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Griechenland: Abschieben statt Aufklären
Sollte der griechische Innenminister seine Änderungsinitiative des Einwanderungsgesetzes durchsetzen, sieht es in Griechenland noch düsterer aus für die Opfer von rassistisch motivierter Polizeigewalt.
Diese ist in dem Land für Flüchtlinge, Migrantinnen oder Migranten bereits jetzt schon an der Tagesordnung. Die Erfahrungen aus den vergangenen Jahren offenbaren einen alarmierenden Grad an Schutzlosigkeit gegenüber staatlicher Gewalt in Griechenland. Jene, die sie ausüben, bleiben ungestraft.
Der Entwurf von Innenminister Giannis Michelakis (Nea Dimokratia) sieht vor: Migrantinnen und Migranten, die Beamte der Gewalt gegen sie beschuldigen, drohen Verfolgung, Inhaftierung und Abschiebung, sofern die Staatsanwaltschaft befindet, die Vorwürfe seien falsch oder unzureichend bewiesen.
Protest der Zivilgesellschaft
Anwaltsvereinigungen und Menschenrechtsorganisationen fordern den Schutz von Flüchtlingen und die Abschaffung von Michelakis‘ Entwurf des Artikels 19 des Einwanderungsgesetzes, der einen Verstoß gegen die EU-Schutzrichtline für Gewaltopfer darstellt. Auch der Menschenrechtskommissar des Europarates, Nils Muižnieks, verurteilte den Entwurf und empfahl dem griechischen Parlament ihn abzulehnen. Durch die Änderung riskierten Migrantinnen und Migranten infolge jeglicher Klage gegen rassistische oder ungesetzliche Gewalt durch Regierungsangestellte ihre Abschiebung.
Umkehr der Beweislast
Den Klägern werde die Beweislast auferlegt. Es werde ein Grund mehr geschaffen, Migrantinnen und Migranten abzuschieben, die ungesetzliche Gewalt erfahren, aber ihre Ansprüche nicht hätten begründen können. Die Änderung würde auch die Straflosigkeit fördern, weil angesichts der drohenden Strafen Verfehlungen nicht mehr gemeldet und Beamte in Missbrauchshandlungen geschützt würden. Das griechische Parlament solle stattdessen die Menschenrechte von Migrantinnen und Migranten stärken, die Opfer rassistischer und anderer rechtswidriger Gewalt würden, und einen unabhängigen Beschwerdemechanismus etablieren.
PRO ASYL wertet die umstrittene Gesetzesinitiative als „Lehre“ aus der Bootskatastrophe vor Farmakonisi, bei der zwölf Flüchtlinge auf einem Boot im Schlepptau der griechischen Küstenwache starben – aller Wahrscheinlichkeit nach während eines völkerrechtswidrigen Pushback-Versuchs. Der Vorfall hatte international Aufsehen erregt. Inzwischen hat die griechische Staatsanwaltschaft ein Verfahren eröffnet.
Online-Petition gegen die Änderung des Artikels 19
Medienberichte: heise.de; ekathimerini.org; EnetEnglish.gr
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