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Grundrechte-Report 2014 in Karlsruhe vorgestellt
In dem jährlich erscheinenden Bericht ziehen acht Bürger- und Menschenrechtsorganisationen eine kritische Bilanz der Verfassungswirklichkeit in Deutschland. Einer der Schwerpunkte im Berichtsjahr 2013 liegt auf dem Umgang mit Flüchtlingen, Migrantinnen und Migranten.
Anhand zahlreicher Beispiele illustrieren die Autorinnen und Autoren die zunehmende Perfektionierung der Ausgrenzung und Abschottung gegenüber Flüchtlingen. Nur eine Woche nach der Flüchtlingskatastrophe vor Lampedusa im Oktober 2013 stimmte zum Beispiel das Europäische Parlament der Einrichtung des 340 Millionen Euro teuren Grenzüberwachungssystems Eurosur zu.
Dieses soll durch effektive Überwachungstechnologien und eine stärkere Vernetzung der nationalen Grenzschutzbehörden und der europäischen Grenzagentur Frontex zur Flüchtlingsabwehr beitragen – die Seenotrettung wird in der zugrundeliegenden Verordnung nur am Rande erwähnt.
Menschen- und Flüchtlingsrechte ausgehebelt
In naher Zukunft wird darüberhinaus die Seeaußengrenzenverordnung in Kraft treten. Sie sieht vor, dass Rückschiebungen von Flüchtlingen in Drittstaaten grundsätzlich möglich sind, wenn ein Schiff auf hoher See abgefangen wird. Die Regelungen verrechtlichen und akzeptieren eine Praxis, wie sie unter der Koordination von Frontex bereits stattfand und die menschen- und flüchtlingsrechtlich hoch problematisch ist. Denn auf hoher See ist ein effektives und individuelles Verfahren zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft und von Abschiebungsverboten nicht möglich.
Kritisch beleuchtet wird in dem Bericht auch die eu-rechtswidrige Praxis der Abschiebungshaft in Deutschland, die fast überall in Deutschland in Justizvollzugsanstalten vollzogen wird. Für Flüchtlinge, für deren Asylverfahren ein anderer EU-Staat zuständig ist – durch ihre Erlebnisse im Herkunftsland oder die jahrelange Flucht psychisch belastet – und die zur Überstellung in diesen Staat inhaftiert werden, ist die bis zu 18 Monate dauernde Abschiebungshaft als besonders problematisch.
Flüchtlinge im europäischen „Orbit“ sich selbst überlassen
Kritisch beleuchtet der Grundrechtereport weiter das europäische Asylzuständigkeitssystem, das Flüchtlinge in Gefahr bringt, in aussichtslose Lebenssituationen zu geraten oder willkürlich inhaftiert zu werden – so das Ergebnis einer Studie des Jesuitenflüchtlingsdienstes. Die systemischen Mängel zeigen sich unter anderem in der Schlechterstellung von anerkannten Flüchtlingen gegenüber „Dublinern“, was angesichts der Tatsache, dass Minderjährige von der Abschiebung in vermeintlich sichere Drittstaaten bedroht sind, besonders deutlich wird. Wahllose Inhaftierungen von Flüchtlingen, die im europäischen „Orbit“ sich selbst überlassen bleiben und die Verweigerung selbst der einfachsten Unterkünfte sind eklatante Missstände in Europa.
Präsentiert wurde der Grundrechte-Report 2014 durch die frühere Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, die nach den Vorgängen um die NSA und den sogenannten NSU, ihre Sorge um den Grundrechtsschutz in Deutschland ausdrückte. Die im Zuge der NSA-Affäre bekannt gewordenen Geheimdienstaktivitäten sowie die bisherige Verweigerung jeglicher rechtspolitischer Konsequenzen und Schutzmaßnahmen durch Bundesregierung und Justiz bilden einen weiteren Schwerpunkt der aktuellen Ausgabe.
Der jährliche Report zur Lage der Bürger- und Menschenrechte in Deutschland behandelt in insgesamt 42 Beiträgen die gesamte Bandbreite von Einschränkungen der Grundrechte durch Gesetzgeber, Verwaltung und Justiz sowie durch private Unternehmen. PRO ASYL gehört zu den Herausgebern.
Pressemitteilung der Humanistischen Union
Grundrechte-Report 2014 – Zur Lage der Bürger- und Menschenrechte in Deutschland Herausgeber: T. Müller-Heidelberg, E. Steven, M. Pelzer, M. Heiming, H. Fechner, R. Gössner, U. Engelfried und S. Rotino; Preis 10,99 €; 240 Seiten; ISBN 978–3‑596–03018‑7; Fischer Taschenbuch Verlag; Juni 2014
Grundrechte-Report 2015: Grundrechte von Flüchtlingen besonders gefährdet (26.05.15)
Abschiebungshaft: Vorsätzliche Freiheitsberaubung in der JVA Preungesheim? (10.06.14)
Präsentation des Grundrechte-Reports 2013 (06.06.13)
Grundrechte-Report 2012 in Karlsruhe vorgestellt (21.05.12)