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Grundrechte-Report 2015: Grundrechte von Flüchtlingen besonders gefährdet
Wie steht es um die Bürger- und Menschenrechte in Deutschland? Das untersucht der jährlich im Fischer Taschenbuch Verlag erscheinende Grundrechtereport. Die aktuelle Ausgabe des Reports widmet sich auch der deutschen und europäischen Flüchtlingspolitik: Sie zeigt gravierende Verletzungen der Grundrechte von Schutzsuchenden auf.
Grundrechtswidrige Überwachungspraktiken, Polizeigewalt, Diskriminierung und Ausgrenzung von Minderheiten: Der Grundrechtereport stellt jedes Jahr dar, wie es in Deutschland um die verfassungsmäßig verbürgten Grund- und Menschenrechte steht. „Die Gefährdung der Verfassung geht vom Staat aus“, stellen die Herausgeberinnen und Herausgeber im Vorwort der aktuellen Auflage fest und machen damit klar, um was es geht: Um nicht weniger als einen „Verfassungsschutzbericht“ von unten.
Schutz von Ehe und Familie?
Wie in den Vorjahren geht das Buch in mehreren Beiträgen auf Grundrechtsverletzungen gegenüber Flüchtlingen ein. Nach wie vor ist zu beklagen, dass das deutsche Aufenthaltsrecht Familien auseinanderreißt: Das Recht auf Familiennachzug darf nur wahrnehmen, wenn die Angehörigen einen Deutschtest bestehen. Mit dem Schutz von Ehe und Familie ist dies nicht in Einklang zu bringen, da gerade in Herkunftsländern von Flüchtlingen Sprachkurse oftmals nicht erreichbar sind und so die geforderten Deutschkenntnisse für viele nicht erfüllbar sind. Die Familien bleiben über Jahre oder dauerhaft getrennt.
Der Schutz der Familie steht auch in einem Beitrag über das so genannte Tarakhel-Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Zentrum. Mit dieser Entscheidung wurden Abschiebungen von Familien nach Italien im Rahmen des Dublin-Verfahrens untersagt, wenn insbesondere den Kindern in Italien eine menschenrechtswidrige Behandlung droht. Der Grundrechte-Report sieht dieses erneute Eingreifen des Straßburger Gerichtes als Beleg dafür an, dass das Dublin-System zu gravierenden Menschenrechtsverletzungen an Flüchtlingen führt. Es zwing ihnen Lebensbedingungen auf, die völlig inakzeptabel sind.
Residenzpflicht und eingeschränkte Gesundheitsversorgung nach dem AsylbLg
Zwei weitere Beiträge beleuchten die diskriminierende Sonderbehandlung, der Asylsuchende in Deutschland nach wie vor ausgesetzt sind: In einem Beitrag geht es um die nach wie vor bestehende Residenzpflicht, die der Gesetzgeber im letzten Jahr nur halbherzig eingeschränkt hat. Nach wie vor kann Asylsuchenden unter Strafandrohung verboten werden, ihr Bundesland zu verlassen. Eine weitere Diskriminierung besteht in der eingeschränkten Gesundheitsversorgung, die in Einzelfällen sogar zum Tod von Menschen führte. Denn Asylsuchende müssen eine ärztliche Behandlung jeweils beim Amt beantragen und haben grundsätzlich nur einen Anspruch auf akute Schmerzbehandlung. Bürokratie und Unklarheiten bei der Kostenübernahme können im Extremfall zur Nichtbehandlung führen – im Zweifel ist dies lebensgefährlich.
Der Grundrechte-Report bericht nicht nur über Missstände, sondern auch über Erfolge beim Einsatz für die Menschenrechte. So konnte im Berichtszeitraum zwei maßgebliche Urteile (BGH und EuGH) erreicht werden, die die Praxis der Abschiebungshaft als weitgehend rechtswidrig deklarierten, so dass fast alle Inhaftierten freigelassen werden mussten. Der Vollzug in einem normalen Strafgefängnis ist mit europäischem Recht nicht vereinbar. Und in Dublin-Fällen wurde bislang ohne gesetzliche Grundlage inhaftiert – was weder mit dem EU-Recht, noch dem Grundgesetz vereinbar ist. Ein schöner Erfolg für die Grund- und Menschenrechte – wenn es auch viel zu lange gedauert hat, bis es dazu gekommen ist.
Der Grundrechte-Report kann bei PRO ASYL bestellt werden:
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