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»Abgelehnt im Nirgendwo«: PRO ASYL – Studie zeigt Probleme von Grenzverfahren
Die Studie »Abgelehnt im Nirgendwo« zeigt, wie problematisch das deutsche Flughafenverfahren ist. Hinter verschlossenen Türen werden die Schutzsuchenden unter hohem Zeitdruck abgelehnt. Wenn Grenzverfahren an Flughäfen für wenige Hunderte unfair sind, sind sie dies für Tausende an anderen Grenzen erst recht. Doch genau das plant die EU-Kommission.
»Asylverfahren an der Grenze« – für viele Politiker*innen und europäische Regierungen liegt darin der Schlüssel in der Flüchtlingspolitik. Auch die Europäische Kommission setzt mit dem »New Pact on Migration and Asylum«, der am 23. September 2020 der Öffentlichkeit vorgestellt wurde, auf Grenzverfahren. Dem Negativbeispiel der Asylverfahren auf den griechischen Inseln werden in der Diskussion häufig vermeintliche Positivbeispiele wie das deutsche Flughafenverfahren entgegen gehalten. Dort seien die Verfahren doch fair und rechtsstaatlich, warum soll das dann nicht auch an anderen Außengrenzen möglich sein?
Wie die Praxisberichte von Roxana Kolb als ehemaliger Verfahrensberaterin am Frankfurter Flughafen und Dr. Annabelle Voßberg als Rechtsanwältin in Frankfurt am Main in der neuen Studie »Abgelehnt im Nirgendwo« von PRO ASYL aber zeigen, ist selbst die »asylrechtskundige Beratung«, die das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) 1996 für das Flughafenverfahren vorgeschrieben hat, nicht ausreichend, um die gravierenden Nachteile des Grenzverfahrens für die Betroffenen auszugleichen.
Das 1993 eingeführte Flughafenverfahren (§ 18a Asylgesetz) ist ein Schnellverfahren mit straffem Zeitplan: Die Betroffenen – die aus einem »sicheren Herkunftsstaat« kommen oder keinen gültigen Pass mit sich führen und am Flughafen um Asyl suchen – werden direkt von der Bundespolizei befragt und kurz darauf (»unverzüglich«) vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) zu ihren Fluchtgründen angehört. Das BAMF kann im Flughafenverfahren nur als »offensichtlich unbegründet« ablehnen und muss dies innerhalb von zwei Tagen tun – Personen, die nicht entsprechend abgelehnt werden, dürfen einreisen und ihr Asylverfahren regulär im Inland durchlaufen. Aufgrund der Ablehnung als »offensichtlich unbegründet« ist der Rechtsweg stark verkürzt und der Rechtsschutz eingeschränkt: Die Betroffenen haben nur drei Tage Zeit, um Eilantrag gegen die Entscheidung zu erheben. Das Verwaltungsgericht muss dann innerhalb von 14 Tagen entscheiden. Der theoretisch offen stehende Weg zum Bundesverfassungsgericht ist in der Praxis letztlich nicht erreichbar. Nach 19 Tagen können die in diesem Schnellverfahren abgelehnten Personen – zumindest in der Theorie – also abgeschoben werden.
Fiktion der Nicht-Einreise – im Transit festgesetzt
Eine Besonderheit des Flughafenverfahrens ist, dass die Betroffenen noch nicht als eingereist gelten sondern während des Asylverfahrens am Flughafen fest sitzen. Das Abkommen über die Internationale Zivilluftfahrt (ICAO-Abkommen) sieht für solche Fälle vor, dass die Fluggesellschaften verpflichtet sind, die Menschen an ihren Abflugort oder in ein Land, in das sie einreisen dürfen, zurückzubringen (siehe Annex 9 zum ICAO-Abkommen, Rn. 5.11 und 5.12.). In der Praxis kommt es aber dennoch häufig zu Verzögerungen und die Menschen sitzen zum Teil wochen- oder monatelang in der Zurückweisungshaft am Flughafen – auch Kinder.
Bundesverfassungsgericht: Asylrechtskundige Beratung notwendig
Diese besondere Verfahrensgestaltung und dessen Auswirkungen auf das Recht Asyl zu suchen und das Recht auf effektiven Rechtsschutz musste das BVerfG schon 1996 prüfen. Zwar bejahte das BVerfG die Verfassungskonformität grundsätzlich, es formulierte in der Entscheidung aber auch eine Reihe von Verfahrensanforderungen und –standards, deren Einhaltung sichergestellt werden müssen, um aufgrund der »[…] obwaltenden Umstände (insbesondere Abgeschlossensein des asylsuchenden Ausländers im Transitbereich, besonders kurze Fristen, Sprachunkundigkeit) […}“ (Rn. 156) den Rechtsschutz nicht unzumutbar zu erschweren oder zu vereiteln. Hierzu gehört eine kostenlose asylrechtskundige Beratung nach der Ablehnung.
Grenzverfahren bedeuten Abschottung
Asylverfahren an den Grenzen sind mit mehreren systemischen Mängeln behaftet: Oft sind es Schnellverfahren, und den Betroffenen wird unterstellt, dass sie keinen Schutz brauchen. Zudem werden die Asylsuchenden meist kurz nach der Flucht angehört und befinden sich noch in einem physischen und psychischen Ausnahmezustand – sie sind gestresst, orientierungslos und verunsichert. Um sich in dieser Extremsituation zu orientieren, ist unabhängige Beratung und Unterstützung essentiell. Doch gerade dies ist einem Schnellverfahren unter Haftbedingungen oder an entlegenen Orten nur schwer oder gar nicht möglich.
Nur wenige Menschen haben Zugang zu den Asylsuchenden im Flughafenverfahren. Dazu gehörte die ehemalige Verfahrensberaterin beim Kirchlichen Flüchtlingsdienst am Frankfurter Flughafen Roxana Kolb, die in der Studie über die Situation der Menschen am Flughafen und auch über die psychologischen Folgen für die Geflüchteten berichtet.
Der Kirchliche Flüchtlingsdienst bietet allen Asylsuchenden eine Asylverfahrensberatung sowie die Vorbereitung der Anhörung beim BAMF an – und begleitet sie nach einer Ablehnung beratend. Dabei identifizieren die Berater*innen letztlich auch die Menschen mit besonderen Schutzbedarfen – eine systematische Prüfung durch das BAMF gibt es nicht.
Abgeschottet von der Außenwelt
Viele der Ankommenden sind orientierungslos, übermüdet und ängstlich nach der oft tagelangen Reise durch mehrere Länder. Dennoch werden sie schon vor der Erstberatung, als erstes direkt am Terminal, stundenlang von der Bundespolizei befragt.
Während des Flughafenverfahrens sind die Betroffenen weitgehend abgeschottet, Handys mit Kamera werden ihnen abgenommen. Sie haben kaum Zugang zu Internet oder Telefonen.
Eindrücklich beschreibt Roxana Kolb die psychologischen Auswirkungen, die die Unterbringung in einer geschlossenen Zwangseinrichtung und das Schnellverfahren auf Menschen mit traumatischen Erfahrungen haben: Sie fördern die Entwicklung von Traumafolgestörungen und verstärken die Symptomatik.
»Abgeschottet von der Außenwelt wird hinter verschlossenen Türen
über das Leben von Menschen entschieden.«
Misstrauen, mangelnde Bindungsfähigkeit und die Intransparenz der Zuständigkeiten der am Verfahren beteiligten Akteur*innen führen immer wieder dazu, dass Asylsuchende nichts von sich erzählen wollen oder schlichtweg nicht erzählen können. Ein Erzählen des traumatischen Erlebnisses bedeutet auch, Hilflosigkeit, Ausgeliefertsein, Kontroll- und Sicherheitsverlust wieder zu erleben.
Monatelange psychische Belastungsprobe
Wenn die Personen dann verwaltungsgerichtlich abgelehnt und von einer Zurückweisung bedroht sind, beginnt eine monatelange psychische Belastungsprobe. Immer wieder werden abgelehnte Asylsuchende in die Psychiatrie gebracht, weil sie sich selbst verletzen oder versuchen, sich selbst zu töten. Vorführungen bei Gericht, Ketten-Haftbeschlüsse und Ungewissheit überfordern viele der Personen und lösen Krisen aus. Kinder, die mit ihrer Familie über Monate hinweg am Flughafen untergebracht sind, bekommen alles mit, werden nicht beschult und zeigen so mitunter regressives Verhalten.
Abschließend macht Roxana Kolb in ihrem Bericht deutlich: Menschen hinter Grenzen werden nur allzu oft vergessen. Sie sind einem rechtlichen System ausgeliefert, das sie auf Grund seiner Komplexität regelmäßig nicht verstehen. Die Chancen auf ein faires Asylverfahren dürfen nicht von den Modalitäten des Reisewegs und dem Ankunftsort abhängig gemacht werden.
Eine Übertragung des Beratungsmodells vom Frankfurter Flughafen ist schon aufgrund der unterschiedlichen Dimensionen nicht realistisch: Während in Deutschland das Flughafenverfahren mit wenigen Hundert Fällen pro Jahr weniger als 0,5 Prozent der Asylverfahren darstellt, ist es in einem Mitgliedstaat mit langer EU-Außengrenze wie Griechenland mit über 21.000 Fällen im Jahr 2020 schon die Hälfte aller Asylanträge, die in Grenzverfahren geprüft wird. Die meisten See- und Landgrenzen sind im Gegensatz zu Flughäfen fernab großer Städte, womit es nicht genügend Fachanwält*innen gibt. Auf viel weniger spezialisierte Rechtsanwält*innen würde also eine viel größere – und nicht zu bewältigende – Zahl von Asylverfahren kommen.
Die in Frankfurt am Main arbeitende Rechtsanwältin Dr. Annabelle Voßberg steht mit circa 40 anderen Rechtsanwält*innen auf der Beratungsliste des asylrechtskundigen Flughafennotdienstes in Frankfurt und übernimmt auch über den Notdienst hinaus Mandate. Wie die Rechtsanwältin in ihrem Bericht deutlich macht, wird die schon unter »regulären Bedingungen« herausfordernde Arbeit im Asylrecht unter den Bedingungen des Flughafenverfahrens – insbesondere durch die Schnelligkeit des Verfahrens, dem schwierigen Kontakt mit den Mandant*innen und dem eingeschränkten Rechtsschutz – noch um ein vielfaches erschwert.
Der asylrechtskundige Flughafennotdienst – wichtig, aber meist zu spät
Der asylrechtskundige Flughafennotdienst des Frankfurter Anwaltsverein steht allen im Flughafenverfahren abgelehnten Personen zur Verfügung. Im Rahmen der Beratung des Notdienstes stehen die Rechtsanwält*innen vor der besonderen Schwierigkeit, dass nicht nur die Einreisebefragung bei der Bundespolizei bereits »in Stein gemeißelt« ist, sondern auch die Angaben bei der persönlichen Anhörung beim BAMF. Oftmals kommen aber erst nach detaillierter Rücksprache mit dem/der Rechtsanwält*in die entscheidenden Dinge zu Tage oder Missverständnisse während der Anhörung werden deutlich. Dies noch vor Gericht zu korrigieren ist aber aufgrund des eingeschränkten Rechtsschutzes äußerst schwierig. Eine Einbeziehung der Rechtsanwält*innen erst nach der Ablehnung als »offensichtlich unbegründet« ist damit zu spät, um eine angemessene Unterstützung der Betroffenen in der Abgeschottetheit und unter dem Druck des Schnellverfahrens zu ermöglichen.
Anwaltliche Vertretung von Anfang an nur für wenige Menschen möglich
Bei Asylsuchenden, die zum Beispiel besonders vulnerabel wirken, sorgt der Kirchliche Flüchtlingsdienst dafür, dass von Beginn an ein/e Rechtsanwält*in das Mandat übernimmt und so auch bei der Anhörung mit dabei sein kann. Finanziert wird dies über den Rechtshilfefonds von PRO ASYL. Da die Anhörung im Flughafenverfahren auf Grund des Unverzüglichkeitsprinzips zeitnah erfolgen soll, bedeutet eine Mandatsübernahme, dass Rechtsanwält*innen sich spontan zwei bis drei Tage nur Zeit für diesen Fall einräumen können müssen. Trotzdem kann die Anhörung nicht gleich gut vorbereitet werden, da u.a. der Kontakt zu den Mandant*innen schwierig ist. Für viele entscheidet vor dem inneren Auge die Anhörung zudem über etwas, das als »Leben oder Tod« bezeichnet werden muss. Dieser Stress kann auch dazu führen, dass zuvor stabil wirkende Asylsuchende in der Anhörung unstrukturiert und nicht mehr chronologisch vortragen.
Befragung durch Bundespolizei beeinflusst Asylentscheidung
Eine Besonderheit im Flughafenverfahren, die auch für die Anhörungsvorbereitung eine wichtige Rolle spielt, ist die Einreisebefragung der Bundespolizei. Obwohl dieser Befragung laut BVerfG kein übermäßiger Stellenwert eingeräumt werden soll, werden Aussagen während dieser Befragung im ablehnenden Bescheid des BAMF immer wieder thematisiert wenn es darum geht, die Glaubwürdigkeit der schutzsuchenden Person zu bewerten. Dabei erfolgt die Erstbefragung oft im Zustand vollständiger Erschöpfung nach einer langen, strapaziösen Reise.
Dr. Annabelle Voßberg stellt in ihrem Praxisbericht fest, dass Schutzsuchende im Flughafenverfahren eine deutliche Ungleichbehandlung im Vergleich zu Schutzsuchenden im Inlandsverfahren erfahren. Eine gute anwaltliche Vertretung ist unter den Umständen kaum möglich.
Grenzverfahren raus aus dem »New Pact«!
Das Fazit der Studie: Diese strukturellen Probleme von Grenzverfahren führen zu unfairen und mangelhaften Asylprüfungen. Der Europäische Gesetzgeber sollte deswegen bei einer Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems die Regeln zu Grenzverfahren grundsätzlich streichen und auf das vorgeschlagene Screening verzichten. Jede schutzsuchende Person hat ein Recht darauf, dass ihr Asylantrag in einem unvoreingenommenen, fairen und rechtsstaatlichen Asylverfahren mit ausreichend unabhängiger rechtlicher Unterstützung geprüft wird.
Die Europäische Kommission stellte mit ihrem »New Pact on Migration and Asylum« am 23. September 2020 mehrere Vorschläge für neue Rechtsakte oder geänderte bestehende Rechtsakte vor, die bei Einführung die Verfahren an den Außengrenzen stark verändern würden (für einen kritischen Überblick zu den Änderungen siehe hier).
Befragung durch Grenzschutz und Fiktion der Nicht-Einreise übernommen
Zum einen erinnert einiges an den Vorschlägen an das Flughafenverfahren: Mit einem neuen Screening würde wie im Flughafenverfahren zunächst eine Befragung durch die Grenzschutzbehörden stattfinden, deren Erkenntnisse in das Asylverfahren einfließen würden. Damit würden absehbar ähnliche Probleme von vermeintlichen Widersprüchen zwischen den Befragungen durch den Grenzschutz und der Anhörung durch die Asylbehörde entstehen – auch wenn diese u.a. mit einer Angst vor bzw. schlechten Erfahrungen mit Polizeibehörden erklärbar sind. Zwei grundverschiedene Aufgabengebiete – Grenzschutz vs. Schutz von Menschen – würden so weiter vermischt werden.
Außerdem sehen die Vorschläge der Kommission vor, dass während des Screening und der sich in bestimmten Fällen anschließenden Grenzverfahren wie am Flughafen eine Fiktion der Nicht-Einreise gelten soll. Um diese Fiktion der Nicht-Einreise praktisch umzusetzen ist davon auszugehen, dass, wie am Frankfurter Flughafen, die Asylsuchenden die Einrichtung nicht – oder nur äußerst eingeschränkt – verlassen dürfen. Damit stellen sich die gleichen Hürden bezüglich des Zugangs zu unabhängiger Beratung und anwaltlicher Vertretung. Am Frankfurter Flughafen gibt es aufgrund der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine ständige Asylverfahrensberatung vor Ort sowie den Anwaltsnotdienst in Frankfurt – trotzdem ist dies unzureichend, um die erheblichen Nachteile für die Betroffenen auszugleichen. Bei Verfahren an anderen Außengrenzen ist jedoch davon auszugehen, dass noch nicht einmal ein solches System auf die Beine gestellt werden kann.
Aber viel längere Verfahren und mehr Betroffene
Zum anderen gibt es aber entscheidende Unterschiede, die das deutsche Flughafenverfahren gravierend verändern würden. Denn im Gegensatz zur aktuellen Asylverfahrensrichtlinie, die den Mitgliedstaaten Spielraum bei der Umsetzung lässt, sieht die Kommission zukünftig eine Asylverfahrensverordnung vor. Anders als eine Richtlinie ist eine Verordnung direkt verbindlich, Umsetzungsspielraum besteht nicht. Während aktuell Grenzverfahren nur bis zu vier Wochen erlaubt sind, will die Kommission die Grenzverfahren auf bis zu 12 Wochen ausweiten. Das wäre für Deutschland einer Vervierfachung der Aufenthaltszeit im Transitbereich der deutschen Flughäfen während des Asylverfahrens.
Zudem würde überhaupt mit dem »New Pact« zum ersten Mal eine verpflichtende Anwendung von Grenzverfahren für bestimmte Personengruppen bestehen. So sollen u.a. alle Personen aus Herkunftsländern mit einer europaweiten Schutzquote von oder unter 20% in das Grenzverfahren kommen. In Deutschland würden damit neuerdings auch Asylsuchende aus Ländern wie Pakistan, Nigeria, Bangladesch oder Marokko – also Länder in denen z.B. religiöse Minderheiten verfolgt werden, Homosexualität unter Strafe steht oder Frauen Opfer von geschlechtsspezifischer Verfolgung und Menschenhandel werden – allein aufgrund ihres Herkunftslandes bei Asylgesuch am Flughafen in das Flughafenverfahren kommen.
Nach dem Vorschlag der Kommission könnte ein Asylantrag im Grenzverfahren – und so auch im angepassten Flughafenverfahren – auf die Unzulässigkeit und in einem beschleunigten Prüfverfahren auf die Begründetheit geprüft werden. Im Flughafenverfahren müsste also nicht mehr »offensichtlich unbegründet« abgelehnt werden, um die Einreise zu verweigern. Damit würden auch kompliziertere Fälle im Schnellverfahren bearbeitet werden und dürften nicht einreisen. Es ist zu befürchten, dass so deutlich mehr Menschen im Flughafenverfahren bleiben würden, in dem ihre komplexen Fälle nicht angemessen geprüft werden.
Unsinnige Anwendung von Fiktion der Nicht-Einreise
An das Asylgrenzverfahren soll sich bei Ablehnung »nahtlos« ein neues Abschiebungsgrenzverfahren anschließen, das ebenfalls 12 Wochen umfassen kann. Die Fiktion der Nicht-Einreise soll auch hierfür gelten. An das deutsche Flughafenverfahren schließt sich die sogenannte Zurückweisungshaft an, da der Person die Einreise verweigert wurde. In der Theorie ist die Rückführung der betroffenen Menschen leichter als bei Personen, die nach Einreise im Inlandsverfahren abgelehnt wurden, da über das ICAO-Abkommen die Fluggesellschaften zum Rücktransport in das Abflugland verpflichtet werden. Auch wenn es in der Praxis trotzdem nicht immer so einfach verläuft und sich die Rückbeförderung durch die Fluggesellschaft wegen Unklarheiten oder Abspracheproblemen häufig verzögert und sogar Monate dauern kann, so gibt es diesen »Vorteil« für die Behörden an anderen Außengrenzen nicht. Denn wenn die Personen an Land- oder Seegrenzen selbstständig oder mit Schmugglern einreisen, gibt es auch kein Transportunternehmen, das zur Rücknahme verpflichtet werden kann. Damit stellt sich auch die Frage nach der Sinnhaftigkeit der pauschalen Einführung einer Fiktion der Nicht-Einreise in allen Grenzverfahren. Die letztlich zu erwartende primäre Auswirkung dieser Fiktion wird das Festhalten der Menschen sein und keine Erleichterungen bei Abschiebungen.
Die letztlich zu erwartende primäre Auswirkung dieser Fiktion wird das Festhalten der Menschen sein und keine Erleichterungen bei Abschiebungen.
Der »New Pact« würde zudem das sowieso schon mangelhafte deutsche Flughafenverfahren noch weiter verschlechtern. Zukünftig könnten Schutzsuchende bis zu zwölf Wochen anstelle der bislang geltenden 19 Tage am Flughafenverfahren festgehalten werden. Außerdem würden nach den Vorschlägen des »New Pact« deutlich mehr Menschen das Flughafenverfahren durchlaufen müssen – wie pauschal alle Asylsuchende aus Ländern mit niedrigen Anerkennungsquoten wie Pakistan, Nigeria, Bangladesch oder Marokko.
(wj)