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Foto: Jonas Bickmann / PRO ASYL

Mit dem GEAS-Anpassungsgesetz bringt die Bundesregierung eine Reihe von Verschärfungen im Asylrecht auf den Weg und schießt dabei an so mancher Stelle über europäische Umsetzungsvorgaben hinaus: Geschlossene Zentren, Haft für Kinder und umfassende Leistungskürzungen sind nur ein Teil von dem, was auf Schutzsuchende zukommt.

Die im Juni 2024 von der Euro­päi­schen Uni­on ver­ab­schie­de­te Reform des Gemein­sa­men Euro­päi­schen Asyl­sys­tems (GEAS), die ab Som­mer 2026 zur Anwen­dung kom­men wird, wur­de viel­fach als erheb­li­che Ver­schär­fung des euro­päi­schen Asyl­rechts kri­ti­siert. In Deutsch­land erfolgt nun eine har­te Umset­zung der euro­päi­schen Regeln in natio­na­les Recht. Dem Ent­wurf zum GEAS-Anpas­sungs­ge­setz, der am 3. Sep­tem­ber 2025 vom Kabi­nett beschlos­sen wur­de und nun in das par­la­men­ta­ri­sche Ver­fah­ren geht, ste­hen gra­vie­ren­de men­schen­recht­li­che Beden­ken ent­ge­gen: Mehr Frei­heits­be­schrän­kun­gen und Leis­tungs­kür­zun­gen für Geflüch­te­te sowie mehr Ver­fah­ren, die von vorn­her­ein nur die schnellst­mög­li­che Abschie­bung zum Ziel haben (sie­he auch aus­führ­li­che die PRO ASYL-Stel­lung­nah­me zum ers­ten Ent­wurf des Bundesinnenministeriums).

Isolation und Ausgrenzung durch Sonderunterbringung 

Mit der Ein­füh­rung von »Auf­nah­me­ein­rich­tun­gen zur Durch­füh­rung von Ver­fah­ren zur Sekun­där­mi­gra­ti­on« (§ 44 Abs. 1a Asyl­ge­setz-Ent­wurf, AsylG‑E) schießt die Bun­des­re­gie­rung über euro­päi­sche Umset­zungs­vor­ga­ben hin­aus. Die­se Son­der­ein­rich­tun­gen sol­len bereits ab Inkraft­tre­ten des Geset­zes mög­lich sein. Die Bun­des­re­gie­rung will also nicht bis zum Inkraft­tre­ten der euro­päi­schen Ver­ord­nun­gen im Juni 2026 war­ten. Die kon­kre­te Eröff­nung einer sol­chen Ein­rich­tung wird in das Ermes­sen der Bun­des­län­der gestellt. Laut Medi­en­be­rich­ten haben Baden-Würt­tem­berg und Nie­der­sach­sen bereits ange­kün­digt, sol­che Zen­tren in Betrieb neh­men zu wollen.

Es han­delt sich hier­bei um Son­der­auf­nah­me­ein­rich­tun­gen für soge­nann­te Dub­lin-Fäl­le und Aner­kann­te. Laut Geset­zes­text sol­len ihnen Asyl­su­chen­de, die zuerst die Gren­ze eines ande­ren Mit­glied­staa­tes »ille­gal« über­tre­ten haben, für die ein ande­rer Asyl­staat als zustän­dig bestimmt wur­de oder denen ein ande­rer Mit­glied­staat einen gül­ti­gen Auf­ent­halts­ti­tel oder ein Visum erteilt oder bereits inter­na­tio­na­len Schutz gewährt hat, zuge­teilt wer­den. Die Dau­er der Wohn­ver­pflich­tung in sol­chen Zen­tren soll mit 24 Mona­ten für Erwach­se­ne und 12 Mona­ten für Fami­li­en mit Kin­dern je sechs Mona­te län­ger sein als in den regu­lä­ren Auf­nah­me­ein­rich­tun­gen. Beson­ders für Fami­li­en mit Kin­dern wäre dies dramatisch.

Einen Vor­ge­schmack auf die Zustän­de in sol­chen Zen­tren lie­fert Eisen­hüt­ten­stadt (Bran­den­burg), wo bereits eines von zwei Dub­lin-Zen­tren existiert.

Denn die­se Form der Unter­brin­gung hat fata­le Fol­gen: Son­der­un­ter­brin­gun­gen füh­ren regel­mä­ßig zur Stig­ma­ti­sie­rung der dort unter­ge­brach­ten Schutz­su­chen­den. Beson­ders gro­ße und abge­le­ge­ne Ein­rich­tun­gen sind für die Betrof­fe­nen Orte der Iso­la­ti­on und Aus­gren­zung, Inte­gra­ti­ons­be­mü­hun­gen wer­den im Keim erstickt und ihre Unter­stüt­zung durch die Zivil­ge­sell­schaft erschwert.

Einen Vor­ge­schmack auf die Zustän­de in sol­chen Zen­tren lie­fert Eisen­hüt­ten­stadt (Bran­den­burg), wo bereits eines von zwei Dub­lin-Zen­tren exis­tiert. Betrof­fe­ne berich­ten:

»Wir wer­den anders behan­delt als die ande­ren im Lager. Wir wur­den ins Dub­lin-Lager aus­ge­son­dert. Es ist beschä­mend für uns. Wir wer­den gezwun­gen, in einen spe­zi­el­len Bereich zu zie­hen und haben noch weni­ger Pri­vat­sphä­re: Jeden Tag wer­den Zim­mer und manch­mal sogar Schrän­ke von Sozi­al­ar­bei­tern oder Sicher­heits­leu­ten kontrolliert.«

De-facto-Haft in geschlossenen Zentren 

Mit den neu­en Rege­lun­gen des GEAS-Anpas­sungs­ge­set­zes soll es künf­tig Schutz­su­chen­den ver­bo­ten wer­den kön­nen, eine Auf­nah­me­ein­rich­tung zu ver­las­sen – sowohl regu­lä­re Auf­nah­me­ein­rich­tun­gen als auch die neu­en Sekun­där­mi­gra­ti­ons­zen­tren (§ 47a Abs. 2 AsylG‑E, § 68 und § 68a AsylG‑E). Für Per­so­nen im lau­fen­den Asyl­ver­fah­ren und für Fami­li­en mit Kin­dern darf das Ver­las­sens­ver­bot nur von 22 Uhr bis 6 Uhr ange­ord­net wer­den. Sol­che »Nacht­zeit­ver­fü­gun­gen« wer­den bereits in eini­gen Bun­des­län­der angewendet.

Die Ein­schrän­kung der Bewe­gungs­frei­heit kann unter ande­rem dann ange­ord­net wer­den, wenn eine Flucht­ge­fahr ange­nom­men wird. Die­ses Kri­te­ri­um begrenzt jedoch die Anwen­dung nicht. Im Gegen­teil: Das Gesetz unter­stellt die Flucht­ge­fahr bei Schutz­su­chen­den gene­rell. Um die pau­scha­le Ver­mu­tung zu wider­le­gen, müs­sen Schutz­su­chen­de glaub­haft machen, dass sie auf­grund ihrer »per­sön­li­chen Ver­hält­nis­se und […] sozia­len Bin­dun­gen« in Deutsch­land an dem Asyl­ver­fah­ren teil­neh­men wer­den. Wie dies kon­kret gelin­gen soll, bleibt unklar.

Mit dem Ver­las­sens­ver­bot wird eine Auf­nah­me­ein­rich­tung de fac­to zu einem geschlos­se­nen Zentrum.

Mit dem Ver­las­sens­ver­bot wird eine Auf­nah­me­ein­rich­tung de fac­to zu einem geschlos­se­nen Zen­trum. Auch wenn die Türen der Ein­rich­tung nicht wirk­lich ver­schlos­sen sind, ist die Situa­ti­on fak­tisch mit einer Haft ver­gleich­bar. In recht­li­cher Hin­sicht liegt aus Sicht von PRO ASYL ein Frei­heits­ent­zug vor. Wie das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt bereits fest­ge­stellt hat, kann auch psy­chisch ver­mit­tel­ter Zwang einen Ein­griff in die vom Grund­ge­setz geschütz­te Bewe­gungs­frei­heit dar­stel­len, wenn die­ser mit einem phy­si­schen ver­gleich­bar ist (BVerfG, Beschluss vom 19.11.2021 – 1 BvR 781/21). Von die­ser Ver­gleich­bar­keit ist hier aus­zu­ge­hen (sie­he auch das GEAS-Facts­heet des Deut­schen Insti­tuts für Men­schen­rech­te).

Asylverfahrenshaft – auch für Kinder

Zudem wird eine bis­her so im deut­schen Recht nicht bekann­te Asyl­ver­fah­rens­haft ein­ge­führt (§ 69 AsylG‑E). Im Gegen­satz zum oben erläu­ter­ten »Ver­las­sens­ver­bot« einer Ein­rich­tung han­delt es sich hier um Haft im klas­si­schen Sin­ne. Zu den Haft­grün­den gehö­ren unter ande­rem der Ver­stoß gegen das Ver­las­sens­ver­bot und das Asyl­grenz­ver­fah­ren – die Schwel­le zur Anwen­dung der Haft liegt also niedrig.

Beson­ders bri­sant ist, dass unter bestimm­ten Vor­aus­set­zun­gen auch Kin­der inhaf­tiert wer­den sol­len. Nicht nur für Jurist*innen ist die ent­spre­chen­de Geset­zes­pas­sa­ge in § 70a Abs. 3 AsylG‑E lesens­wert. Sie ist an Wider­sprüch­lich­keit nicht zu über­bie­ten, denn die Bun­des­re­gie­rung geht offen­sicht­lich davon aus, dass ein Fall exis­tiert, in dem eine Inhaf­tie­rung eines Kin­des zu sei­nem Wohl sei.

»Min­der­jäh­ri­ge wer­den grund­sätz­lich nicht in Haft genom­men. Im Ein­klang mit dem Grund­satz der Ein­heit der Fami­li­en sind für Fami­li­en mit Min­der­jäh­ri­gen grund­sätz­lich ange­mes­se­ne Alter­na­ti­ven zur Inhaft­nah­me zu nut­zen. Min­der­jäh­ri­ge dür­fen in Aus­nah­me­fäl­len als letz­tes Mit­tel und nach­dem fest­ge­stellt wor­den ist, dass ande­re weni­ger ein­schnei­den­de alter­na­ti­ve Maß­nah­men nicht wirk­sam ange­wandt wer­den kön­nen und nach­dem eine Prü­fung erge­ben hat, dass die Inhaft­nah­me ihrem Wohl dient, in Haft genom­men wer­den, 1. im Fall von beglei­te­ten Min­der­jäh­ri­gen, wenn sich der Eltern­teil oder die pri­mä­re Betreu­ungs­per­son in Haft befin­den oder 2. im Fall von unbe­glei­te­ten Min­der­jäh­ri­gen, wenn die Haft den Min­der­jäh­ri­gen schützt.«

Der UN-Kin­der­rechts­aus­schuss hin­ge­gen legt die UN-Kin­der­rechts­kon­ven­ti­on so aus, dass sie jeg­li­che Migra­ti­ons­haft von Kin­dern ein­deu­tig und ohne Aus­nah­me – egal ob bei Ein- oder Aus­rei­se – ver­bie­tet (Com­mit­tee on the Rights of the Child, Gene­ral Com­ment 23, Rn. 10 ff; sie­he auch das Gut­ach­ten zu kin­der­recht­li­chen Aspek­ten der GEAS-Reform von Prof. Dr. Con­stan­tin Hrusch­ka und Robert Nest­ler). Es ist bekannt, wie gra­vie­rend die Aus­wir­kun­gen von Abschie­bungs­haft auf die Psy­che und Ent­wick­lung von Kin­dern und Jugend­li­chen sein kön­nen – selbst bei weni­gen Tagen oder Wochen.

Vorzeitige Ausweitung des Flughafenverfahrens

Seit 1993 wer­den an deut­schen Flug­hä­fen ankom­men­de Asyl­su­chen­de dort unter­ge­bracht und durch­lau­fen das soge­nann­te Flug­ha­fen­ver­fah­ren. Über ihre Ein­rei­se wird noch am Flug­ha­fen durch das Bun­des­amt für Migra­ti­on und Flücht­lin­ge ent­schie­den. Das Ver­fah­ren ist bis­lang nur für Per­so­nen ein­schlä­gig, die ent­we­der aus einem siche­ren Her­kunfts­staat über einen Flug­ha­fen ein­rei­sen wol­len und Asyl bean­tra­gen oder für Per­so­nen, die bei der Grenz­be­hör­de am Flug­ha­fen um Asyl ersu­chen und kei­nen gül­ti­gen Pass vor­wei­sen können.

Die­ses deut­sche Flug­ha­fen­ver­fah­ren wird ab Juni 2026 durch das neue euro­päi­sche Asyl­grenz­ver­fah­ren ersetzt. Es ist deut­lich län­ger – 12 Wochen anstatt 19 Tagen – und umfasst auch mehr Per­so­nen. Die Bun­des­re­gie­rung möch­te das Grenz­ver­fah­ren in Tei­len schon vor Anwen­dungs­start der Reform aus­wei­ten. Mit Inkraft­tre­ten des GEAS-Anpas­sungs­ge­set­zes soll das Flug­ha­fen­ver­fah­ren auf wei­te­re Per­so­nen­grup­pen aus­ge­wei­tet wer­den kön­nen: So sol­len dann auch in ande­ren EU-Mit­glied­staa­ten aner­kann­te Flücht­lin­ge, Per­so­nen, die aus Her­kunfts­län­dern mit einer Schutz­quo­te von 20 Pro­zent oder weni­ger kom­men und die angeb­lich unstim­mi­ge, wider­sprüch­li­che oder fal­sche Anga­ben gemacht haben, ein Flug­ha­fen­ver­fah­ren durch­lau­fen. Für Per­so­nen aus Län­dern mit einer Schutz­quo­te von 20 Pro­zent oder weni­ger, soll die Bear­bei­tungs­zeit des Asyl­grenz­ver­fah­rens von bis­her zwei auf sie­ben Tage aus­ge­wei­tet werden.

Es ist beson­ders pro­ble­ma­tisch, dass die Bun­des­re­gie­rung zwar die Aus­wei­tung des Flug­ha­fen­ver­fah­rens vor­zie­hen will, aber nicht die Anwen­dung von Garan­tien für beson­ders Vul­nerable oder den vor­ge­se­he­nen Moni­to­ring-Mecha­nis­mus für das Grenzverfahren.

Die Grenz­ver­fah­ren sind umstrit­ten, weil die Betrof­fe­nen in die­ser Zeit als »nicht ein­ge­reist« gel­ten und letzt­lich de fac­to inhaf­tiert wer­den. Sie sind von der Außen­welt iso­liert und ste­hen wäh­rend ihres Asyl­ver­fah­rens unter einem beson­de­ren Stress. Es ist des­we­gen beson­ders pro­ble­ma­tisch, dass die Bun­des­re­gie­rung zwar die Aus­wei­tung des Flug­ha­fen­ver­fah­rens vor­zie­hen will, aber nicht die Anwen­dung von Garan­tien für beson­ders Vul­nerable oder den vor­ge­se­he­nen Moni­to­ring-Mecha­nis­mus für das Grenz­ver­fah­ren. Auch ist unklar, wie für aus­rei­chen­de Bera­tung der Men­schen gesorgt wird. Am Frank­fur­ter Flug­ha­fen gibt es bis­her eine spe­zi­el­le Asyl­be­ra­tung für das Flug­ha­fen­ver­fah­ren. Doch ob die­se ange­sichts zu erwar­ten­der stei­gen­der Zah­len der Grenz­ver­fah­ren am Flug­ha­fen auf­ge­stockt wird, ist unklar. Am Flug­ha­fen Ber­lin-Bran­den­burg, dem zweit­größ­ten Stand­ort des Flug­ha­fen­ver­fah­rens in Deutsch­land nach Frank­furt, gibt es bis­lang kei­ne Vor-Ort-Beratung.

Mit dem GEAS-Anpas­sungs­ge­setz wird zudem für die Umset­zung ab Juni 2026 auf eine beson­ders har­te Umset­zung der Grenz­ver­fah­ren in Deutsch­land gesetzt, die über das von der Ver­ord­nung ver­pflich­tend vor­ge­schrie­be­ne Maß hin­aus geht. Denn nicht nur die nach der Asyl­ver­fah­rens­ver­ord­nung vor­ge­schrie­be­nen Grup­pen (zum Bei­spiel Schutz­su­chen­de aus Her­kunfts­staa­ten mit einer Schutz­quo­te von 20 Pro­zent oder weni­ger) sol­len ins Asyl­grenz­ver­fah­ren – die Bun­des­re­gie­rung will auch die Mög­lich­keit nut­zen, dar­über hin­aus wei­te­re Per­so­nen­grup­pen – zum Bei­spiel Schutz­su­chen­de, die aus einem angeb­lich siche­ren Dritt­staat ein­rei­sen – in die Grenz­ver­fah­ren zu nehmen.

Auch das Asylbewerberleistungsgesetz wird weiter verschärft

Das leis­tungs­recht­li­che Pro­gramm des Ent­wurfs zum GEAS-Anpas­sungs­ge­setz heißt vor allem Leis­tungs­kür­zun­gen und ‑strei­chun­gen, um Men­schen zur »frei­wil­li­gen« Aus­rei­se – prak­tisch wohl viel­fach in die Obdach­lo­sig­keit – zu trei­ben. So sol­len Schutz­su­chen­de künf­tig mit dras­ti­schen Leis­tungs­kür­zun­gen bestraft wer­den, wenn sie das Sekun­där­mi­gra­ti­ons­zen­tren ent­ge­gen der ver­häng­ten Auf­la­ge ver­las­sen oder gegen Mel­de­pflich­ten ver­sto­ßen (§ 1a Abs. 8 Asyl­be­wer­ber­leis­tungs­ge­setz-Ent­wurf, AsylbLG‑E) oder wenn sie die »Ord­nung« in einer Unter­kunft »schwer­wie­gend beein­träch­ti­gen« (§ 1a Abs. 7 AsylbLG‑E). Die Bun­des­re­gie­rung führt hier bei­spiel­haft Ver­stö­ße gegen Haus­ord­nun­gen an, die ihrer­seits in der Pra­xis viel­fach pro­ble­ma­ti­sche Rege­lun­gen und Grund­rechts­ein­schrän­kun­gen wie etwa Besuchs­ver­bo­te vorsehen.

Para­graph 1 Abs. 4 Asyl­blG sieht bereits seit Okto­ber 2024 unter ande­rem einen voll­stän­di­gen Leis­tungs­aus­schluss für Per­so­nen vor, deren Asyl­an­trä­ge wegen der Zustän­dig­keit eines ande­ren Mit­glieds­staa­tes »unzu­läs­sig« sind und die des­halb eine Abschie­bungs­an­ord­nung erhal­ten haben. Der kom­plet­te Ent­zug aller Leis­tun­gen auf Grund­la­ge von § 1 Abs. 4 Asyl­bLG wur­de bereits weni­ge Wochen nach dem Inkraft­tre­ten von zahl­rei­chen Gerich­ten als euro­pa- und/oder ver­fas­sungs­wid­rig ein­ge­stuft. Eine Kor­rek­tur der Rege­lung wäre ange­bracht – statt­des­sen treibt die Bun­des­re­gie­rung die Leis­tungs­strei­chung mit dem GEAS-Anpas­sungs­ge­setz erneut ein Stück weiter.

Bedin­gung für die Leis­tungs­strei­chung in »Dub­lin-Fäl­len« war aller­dings bis­lang, dass das Bun­des­amt fest­ge­stellt hat, dass die Aus­rei­se in den zustän­di­gen Staat »recht­lich und tat­säch­lich« über­haupt mög­lich ist. Im Geset­zes­text des Kabi­netts­ent­wurfs wird nun fest­ge­stellt, dass das Bun­des­amt für Migra­ti­on und Flücht­lin­ge die recht­li­che und tat­säch­li­che Mög­lich­keit der Aus­rei­se (»somit«) bereits geprüft habe, wenn sie eine Abschie­bung anord­nen.  Damit setzt die Regie­rung unge­rührt von ver­fas­sungs­recht­li­chen Beden­ken ihre Linie fort und will künf­tig in allen »Dub­lin-Fäl­len« mit der Abschie­bungs­an­ord­nung regel­mä­ßig und ohne Wei­te­res einen Leis­tungs­ent­zug durchsetzen.

Ob und wie die Betrof­fe­nen tat­säch­lich in den zustän­di­gen Staat aus­rei­sen kön­nen, bleibt dabei den­noch wei­ter­hin unbe­rück­sich­tigt. Das Über­stel­lungs­ver­fah­ren sieht eine frei­wil­li­ge Aus­rei­se näm­lich regel­mä­ßig gar nicht vor, son­dern die von Staa­ten und Behör­den kon­trol­lier­te, orga­ni­sier­te Über­ga­be der Betrof­fe­nen. Bereits seit eini­ger Zeit arbei­te­tet der Bund dar­an, eine frei­wil­li­ge Aus­rei­se bila­te­ral mit Staa­ten mög­lich zu machen und behaup­tet in der Geset­zes­be­grün­dung, sie sei inzwi­schen »in der Regel« mög­lich. Ob die Betrof­fe­nen zu krank sind, um zu rei­sen, ob Gewalt­er­fah­run­gen im Ziel­staat Ängs­te, gar Retrau­ma­ti­sie­rung aus­lö­sen oder ob es über­haupt die nöti­gen Papie­re gibt – zunächst mal wird für alle die Unter­stüt­zung auf Null gesetzt. Denn alle sol­len aus­rei­sen – egal, ob sie wirk­lich kön­nen oder nicht. »Kor­rek­tu­ren«, etwa über eine Här­te­fall-Not­ver­sor­gung, die § 1 Abs. 4 Asyl­bLG vor­sieht, kom­men allen­falls im zwei­ten Schritt, und selbst die­se nur als dras­ti­sche Unter­ver­sor­gung für weni­ge Fälle.

EU-Aufnahmerichtlinie: Vollständiger Leistungsentzug geht nicht

Dabei muss fest­ge­hal­ten wer­den: Men­schen voll­stän­dig von Sozi­al­leis­tun­gen aus­zu­schlie­ßen, ist nicht nur mit der der­zeit gel­ten­den, son­dern auch mit der neu­en EU-Auf­nah­me­richt­li­nie nicht in Ein­klang zu brin­gen, die bis zum Juni 2026 umge­setzt wer­den muss. Zwar sieht Art. 21 der Auf­nah­me­richt­li­nie vor, dass Men­schen ab dem Zeit­punkt der Mit­tei­lung, dass sie in den zustän­di­gen Mit­glied­staat über­stellt wer­den sol­len, auch nur noch in die­sem Staat Anspruch auf Sozi­al­leis­tun­gen haben sol­len. Gleich­zei­tig ist aber in Art. 21 der Auf­nah­me­richt­li­ne die »Not­wen­dig­keit, einen Lebens­stan­dard im Ein­klang mit dem Uni­ons­recht, ein­schließ­lich der Char­ta, und inter­na­tio­na­len Ver­pflich­tun­gen sicher­zu­stel­len« vor­ge­ge­ben. Die­se Ver­pflich­tung ist in Art. 18 Abs. 1 Asyl- und Manage­ment-Ver­ord­nung (dem Nach­fol­ger der soge­nann­ten Dub­lin-Ver­ord­nung) gleich­lau­tend formuliert.

Ins­be­son­de­re die weit­ge­hen­de Ver­wei­ge­rung einer Gesund­heits­ver­sor­gung ist mit dem künf­ti­gen EU-Recht nicht vereinbar.

Ins­be­son­de­re die weit­ge­hen­de Ver­wei­ge­rung einer Gesund­heits­ver­sor­gung ist mit dem künf­ti­gen EU-Recht nicht ver­ein­bar: Nach Art. 22 der Auf­nah­me­richt­li­nie kann näm­lich die Gesund­heits­ver­sor­gung zwar in bestimm­ten Fäl­len auf eine Not­ver­sor­gung redu­ziert, aber nicht gänz­lich unter­las­sen wer­den – und selbst die mög­li­che Redu­zie­rung darf nicht auf Min­der­jäh­ri­ge und Per­so­nen mit beson­de­ren Bedar­fen ange­wen­det wer­den. Alte, Kran­ke, durch Gewalt trau­ma­ti­sier­te Men­schen, Schwan­ge­re und ande­re hät­ten mit der GEAS-Umset­zung von allen Kür­zun­gen im Gesund­heits­be­reich aus­ge­nom­men wer­den müs­sen – wur­den sie aber nicht.

Neben der Unver­ein­bar­keit mit dem EU-Recht bleibt im Kern: Sozi­al­recht­li­che Leis­tungs­strei­chun­gen im exis­ten­zi­el­len Bereich stel­len ein Bruch der Ver­fas­sung dar (wes­we­gen seit Jah­ren das Asyl­be­wer­ber­leis­tungs­ge­setz selbst in der Kri­tik steht und sei­ne Abschaf­fung gefor­dert wird).

Menschenrechtliche Überarbeitung dringend notwendig!

Schon die­ser klei­ne Über­blick zeigt, dass es gewich­ti­ge men­schen­recht­li­che Beden­ken gegen das vom Kabi­nett beschlos­se­ne GEAS-Anpas­sungs­ge­setz gibt. Es ist uner­läss­lich, dass die Abge­ord­ne­ten des Bun­des­tags den Ent­wurf grund­sätz­lich über­ar­bei­ten und auf sei­ne euro­pa­recht­li­che und men­schen­recht­li­che Kon­for­mi­tät genau prüfen.

PRO ASYL wird das Gesetz­ge­bungs­ver­fah­ren sowie die wei­te­re Umset­zung der GEAS-Reform genau ver­fol­gen – denn Grund- und Men­schen­rech­te gel­ten wei­ter­hin und müs­sen durch­ge­setzt wer­den, not­falls vor Gericht.

(Cor­ne­li­us König, Refe­ren­dar bei PRO ASYL von Juli-Sep­tem­ber 2025, wj, ak)