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Geheimnisvolles BAMF: Schutzlotterie für Afghan*innen
Im Jahr 2018 betrug die Anerkennungsquote für Afghan*innen bundesweit im Durchschnitt 52 %. In den bayerischen AnkER-Zentren Deggendorf, Manching und Zirndorf wurde Afghan*innen im Vergleich dagegen deutlich seltener Schutz zugesprochen. Ein Kommentar.
Die bundesdurchschnittliche Anerkennungsquote in Afghanistan-Fällen betrug 2018 bereinigt 52,1 %. Bereinigt heißt: unter Außerachtlassung von Fällen, in denen lediglich formal, also nicht inhaltlich über das Schutzbedürfnis mit JA oder NEIN entschieden worden ist. Geheimnisvoll seit Jahren: die unterschiedlichen Schutzquoten bei einzelnen Außenstellen des Bundesamtes.
Die bereinigte Schutzquote betrug 2018 beim BAMF Zirndorf 32,9 %, aber 85,1 % in Ingelheim/Bingen (BT-Drucksache 19/8701). Selbst wenn in Ingelheim auch die – zumindest bis zur Volljährigkeit chancenreicheren unbegleiteten Minderjährigen in größerer Zahl angehört werden, mehr als eine Teilerklärung ist das nicht, zumal es auch signifikante Unterschiede zwischen einzelnen Außenstellen ohne Sonderfunktionen gibt.
Das BAMF hat keine schlüssige Erklärung
Die Forschungsabteilung des BAMF liest, nach Erklärungen gefragt, im Kaffeesatz: Vom Mikroklima ist die Rede, von der Zusammensetzung des Personals, lokalen Interpretationen der hausinternen Leitsätze, von institutionellen Faktoren und der Rechtsprechung der zuständigen Verwaltungsgerichte. Geben dürfte es das Meiste davon eigentlich nicht. Es kann doch nicht vom Standort der BAMF-Außenstellen abhängen, wie die Chancen auf Schutzgewährung stehen!
Es kann doch nicht vom Standort der BAMF-Außenstellen abhängen, wie die Chancen auf Schutzgewährung stehen!
Oder vom Schielen auf die Entscheidungspraxis der lokalen Verwaltungsgerichte, auch wenn an den Türen manchen bayerischen Verwaltungsgerichts fairerweise die Inschrift von Dantes Inferno stehen sollte: Wenn Du hier eintrittst, lass alle Hoffnung fahren. Von einer »Asyllotterie« zu reden, wäre angesichts der Chancenungleichheit diskriminierend – für die Lotto-Annahmestellen. Auffällig ist, dass mehrere der Außenstellen mit niedrigen Schutzquoten AnkER-Zentren zugeordnet sind. Bei Eisenhüttenstadt und Chemnitz z.B. müsste das BAMF wohl über seine Personalgewinnung vor Ort nachdenken, wo das politische Mikroklima nicht ganz unproblematisch ist. Die Aussicht, Macht über Schicksale zu haben, zieht nicht immer die Besten an.
Viele Bescheide werden vor Gericht korrigiert
Insgesamt wird etwa ein Drittel der BAMF-Bescheide, gegen die vor den Verwaltungsgerichten geklagt wird, dort korrigiert. Im Falle Afghanistans liegt die Fehlerquote der Behörde bei fast 60 % (BT-Drucksache 19/8701, S. 69). Eine geheimnisvolle Diskrepanz? Oder einfach der Tatsache geschuldet, dass ein Großteil der Bescheide des BAMF zu Afghanistan besonders schlampig, textbausteinlastig und bezüglich der Fluchtgründe am Einzelschicksal desinteressiert sind? Jedenfalls inakzeptabel in Zeiten, in denen das BAMF immer wieder behauptet, ein Vier-Augen-Prinzip der hausinternen Kontrolle umgesetzt zu haben.
Wie das nicht funktionieren kann, zeigen die Kontrollvermerke in den Behördenakten. Auge Drei und Vier lesen da häufig zwar die Entscheidung gegen, nicht aber auch das Protokoll der Anhörung. Die zweite Person weiß also nicht, was dort zur Sprache gekommen ist, meint aber für die Korrektheit der Entscheidung zeichnen zu können. Das wäre etwa so, als würde der TÜV bei der Kfz-Hauptuntersuchung nur die Bremsen an einer Achse checken und durchwinken. Geht nicht? Geht doch! Beim BAMF.
Bernd Mesovic