Schon vor der aktuellen Eskalation ließ die Menschenrechtslage in dem Balkanstaat keine solche Einstufung zu.

Min­des­tens 22 Men­schen star­ben bis­lang im Kon­flikt zwi­schen staat­li­chen Sicher­heits­kräf­ten und Bewaff­ne­ten in der Regi­on Kuma­no­va, in eini­gen Berich­ten ist von fast 40 Toten die Rede.

Unge­ach­tet der Fra­ge, wer für die bewaff­ne­ten Aus­ein­an­der­set­zun­gen in der Regi­on Kuma­no­vo ver­ant­wort­lich ist, steht fest, dass die Bun­des­re­gie­rung hat bei der Bestim­mung Maze­do­ni­ens zum „siche­ren Her­kunfts­staat“ im Sin­ne des deut­schen Asyl­rechts die Rea­li­tät ver­bo­gen, die Fak­ten igno­riert und ver­fas­sungs­recht­li­che Grund­sät­ze außer Acht gelas­sen hat.

In einem Gut­ach­ten für PRO ASYL wies der Asyl­rechts­exper­te Dr. Rein­hard Marx bereits 2014 dar­auf hin, dass den Gesetz­ge­ber eine beson­de­re Sorg­falts­pflicht tref­fe, wenn er ehe­mals dik­ta­to­risch oder tota­li­tär regier­te Staa­ten zu siche­ren Her­kunfts­staa­ten bestim­men wolle.

An der Behand­lung von Min­der­hei­ten in die­sen Staa­ten, so auch in Maze­do­ni­en, zei­ge sich, so Rein­hard Marx , wie fra­gil gesell­schaft­li­che und staat­li­che Struk­tu­ren auf der einen Sei­te sei­en und wie lang­le­big über­kom­me­ne und von Sei­ten füh­ren­der Ver­tre­ter von Gesell­schaft und Staat instru­men­ta­li­sier­te Hal­tun­gen von Into­le­ranz und Hass fortwirken.

Den aktu­el­len bewaff­ne­ten Aus­ein­an­der­set­zun­gen in Maze­do­ni­en geht eine  fast seit einem Jahr anhal­ten­de poli­ti­sche Dau­er­kri­se ein­her: Oppo­si­tio­nel­le demons­trie­ren immer wie­der gegen Poli­zei­ge­walt und für den Rück­tritt der Regie­rung Gruev­ski, die einen Skan­dal um abge­hör­te Tele­fon­ge­sprä­che von Regie­rungs­krei­sen aus­zu­sit­zen versucht.

Auch gewalt­tä­ti­ge Aus­ein­an­der­set­zun­gen zwi­schen der maze­do­ni­schen Mehr­heits­be­völ­ke­rung und eth­ni­schen Alba­nern hat­te es bereits in den Jah­ren 2012 und 2013 gege­ben, ohne wirk­sa­me Kon­se­quen­zen von Sei­ten der Regie­rung. Ledig­lich 14 von einer Viel­zahl von Hass­ver­bre­chen wur­den in die­sem Zusam­men­hang gericht­lich ver­folgt. Die meis­ten Straf­tä­ter erhiel­ten kur­ze Frei­heits­stra­fen und wur­den auf Bewäh­rung entlassen.

Ange­sichts der aktu­el­len Eska­la­ti­on muss die Bun­des­re­gie­rung ihre rea­li­täts­frem­de Ein­stu­fung Maze­do­ni­ens als „siche­res Her­kunfts­land“ zurücknehmen.

Aus­ge­wähl­te Medi­en­be­rich­te zur Situa­ti­on in Mazedonien:

Der Stan­dard: „Maze­do­ni­en: Abhör­ak­ti­on zeigt immer neue Kor­rup­ti­on“ (1. März)

Der Stan­dard: „Maze­do­ni­en: »Das ist Wahn­sin­nig. Wir sind Geis­tes­kran­ke«“ (8. März)

Der Stan­dard: „Maze­do­ni­ens Pre­mier nutz­te Blan­ko­rück­trit­te als Druck­mit­tel“ (23. März)

Der Stan­dard: „Ter­ror­an­griff auf Poli­zei­sta­ti­on in Maze­do­ni­en“ (21. April)

Der Stan­dard: „Maze­do­ni­en: Demos und Gewalt“  (7. Mai)

Die Welt: „Labils­tes Land Euro­pas vor einem neu­en Krieg“ (10.Mai)

Der Stan­dard: „Gewalt in Maze­do­ni­en: Schre­cken im Vier­tel der Tap­fer­keit“ (10. Mai)

Die Pres­se: „Maze­do­ni­en tau­melt in den Bür­ger­krieg“ (11.Mai)

Deut­sche Wel­le: „Alt­mann: „Maze­do­ni­en am Ran­de der völ­li­gen Destabilisierung““(11.Mai)

Süd­deut­sche: Kämp­fe erschüt­tern Maze­do­ni­en – Nato beun­ru­higt (11. Mai)

Im „siche­ren Her­kunfts­land“ Maze­do­ni­en droht ein Bür­ger­krieg (22.05.15)

Flücht­lin­ge in Maze­do­ni­en: Über­füll­tes Haft­la­ger, feh­len­de Ver­sor­gung (19.03.15)

Schar­fe Kri­tik an Gesetz­ent­wurf zu Blei­be­recht und Auf­ent­halts­be­en­di­gung (05.03.15)

„Siche­re Her­kunftstaa­ten“: Deal auf Kos­ten der Roma-Flücht­lin­ge im Kabi­nett beschlos­sen (30.10.14)