Image
Seebrücke statt Frontex forderten im Herbst 2018 Tausende Menschen bei einer Demonstration in Frankfurt. Foto: PRO ASYL / Max Klöckner

Die Europawahl nähert sich mit schnellen Schritten und so steigt der Druck auf die Mitgliedstaaten und die EU Institutionen, noch vor der Wahl Erfolge im Bereich der Flüchtlingspolitik vorzuweisen. Während das bei der Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems gescheitert ist, wurde sich nun bezüglich der Grenzschutzagentur Frontex geeinigt.

Laut Pres­se­er­klä­rung des Euro­päi­schen Par­la­men­tes vom 28. März 2019, haben Vertreter*innen von Euro­pa­par­la­ment, EU-Staa­ten und Kom­mis­si­on sich in einem infor­mel­len Tref­fen bezüg­lich der umstrit­te­nen neu­en Fron­tex-Ver­ord­nung geei­nigt. Der Vor­schlag zur neu­en Ver­ord­nung wur­de erst im Sep­tem­ber letz­ten Jah­res von der Kom­mis­si­on vor­ge­stellt. Der Wort­laut der Eini­gung ist noch nicht bekannt und muss in den ein­zel­nen Gre­mi­en erst abge­stimmt wer­den. Ange­sichts der bekannt gewor­de­nen Punk­te ist aber zu befürch­ten, dass die bereits jetzt umstrit­te­ne EU-Agen­tur noch vor der Euro­pa­wahl im Schnell­schuss zu einer Agen­tur der Super­la­ti­ve aus­ge­baut wer­den soll und dabei men­schen­recht­li­che Vor­be­hal­te igno­riert werden!

Wer, wie, was ist Frontex?

Fron­tex steht als Kurz­be­zeich­nung für die »Euro­päi­sche Grenz- und Küs­ten­wa­che«. Die EU-Agen­tur wur­de 2004 zur Unter­stüt­zung der EU-Mit­glied­staa­ten bei ihrem Grenz­schutz gegrün­det. Fron­tex hat eige­ne Mitarbeiter*innen und bekommt zusätz­lich von den Mit­glied­staa­ten Beamt*innen gestellt. Die Agen­tur wird an den euro­päi­schen Außen­gren­zen ein­ge­setzt, mit der Ope­ra­ti­on Posei­don zum Bei­spiel in Grie­chen­land, wo sie bei der Grenz­über­wa­chung sowie der Regis­trie­rung von Asyl­su­chen­den unter­stützt. Dar­über hin­aus ist Fron­tex aktu­ell in den west­li­chen Bal­kan­staa­ten, Spa­ni­en und Ita­li­en aktiv. Immer häu­fi­ger orga­ni­siert Fron­tex Abschie­bun­gen, auch aus Deutsch­land. Der Ein­satz und die Metho­den von Fron­tex wer­den immer wie­der stark kri­ti­siert. Bereits 2013 bekräf­tig­ten Recher­chen von PRO ASYL den Vor­wurf der Betei­li­gung von Fron­tex an ille­ga­len Push-Backs in Griechenland.

Budget von fast 12 Milliarden

Obwohl die aktu­ell gel­ten­de Fron­tex-Ver­ord­nung erst 2016 ver­ab­schie­det wur­de, hat die Euro­päi­sche Kom­mis­si­on im Sep­tem­ber 2018 nicht nur eine Reform son­dern eine kom­plet­te Neu­ge­stal­tung die­ser vor­ge­schla­gen. Tat­säch­lich macht die Kom­mis­si­on in ihrem Vor­schlag kei­ne hal­ben Sachen: mehr Befug­nis­se, eige­ne Aus­rüs­tung und mit einem geplan­tem Bud­get von fast 12 Mil­li­ar­den Euro ab 2021 wesent­lich mehr Geld.

Die Agen­tur soll über eine stän­di­ge Reser­ve von 10.000 Ein­satz­kräf­ten ver­fü­gen und sowohl sta­tio­när als auch ad-hoc in Mit­glieds­staa­ten prä­sent sein.

Die Agen­tur soll ab 2020 über eine stän­di­ge Reser­ve von 10.000 Ein­satz­kräf­ten ver­fü­gen und sowohl sta­tio­när als auch ad-hoc in Mit­glieds­staa­ten prä­sent sein. In den Ver­hand­lun­gen wur­de letz­tes dahin­ge­hend abge­schwächt, dass die stän­di­ge Reser­ve von 10.000 Kräf­ten erst bis 2027 auf­ge­baut wer­den soll. Damit bleibt dies natür­lich wei­ter­hin eine mas­si­ve Ver­grö­ße­rung einer umstrit­te­nen Agen­tur, die ins­be­son­de­re ange­sichts der Tat­sa­che ver­wun­dert, dass die Kom­mis­si­on selbst ver­kün­det, dass Euro­pa aktu­ell kei­ne »Migra­ti­ons­kri­se« mehr erlebt.

Es fehlt effektive menschenrechtliche Kontrolle!

Als Grenz­schutz­be­hör­de ist Fron­tex in einem sehr heik­len Feld tätig, indem es immer wie­der zu Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen kommt – zum Bei­spiel, wenn Men­schen ille­ga­ler Wei­se an der Gren­ze direkt zurück geschickt wer­den, ohne zu prü­fen, ob sie Schutz benö­ti­gen. Auch kommt es immer wie­der zu Gewalt bei Ein­sät­zen an Gren­zen, wobei offen bleibt, wer die recht­li­che Ver­ant­wor­tung trägt.

Ange­sichts des vor­ge­schla­ge­nen Kom­pe­tenz­zu­wachs und der Ver­grö­ße­rung von Fron­tex wird die­ser Man­gel an tat­säch­lich effek­ti­ven Kla­ge­mög­lich­kei­ten bei Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen noch pro­ble­ma­ti­scher. Laut Pres­se­er­klä­rung des Euro­päi­schen Par­la­ments, wird die neue Fron­tex-Ver­ord­nung gewis­se men­schen­recht­li­che Garan­tien vor­se­hen, ohne dass die­se bis­her kon­kret benannt wur­den. Es ist aber nicht davon aus­zu­ge­hen, dass die­se den grund­sätz­li­chen Kon­troll­man­gel von Fron­tex behe­ben wer­den. Fron­tex hat zwar ein inter­nes Beschwer­de­ver­fah­ren, das hat jedoch vie­le Män­gel. Vor allem kann es als inter­nes Ver­wal­tungs­ver­fah­ren kein gericht­li­ches Ver­fah­ren ersetzen.

Die Euro­päi­sche Grund­rechts­agen­tur hat in einer Stu­die des­halb die Stär­kung die­ses Ver­fah­rens im Rah­men der neu­en Fron­tex-Ver­ord­nung sowie die Stär­kung des Fron­tex-Grund­rechts­be­auf­trag­ten gefor­dert. PRO ASYL unter­stützt die­se For­de­run­gen grund­sätz­lich. Jedoch braucht es vor allem einen insti­tu­tio­nell unab­hän­gi­gen Beschwer­de­me­cha­nis­mus, der für Opfer leicht zugäng­lich ist und der recht­lich bin­den­de Ent­schei­dun­gen tref­fen kann.

Es braucht einen insti­tu­tio­nell unab­hän­gi­gen Beschwer­de­me­cha­nis­mus, der für Opfer leicht zugäng­lich ist und der recht­lich bin­den­de Ent­schei­dun­gen tref­fen kann.

Kaum Möglichkeiten, Frontex vor Gericht zu bringen

Die Fra­ge nach der men­schen­recht­li­chen Kon­trol­le und der Kla­ge­mög­lich­kei­ten bei Ver­let­zung von Men­schen­rech­ten sind schon seit lan­gem Kern­pro­ble­me von Fron­tex. Für Opfer von Rechts­ver­let­zun­gen durch Fron­tex, ist es unheim­lich schwie­rig, die Agen­tur vor Gericht zu brin­gen. Denn dies hängt schon davon ab, ob der/die aus­füh­ren­de Beamt*in bei Fron­tex direkt ange­stellt oder von einem Mit­glied­staat gestellt wurde.

Gegen die Hand­lun­gen von einem für eine Fron­tex-Ope­ra­ti­on zur Ver­fü­gung gestell­te Grenzbeamt*in kann die betrof­fe­ne Per­son zunächst vor des­sen natio­na­len Gerich­ten vor­ge­hen und, soll­te dies schei­tern, letzt­end­lich auch vor den Euro­päi­schen Gerichts­hof für Men­schen­rech­te (EGMR) zie­hen. Gegen Fron­tex selbst und die dort direkt ange­stell­ten Beamt*innen recht­lich vor­zu­ge­hen ist dage­gen sehr schwie­rig. Da die EU bis­lang nicht die Euro­päi­sche Men­schen­rechts­kon­ven­ti­on des Euro­pa­ra­tes rati­fi­ziert hat, bleibt der Gang gegen Fron­tex, bzw. die EU, vor den EGMR ver­sperrt. Vor dem Gerichts­hof der Euro­päi­schen Uni­on gibt es zwar wei­te­re rele­van­te Kla­ge­mög­lich­kei­ten, etwa eine Scha­dens­er­satz­kla­ge, deren Vor­aus­set­zun­gen sind aber sehr hoch.

Da die EU bis­lang nicht die Euro­päi­sche Men­schen­rechts­kon­ven­ti­on des Euro­pa­ra­tes rati­fi­ziert hat, bleibt der Gang gegen Fron­tex, bzw. die EU, vor den EGMR versperrt. 

In der Pra­xis sind die­se Rechts­we­ge des­we­gen sehr schwie­rig zu beschrei­ten, was auch mit der Kom­ple­xi­tät von Fron­tex-Ein­sät­zen zu tun hat, bei denen neben Fron­tex oft ver­schie­de­ne Mit­glied­staa­ten invol­viert sind. Bereits die Fra­ge, wel­cher Rechts­weg mög­lich ist, wird so zur Herausforderung.

Der Euro­päi­sche Flücht­lings­rat ECRE, hat eine aus­führ­li­che Stel­lung­nah­me zur ursprüng­lich von der Kom­mis­si­on vor­ge­schla­ge­nen Fron­tex-Ver­ord­nung ver­öf­fent­licht, die hier zu fin­den ist. Eine Kurz­fas­sung von PRO ASYL fin­det sich hier.

(wj/mz)