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Letzte Chance Bundesrat: Vermittlungsausschuss anrufen!
Morgen findet im Bundesrat die Anhörung des umstrittenen Gesetzespakets statt. Die letzte Chance, die drakonischen Verschärfungen noch zu verhindern, ist eine Anrufung des Vermittlungsausschusses. Sowohl das öffentlich beachtete Geordnete-Rückkehr-Gesetz, als auch das Asylbewerberleistungsgesetz und das neue Duldungsgesetz sind inakzeptabel.
UPDATE: Der Bundesrat hat alle Gesetze durchgewunken.
Die Ausschüsse des Bundesrates haben sich bereits kritisch zu dem Hau-ab-Gesetz, dem Dritten Gesetz zur Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG) und dem Gesetz über Duldung bei Ausbildung und Beschäftigung geäußert. Aber es ist zu befürchten, dass SPD- und Unionsregierte Länder sich scheuen werden, die Länderinteressen zu vertreten. Aber: Die Treue zur GroKo darf nicht über den Länderinteressen und dem Rechtstaat stehen. Am Freitag müssen die Bundesländer Rückgrat zeigen und den Vermittlungsausschuss anrufen.
Jetzt ist es an den grün- und linksmitregierten Bundesländern, dieser drastischen Mittelkürzung nicht zuzustimmen, sondern den Gesetzentwurf abzulehnen oder sich zumindest zu enthalten. Bei der Abstimmung über das AsylbLG zählen Enthaltungen faktisch als Nein-Stimmen. So könnte erst einmal verhindert werden, dass das Gesetz in Kraft tritt.
»Länder und Kommunen werden für die Abschreckungs- und Desintegrationspolitik der Bundesregierung einen hohen Preis zahlen.«
Zum Asylbewerberleistungsgesetz
Beim Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) drohen massive Kürzungen aufgrund der Definition von zufällig zusammengewürfelten Menschen als »Schicksalsgemeinschaft«. Die Situation in vielen Gemeinschaftsunterkünften ist bereits jetzt erheblich angespannt. Integration wird durch die Isolierung in Großunterkünftigen behindert. Es ist absehbar, dass die weitere Stigmatisierung durch erhebliche Mittelkürzungen zu weiterer Frustration in einer ohnehin angespannten Situation führen wird.
Abwegige Begründungen sollen Leistungskürzungen rechtfertigen
Erwachsene Leistungsberechtigte, die in Aufnahmeeinrichtungen oder Gemeinschaftsunterkünften untergebracht sind, sollen nur noch Leistungen der Regelbedarfsstufe 2 erhalten. Dies bedeutet eine Leistungskürzung um 10 Prozent (34 Euro) gegenüber der bisher geltenden Regelsatzstufe 1. Gerechtfertigt wird dies laut Gesetzesbegründung mit vermeintlichen »Einspareffekten«, die denen in Paarhaushalten vergleichbar seien. Aufgrund eines zu erwartenden »gemeinsamen Wirtschaftens«. Die Leistungsberechtigten bildeten »der Sache nach eine Schicksalsgemeinschaft«, es könne daher von einer entsprechenden »Solidarisierung in der Gemeinschaftsunterbringung« ausgegangen werden.
Diese Begründung ist schlicht abwegig. In einer Partnerschaft oder Familie als »Einstandsgemeinschaft« kann man möglicherweise ein gemeinsames Wirtschaften annehmen, nicht aber in einer Gemeinschaftsunterkunft. Es handelt sich nämlich nicht um ein frei gewähltes Zusammenleben, sondern um eine Zwangsgemeinschaft, in der ein gemeinsames Wirtschaften nicht zu erwarten ist.
Aus gutem Grund hat der Gesetzgeber etwa Leistungsberechtigte nach dem SGB II, die in einer Wohngemeinschaft leben, nicht der Regelbedarfsstufe 2, sondern der Regelbedarfsstufe 1 zugeordnet – er erwartet in diesem (frei gewählten) Zusammenleben also kein gemeinsames Wirtschaften.
Zum Geordnete-Rückkehr-Gesetz
PRO ASYL stimmt der Einschätzung der Ausschüsse des Bundesrates zu, dass das Hau-Ab-Gesetz zu Unrecht vom Bundestag als nicht zustimmungspflichtig eingestuft wurde. Dies bedeutet, dass die Mehrheit der Länder aktiv den Vermittlungsausschuss anrufen muss. Im Gegensatz zur Abstimmung beim AsylbLG wird mit einer Enthaltung die Wahrscheinlichkeit steigen, dass das Gesetz in der jetzigen Fassung in Kraft tritt.
Hier werden Menschen in die Abhängigkeit von staatlichen Leistungen getrieben
Nach den Empfehlungen der Fachausschüsse der Bundesländer wird das »Hau-Ab«-Gesetz zu Mehrkosten führen und ist deshalb zustimmungspflichtig. Allein die baulichen Maßnahmen für die ca. 3.000 Gemeinschaftseinrichtungen in kommunaler Trägerschaft werden allein in NRW zu einer geschätzten Investitionssumme von 150 Millionen Euro führen (Bundesratsdrucksache 275/1/19, Seite 3). Die Folgekosten der Ausweitung der Zwangsisolierung in der Erstaufnahme und der Zwang, Sachleistungen zu zahlen wird zu einer Steigerung von 31,43 Euro auf 47,51 Euro bei Unterbringung in der Erstaufnahme führen (Bundesratsdrucksache 275/1/19, Seite 7). Dies ist eine Steigerung um rund 50 Prozent. Die Ausweitung der Zwangsunterbringung in der Erstaufnahme von 6 auf 18 Monate und länger bringt weitere enorme Folgekosten für die Länder mit sich: Die Kosten des menschlichen Leids, der Tatsache, dass Existenzen psychisch zerstört werden und die Integration in Ausbildung und Arbeit verhindert wird, sind enorm und nicht eingerechnet. Hier werden Menschen in die Abhängigkeit von staatlichen Leistungen getrieben.
Das Gesetz ist zudem rechtswidrig, da die geplante Vermischung von Strafhaft und Abschiebungshaft die Menschenwürde verletzt und klar dem Europarecht zuwiderläuft. Der Rechtsausschuss des Bundesrates hat prägnant die Rechtswidrigkeit des Gesetzes dargelegt (Bundesratsdrucksache 275/1/19, Seite 4 f). Extrem problematisch ist außerdem die neue Möglichkeit, ausreisepflichtige Personen schon 30 Tage nach Ablauf ihrer Ausreisefrist ins Ausreisegewahrsam zu nehmen – unabhängig davon, ob es Anzeichen dafür gibt, untertauchen zu wollen. Gleichzeitig soll im Rahmen der Abschiebung den Behörden ermöglicht werden, ohne richterlichen Beschluss die Wohnung der Betroffenen zu betreten und diese zum Flughafen zu bringen.