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Maghrebstaaten sind keine sicheren Herkunftsstaaten!
Der Bundestag hat ein Gesetz zur Bestimmung von Algerien, Marokko und Tunesien als sichere Herkunftsstaaten beschlossen. Staaten, in denen gefoltert wird, demokratische Grundrechte missachtet und die Menschenrechte verletzt werden, können jedoch keine sicheren Herkunftsstaaten sein! Das sollte auch der Bundesrat beachten, der noch zustimmen muss.
Die Einstufung sicherer Herkunftsstaaten dient ausschließlich politischem Kalkül: Wie zuvor bei den Balkan-Staaten wirft die Bundesregierung auch diesmal alle Bedenken zur Situation von Menschenrechten in den Herkunftsländern über Bord. Doch staatliche Repression, Folter und die Verfolgung von Minderheiten sind asylrelevante Tatsachen, die nicht aus politischem Opportunismus bagatellisiert werden dürfen. PRO ASYL hat hierzu eine umfangreiche Stellungnahme verfasst. Auch andere Organisationen haben auf die erheblichen Menschenrechtsverletzungen in den Maghreb-Staaten hingewiesen.
„Das Gesetz zur Einstufung von Marokko, Algerien und Tunesien als sicher“ widerspricht den Leitlinien, die das Bundesverfassungsgericht zum Konzept sicherer Herkunftsstaaten festgelegt hat. Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichts heißt es: „Das Konzept sicherer Herkunftsstaaten gerät indes schon ins Wanken, wenn ein Staat bei genereller Betrachtung überhaupt zu politischer Verfolgung greift, sei diese auch (zur Zeit) auf eine oder einige Personen- oder Bevölkerungsgruppen begrenzt. Tut er dies, erscheint auch für die übrige Bevölkerung nicht mehr generell gewährleistet, dass sie nicht auch Opfer asylrechtlich erheblicher Maßnahmen wird.“
Der Gesetzgeber muss also gemäß den Leitlinien des Verfassungsgerichts die Rechtslage, die Rechtsanwendung und die allgemeinen politischen Verhältnisse in den betreffenden Staaten untersuchen. Dass es im Falle von Marokko, Algerien und Tunesien keine rechtliche Grundlage zu ihrer Einstufung als sicher gibt, zeigte bereits die Anhörung im Innenausschuss des Bundestags im April. Der Bericht von Amnesty International (AI) zur prekären Menschenrechtslage in den Maghreb-Staaten und der Einwand des Frankfurter Rechtsanwalts Reinhard Marx, dass keines der drei Herkunftsländer die Voraussetzungen des Verfassungs- und Unionsrechts, um als »sicher« bestimmt zu werden, sind nicht von der Hand zu weisen.
Für Schutzsuchende aus diesen Ländern hat das Gesetz fatale Folgen. Die Einstufung als sicherer Herkunftsstaat hat zur Folge, dass in den Asylverfahren die Fluchtgründe praktisch nicht mehr ermittelt werden. Der Kern des Asylverfahrens ist jedoch die individuelle Prüfung des Antrags auf Schutz. Dass Marokko, Tunesien und Algerien nicht sicher sind, belegen zahlreiche Berichte von Menschenrechtsorganisationen wie AI oder Human Rights Watch.
zur menschenrechtslage in den maghrebstaaten
Marokko
Marokko ist ein kein demokratischer Staat. Die Behörden schränken das Recht auf freie Meinungsäußerung sowie die Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit massiv ein. Das US Departement of State hat zudem Folterfälle in Marokko festgestellt und kritisiert die Korruption in allen Regierungsbereichen und das Fehlen von Rechtsstaatlichkeit. Frauen sind durch die Gesetze nur unzureichend vor sexueller Gewalt geschützt und Homosexualität kann mit bis zu drei Jahren Haft bestraft werden. Allein der Westsahara ‐ Konflikt reicht aus, um Marokko nicht als sicheren Herkunftsstaat einzustufen: Marokko hat seit 1975 große Teile der Westsahara annektiert und geht massiv gegen sahrauische Aktivisten vor.
Tunesien
Bezogen auf Tunesien reichen die Ausführungen der Bundesregierung selbst zur Menschenrechtslage schon aus, um zu verdeutlichen, dass Tunesien kein „sicherer Herkunftsstaat“ ist. Der Gesetzentwurf selbst bestätigt, dass es zu extralegalen Tötungen in Haft sowie zu Folterfällen gekommen ist und dass eine Bestrafung von homosexuellen Handlungen praktiziert wird, die flüchtlingsrechtlich nicht anders als Verfolgung einzustufen ist. Schon der Gesetzentwurf selbst macht also deutlich, warum sich die Einstufung von Tunesien als sicherer Herkunftsstaat nicht rechtfertigen lässt.
Algerien
Die Menschenrechtslage in Algerien entspricht nicht den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts an einen sicheren Herkunftsstaat. So ist die Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit nicht gewährleistet und die Meinungs- und Pressefreiheit beschränkt. Weitere Menschenrechtsdefizite sind die weitreichende Korruption, die Bedingungen in Gefängnissen und die Misshandlungen von Inhaftierten, Gewalt gegenüber und Diskriminierung von Frauen und die Einschränkung von Arbeitnehmerrechten. Auch kommt es bei der Terrorismusbekämpfung zu Folterfällen.