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Humanitäre Krise in Griechenland: Flüchtlingsaufnahme jetzt!

Deutschland will den Deal mit Erdogan um jeden menschlichen Preis in der Ägäis durchsetzen. Vor allem deshalb sitzen zehntausende Flüchtlinge unter unerträglichen Bedingungen dort fest. Die Familienzusammenführung im Rahmen der Dublin-Verordnung wird hierzulande derweil oft blockiert.
PRO ASYL und seine griechische Projektpartner*innen Refugee Support Aegean (RSA) sehen eine Mitverantwortung Deutschlands für die katastrophale Situation auf den griechischen Ägäis-Inseln und fordern die Aufnahme Geflüchteter nach Deutschland.
Im fünften Jahr des EU-Türkei-Deals harren Zehntausende unter menschenunwürdigen Bedingungen auf den griechischen Inseln aus. Die Kapazitäten sind bei weitem erschöpft; die Gesundheitsversorgung ist desolat. Ein Drittel (33%) der derzeit rund 41.000 Geflüchteten auf den Inseln sind Kinder und Jugendliche. Knapp 15% sind komplett auf sich allein gestellt. Viele von ihnen leben schutzlos, sind Gewalt ausgesetzt und leiden psychisch unter den desolaten Bedingungen. Diese Situation verletzt in einem massiven, teils lebensbedrohlichen Ausmaß die Rechte der Kinder und Jugendlichen.
Die zügige kindergerechte Unterbringung und Versorgung auf dem Festland muss endlich Priorität haben.
Rund zwanzig zivilgesellschaftliche Organisationen haben sich diesbezüglich in einem offenen Brief an den griechischen Premierminister gewendet – PRO ASYL und RSA schließen sich dem Brief an. Die zügige kindergerechte Unterbringung und Versorgung auf dem Festland muss endlich Priorität haben.
Proteste gegen geschlossene Haftlager
Mit den bereits im November 2019 bekannt gewordenen Plänen zu Errichtung geschlossener Haftlager antwortet die griechische Regierung mit einer Verschärfung der Lage auf die humanitäre Not. Eine Ausweitung der rechtswidrigen Abschiebungen aus diesen Haftlagern heraus in die Türkei wird vorbereitet.
Auf Samos, Lesvos und Chios wurden Generalstreiks ausgerufen.
Auf den ägäischen Inseln Griechenlands formiert sich ein breiter Protest der Bewohner*innen gegen die Pläne, die europäischen Hotspots auf den Inseln in gänzlich geschlossene Haftanlagen umzuwandeln. Angesichts der katastrophalen Umstände fordern sie die Auflösung der Lager und die Evakuierung aufs Festland. Auf Samos, Lesvos und Chios wurden Generalstreiks ausgerufen. Gegen den Protest geht Athen hart vor.
Hotspots auflösen, Inseln evakuieren
RSA und PRO ASYL unterstützen die Proteste und fordern die griechische Regierung auf, die Pläne zur Inhaftierung tausender Schutzsuchender zu verwerfen. Angesichts des Notstandes ist ein groß angelegtes Aufnahmeprogramm aus Griechenland notwendig: Die Hotspots müssen geräumt werden, Schutzsuchende auf das griechische Festland gebracht werden. Dort müssen sie menschenwürdig untergebracht und schnellstmöglich in andere EU-Mitgliedstaaten überstellt werden.
Deutschland verhindert Familienzusammenführungen
Seit 2018 lehnt das BAMF Dublin-Übernahmeersuche aus Griechenland massiv ab. Knapp 1.700 solcher Ersuche aus Griechenland standen 2019 fast 1.400 Ablehnungen des BAMF gegenüber. Ein ähnliches Bild in 2018: Von 2.139 Übernahmeersuchen an Deutschland – 90% davon aufgrund familiärer Bindungen – wurden rund 1.500 abgelehnt. Dies waren also fast 3.000 Ablehnungen in zwei Jahren.
Es geht überwiegend um Menschen, die in den Elendslagern auf den Inseln festsitzen – und die aufgrund von engen Familienangehörigen einen Rechtsanspruch auf ein Asylverfahren in Deutschland hätten
Insbesondere problematisch: Es geht überwiegend um Menschen, die in den Elendslagern auf den Inseln festsitzen – und die aufgrund von engen Familienangehörigen einen Rechtsanspruch auf ein Asylverfahren in Deutschland hätten. Die überwältigende Mehrheit der Übernahmeersuche aus Griechenland ist auf die Zusammenführung von Familienangehörigen zurückzuführen, 2019 waren dies 86% aller Ersuche, 2018 sogar 90%.
Häufig versäumen griechische Behörden in der Praxis Fristen und stellen die Übernahmegesuche zu spät. Das BAMF stellt in diese Fällen die Einhaltung von Fristen regelmäßig höher als die Einheit von Familien. Dauerhafte Trennungen sind die Folge. Spätestens jetzt muss die lange überfällige, schnelle und unbürokratische Familienzusammenführung von Schutzsuchenden in Griechenland mit ihren Verwandten in Deutschland umgesetzt werden.