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Frontex – eine Grenzschutzagentur der Superlative?
Die Europawahl nähert sich mit schnellen Schritten und so steigt der Druck auf die Mitgliedstaaten und die EU Institutionen, noch vor der Wahl Erfolge im Bereich der Flüchtlingspolitik vorzuweisen. Während das bei der Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems gescheitert ist, wurde sich nun bezüglich der Grenzschutzagentur Frontex geeinigt.
Laut Presseerklärung des Europäischen Parlamentes vom 28. März 2019, haben Vertreter*innen von Europaparlament, EU-Staaten und Kommission sich in einem informellen Treffen bezüglich der umstrittenen neuen Frontex-Verordnung geeinigt. Der Vorschlag zur neuen Verordnung wurde erst im September letzten Jahres von der Kommission vorgestellt. Der Wortlaut der Einigung ist noch nicht bekannt und muss in den einzelnen Gremien erst abgestimmt werden. Angesichts der bekannt gewordenen Punkte ist aber zu befürchten, dass die bereits jetzt umstrittene EU-Agentur noch vor der Europawahl im Schnellschuss zu einer Agentur der Superlative ausgebaut werden soll und dabei menschenrechtliche Vorbehalte ignoriert werden!
Wer, wie, was ist Frontex?
Frontex steht als Kurzbezeichnung für die »Europäische Grenz- und Küstenwache«. Die EU-Agentur wurde 2004 zur Unterstützung der EU-Mitgliedstaaten bei ihrem Grenzschutz gegründet. Frontex hat eigene Mitarbeiter*innen und bekommt zusätzlich von den Mitgliedstaaten Beamt*innen gestellt. Die Agentur wird an den europäischen Außengrenzen eingesetzt, mit der Operation Poseidon zum Beispiel in Griechenland, wo sie bei der Grenzüberwachung sowie der Registrierung von Asylsuchenden unterstützt. Darüber hinaus ist Frontex aktuell in den westlichen Balkanstaaten, Spanien und Italien aktiv. Immer häufiger organisiert Frontex Abschiebungen, auch aus Deutschland. Der Einsatz und die Methoden von Frontex werden immer wieder stark kritisiert. Bereits 2013 bekräftigten Recherchen von PRO ASYL den Vorwurf der Beteiligung von Frontex an illegalen Push-Backs in Griechenland.
Budget von fast 12 Milliarden
Obwohl die aktuell geltende Frontex-Verordnung erst 2016 verabschiedet wurde, hat die Europäische Kommission im September 2018 nicht nur eine Reform sondern eine komplette Neugestaltung dieser vorgeschlagen. Tatsächlich macht die Kommission in ihrem Vorschlag keine halben Sachen: mehr Befugnisse, eigene Ausrüstung und mit einem geplantem Budget von fast 12 Milliarden Euro ab 2021 wesentlich mehr Geld.
Die Agentur soll über eine ständige Reserve von 10.000 Einsatzkräften verfügen und sowohl stationär als auch ad-hoc in Mitgliedsstaaten präsent sein.
Die Agentur soll ab 2020 über eine ständige Reserve von 10.000 Einsatzkräften verfügen und sowohl stationär als auch ad-hoc in Mitgliedsstaaten präsent sein. In den Verhandlungen wurde letztes dahingehend abgeschwächt, dass die ständige Reserve von 10.000 Kräften erst bis 2027 aufgebaut werden soll. Damit bleibt dies natürlich weiterhin eine massive Vergrößerung einer umstrittenen Agentur, die insbesondere angesichts der Tatsache verwundert, dass die Kommission selbst verkündet, dass Europa aktuell keine »Migrationskrise« mehr erlebt.
Es fehlt effektive menschenrechtliche Kontrolle!
Als Grenzschutzbehörde ist Frontex in einem sehr heiklen Feld tätig, indem es immer wieder zu Menschenrechtsverletzungen kommt – zum Beispiel, wenn Menschen illegaler Weise an der Grenze direkt zurück geschickt werden, ohne zu prüfen, ob sie Schutz benötigen. Auch kommt es immer wieder zu Gewalt bei Einsätzen an Grenzen, wobei offen bleibt, wer die rechtliche Verantwortung trägt.
Angesichts des vorgeschlagenen Kompetenzzuwachs und der Vergrößerung von Frontex wird dieser Mangel an tatsächlich effektiven Klagemöglichkeiten bei Menschenrechtsverletzungen noch problematischer. Laut Presseerklärung des Europäischen Parlaments, wird die neue Frontex-Verordnung gewisse menschenrechtliche Garantien vorsehen, ohne dass diese bisher konkret benannt wurden. Es ist aber nicht davon auszugehen, dass diese den grundsätzlichen Kontrollmangel von Frontex beheben werden. Frontex hat zwar ein internes Beschwerdeverfahren, das hat jedoch viele Mängel. Vor allem kann es als internes Verwaltungsverfahren kein gerichtliches Verfahren ersetzen.
Die Europäische Grundrechtsagentur hat in einer Studie deshalb die Stärkung dieses Verfahrens im Rahmen der neuen Frontex-Verordnung sowie die Stärkung des Frontex-Grundrechtsbeauftragten gefordert. PRO ASYL unterstützt diese Forderungen grundsätzlich. Jedoch braucht es vor allem einen institutionell unabhängigen Beschwerdemechanismus, der für Opfer leicht zugänglich ist und der rechtlich bindende Entscheidungen treffen kann.
Es braucht einen institutionell unabhängigen Beschwerdemechanismus, der für Opfer leicht zugänglich ist und der rechtlich bindende Entscheidungen treffen kann.
Kaum Möglichkeiten, Frontex vor Gericht zu bringen
Die Frage nach der menschenrechtlichen Kontrolle und der Klagemöglichkeiten bei Verletzung von Menschenrechten sind schon seit langem Kernprobleme von Frontex. Für Opfer von Rechtsverletzungen durch Frontex, ist es unheimlich schwierig, die Agentur vor Gericht zu bringen. Denn dies hängt schon davon ab, ob der/die ausführende Beamt*in bei Frontex direkt angestellt oder von einem Mitgliedstaat gestellt wurde.
Gegen die Handlungen von einem für eine Frontex-Operation zur Verfügung gestellte Grenzbeamt*in kann die betroffene Person zunächst vor dessen nationalen Gerichten vorgehen und, sollte dies scheitern, letztendlich auch vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) ziehen. Gegen Frontex selbst und die dort direkt angestellten Beamt*innen rechtlich vorzugehen ist dagegen sehr schwierig. Da die EU bislang nicht die Europäische Menschenrechtskonvention des Europarates ratifiziert hat, bleibt der Gang gegen Frontex, bzw. die EU, vor den EGMR versperrt. Vor dem Gerichtshof der Europäischen Union gibt es zwar weitere relevante Klagemöglichkeiten, etwa eine Schadensersatzklage, deren Voraussetzungen sind aber sehr hoch.
Da die EU bislang nicht die Europäische Menschenrechtskonvention des Europarates ratifiziert hat, bleibt der Gang gegen Frontex, bzw. die EU, vor den EGMR versperrt.
In der Praxis sind diese Rechtswege deswegen sehr schwierig zu beschreiten, was auch mit der Komplexität von Frontex-Einsätzen zu tun hat, bei denen neben Frontex oft verschiedene Mitgliedstaaten involviert sind. Bereits die Frage, welcher Rechtsweg möglich ist, wird so zur Herausforderung.
Der Europäische Flüchtlingsrat ECRE, hat eine ausführliche Stellungnahme zur ursprünglich von der Kommission vorgeschlagenen Frontex-Verordnung veröffentlicht, die hier zu finden ist. Eine Kurzfassung von PRO ASYL findet sich hier.
(wj/mz)