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Die Lebensbedingungen in ihren Herkunftsländern sind für viele Abgeschobene katastrophal - ein Bild aus dem mazedonischen Sutka zeigt die Zustände, unter denen vor allem Roma leiden müssen. Foto: Allegra Schneider

In den letzten Wochen hat eine Abschiebungswelle gegen Flüchtlinge aus Balkanstaaten eingesetzt. Es trifft nicht nur solche, die im Lauf der letzten Monate eingereist sind und abgelehnt wurden, die Chartermaschinen werden auch mit langjährig Geduldeten gefüllt. Neuerdings verstärkt auch ohne vorherige Ankündigung des Abschiebungstermins.

Die Berich­te über Mas­sen­ab­schie­bun­gen von Flücht­lin­gen aus den Bal­kan­staa­ten meh­ren sich – unge­ach­tet des bevor­ste­hen­den Win­ters, der für vie­le der Abge­scho­be­nen auf­grund der Zustän­de in den Län­dern nun sehr hart wird. Nicht umsonst gab es in den ver­gan­ge­nen Jah­ren in eini­gen Bun­des­län­dern einen Win­ter­ab­schie­be­stopp. Nicht so die­ses Jahr, wie eini­ge Bei­spie­le zeigen:

„Als der Refe­rent plötz­lich fehlte“

Der Maze­do­ni­er Robert A. soll­te am 10. Dezem­ber im Auf­trag der Stadt Len­dringsen (NRW) in einer Real­schu­le refe­rie­ren. Der Titel des Vor­trags: „Respect the dif­fe­rence“. Wie „Der Wes­ten“ berich­tet, erschien er jedoch nicht, auf Anruf erklär­te er den War­ten­den, dass er gera­de mit sei­ner Fami­lie vom Flug­ha­fen Düs­sel­dorf aus abge­scho­ben werde.

Im Rah­men von gemein­nüt­zi­ger Tätig­keit war der Maze­do­ni­er bis­lang als Vor­ar­bei­ter im Bereich Jugend­bil­dung für die Stadt Men­den tätig – er wol­le etwas zurück­ge­ben, da er und sei­ne Fami­lie hier end­lich Sicher­heit gefun­den hät­ten, sag­te Robert A. Immer wie­der berich­te­te er inter­es­sier­ten Schü­lern über sei­ne Flucht und die schwie­ri­gen Lebens­um­stän­de für ihn und sei­ne Fami­lie als Roma in Maze­do­ni­en. Leh­rer, Jugend­ar­bei­ter und Schü­ler erleb­ten das Ende der bis dato erfolg­rei­chen Inte­gra­ti­ons­ge­schich­te jetzt sozu­sa­gen live mit.

Abho­lung bei Nacht und Nebel

Auch im rot-rot-grün regier­ten Thü­rin­gen gibt es gro­ße Abschie­be­ak­tio­nen, z.B. nach Maze­do­ni­en und Ser­bi­en, mit der immer glei­chen Metho­de: Nächt­li­che, koor­di­nier­te Abho­lung der Men­schen aus ihren Woh­nun­gen – eine Vor­ge­hens­wei­se, die de fac­to kaum noch irgend­ei­ne Mög­lich­keit des Ein­grei­fens recht­li­cher Art lässt. Der Thü­rin­ger Flücht­lings­rat erin­nert dar­an, dass die Lan­des­re­gie­rung mit gro­ßen Zie­len in der Flücht­lings­po­li­tik ange­tre­ten sei – Abschie­bun­gen aller­dings „sind kein Mit­tel einer huma­ni­tä­ren Flücht­lings­po­li­tik“ so Ellen Kön­ne­ker vom Flücht­lings­rat Thüringen.

Abschie­bung auch von in Deutsch­land auf­ge­wach­se­nen Kindern

Am 16.12.2015 wur­den in Nie­der­sach­sen 125 Men­schen in den Koso­vo abge­scho­ben. Der Nie­der­säch­si­sche Flücht­lings­rat kri­ti­siert die Vor­ge­hens­wei­se und weist ins­be­son­de­re auf die vie­len abge­scho­be­nen Kin­der hin: Es ver­bie­te sich grund­sätz­lich, „Flücht­lings­kin­der abzu­schie­ben, die hier bei uns auf­ge­wach­sen sind und den Koso­vo nur vom Hören­sa­gen kennen.“

„Momen­tan wirst du in die­sem Land jeden Tag aufs Neue getötet“

Die Zustän­de in den West­bal­kan­staa­ten sind trotz der Ein­stu­fung als „siche­re Her­kunfts­län­der“ unver­än­dert. Es gibt etli­che Berich­te über die Situation:

Unter dem Titel „Rück­kehr in die Per­spek­tiv­lo­sig­keit“ berich­tet die Tages­schau über die Lage der Rück­keh­rer in den Koso­vo. Sie wird vor allem durch ein Zitat beson­ders deut­lich: „Als hier Krieg im Koso­vo war, bin ich nicht weg­ge­lau­fen. Ich wuss­te, dass ich getö­tet wer­den kann und dann ist es eben vor­bei. Aber momen­tan wirst Du in die­sem Land jeden Tag aufs Neue getö­tet. Das tut noch viel mehr weh.“

Rück­kehr in Armut, Dis­kri­mi­nie­rung, Perspektivlosigkeit

Ähn­lich ist die Situa­ti­on für die ARück­keh­rer in Ser­bi­en, dort sind es vor allem Roma, die vor den Zustän­den flie­hen und nun häu­fig wie­der ohne fai­re Ein­zel­fall­prü­fung ihres Asyl­ge­su­ches in das Land abge­scho­ben wer­den. In einer Repor­ta­ge der Deut­schen Wel­le mit dem Titel „No way out for depor­ted Bal­kan-Roma“ wird das Haupt­pro­blem deut­lich: Roma wer­den dort in jedem wesent­li­chen Aspekt ihres Lebens dis­kri­mi­niert – von der Erzie­hung über den Arbeits­markt bis zum Gesund­heits­sys­tem, von der Geburt bis zum Tode.

Was Chan­cen­lo­sig­keit und Aus­gren­zung wirk­lich bedeuten

Unter die Haut geht auch die Publi­ka­ti­on „Abge­scho­be­ne Roma in Maze­do­ni­en“, die eine inter­na­tio­na­le Recher­che­grup­pe bestehend aus deut­schen und fran­zö­si­schen Anwäl­tIn­nen, Jour­na­lis­tIn­nen, Akti­vis­tIn­nen und einer Ärz­tin aus Maze­do­ni­en ver­öf­fent­licht hat. Dort wird deut­lich gemacht, wie es den Men­schen nach einer Abschie­bung geht, was Chan­cen­lo­sig­keit, Dis­kri­mi­nie­rung, Aus­gren­zung aus Gesund­heit- und Sozi­al­sys­tem wirk­lich bedeuten.

Auch das groß­an­ge­leg­te Pro­gramm der Euro­päi­schen Uni­on hat nichts an den Zustän­den geän­dert: „Wir leben nach wie vor ohne Was­ser, ohne Strom und ohne Kana­li­sa­ti­on in unse­ren impro­vi­sier­ten Hüt­ten. In einem klei­nen Zim­mer müs­sen mehr als fünf Per­so­nen woh­nen – inmit­ten von Müll und Schlamm. Wir sind dar­an nicht schuld, wir möch­ten auch nicht so leben. Aber ohne Arbeit ver­die­nen wir kein Geld“, berich­tet ein Rom in der Broschüre.

Pau­schal­ab­leh­nun­gen & Mas­sen­ab­schie­bun­gen blen­den reel­le Situa­ti­on aus

Asyl­an­trä­ge von Schutz­su­chen­den aus die­sen Staa­ten dür­fen nicht pau­schal als „offen­sicht­lich unbe­grün­det“ abge­lehnt wer­den, wie dies in der Pra­xis aktu­ell geschieht. Min­der­hei­ten lei­den dort bei­spiels­wei­se unter mas­si­ver und insti­tu­tio­na­li­sier­ter Dis­kri­mi­nie­rung – aus­führ­lich wird die gene­rel­le Lage in den Län­dern in unse­ren  Rechts­gut­ach­ten zu Ser­bi­en, Maze­do­ni­en und Bos­ni­en sowie zu Alba­ni­en und Mon­te­ne­gro dar­ge­legt, auch zur Lebens­si­tua­ti­on im Koso­vo gibt es eine kur­ze Ana­ly­se.

Zu den Bedin­gun­gen für Min­der­hei­ten im Koso­vo hat außer­dem die „Gesell­schaft für bedroh­te Völ­ker“ einen Bericht ver­öf­fent­licht, der zum Schluss kommt dass die „struk­tu­rel­le und kumu­la­ti­ve Dis­kri­mi­nie­rung“ den Betrof­fe­nen „ein Über­le­ben im Koso­vo unmög­lich macht“ und von „zwangs­wei­sen Rück­füh­run­gen“ daher abge­se­hen wer­den müs­se.

Dass nun aus­ge­rech­net vor dem bevor­ste­hen­den Win­ter mas­sen­haft Men­schen, die teil­wei­se seit Jah­ren gedul­det in Deutsch­land leben, in unge­wis­se Zustän­de abge­scho­ben wer­den ist poli­ti­scher Aktio­nis­mus unter Aus­blen­dung der tat­säch­li­chen Situation.

Maze­do­ni­en: Von wegen „siche­res Her­kunfts­land“ (11.05.15)

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Roma in Ser­bi­en – Von wegen „siche­rer Her­kunfts­staat“ (10.12.13)