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Immer wieder kommt es zu sofortigen Zurückschiebungen in den spanischen Exklaven. Das ist menschenrechtswidrig, urteilte jetzt der EGMR. Foto: José Palazon

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) stellt eindeutig klar: Flüchtende haben auch an den Außengrenzen der EU ein »Recht auf Rechte«. Spanien darf an den Grenzzäunen seiner Exklave Melilla Schutzsuchende nicht ohne weiteres nach Marokko zurückweisen. Kollektive Abschiebungen dieser Art verstoßen gegen Menschenrechte.

Schon lan­ge sind sys­te­ma­ti­sche Zurück­schie­bun­gen von Geflüch­te­ten und Migrant*innen durch die spa­ni­sche Guar­dia Civil an der Außen­gren­ze der spa­ni­schen Exkla­ve Mel­il­la nach Marok­ko bekannt. Nun hat der EGMR in zwei Fäl­len die­se ille­ga­len »push-backs« als Ver­let­zung der Euro­päi­schen Men­schen­rechts­kon­ven­ti­on (EMRK) ver­ur­teilt (N.T. und N.D. gegen Spa­ni­en). In bei­den Fäl­len muss Spa­ni­en 5.000 € Ent­schä­di­gung an die Betrof­fe­nen zahlen.

Bei den Betrof­fe­nen han­delt es sich um zwei jun­ge Män­ner aus Mali bzw. der Elfen­bein­küs­te, die im August 2014 mit über 70 wei­te­ren Per­so­nen ver­sucht hat­ten, über die Grenz­zäu­ne von Marok­ko nach Mel­il­la auf spa­ni­schen Boden zu gelan­gen. Nach­dem sie über die Zäu­ne geklet­tert waren, wur­den sie beim Hin­un­ter­klet­tern umge­hend von der spa­ni­schen Guar­dia Civil fest­ge­nom­men – um sie sofort ohne jeg­li­che Prü­fung wie­der nach Marok­ko zurück­zu­schie­ben. Dort war­te­ten schon die marok­ka­ni­schen Sicher­heits­kräf­te, die die Geflüch­te­ten ins Lan­des­in­ne­re ver­brach­ten. Bei den Fest­stel­lun­gen stützt sich das Gericht auch auf das Video­ma­te­ri­al ver­schie­de­ner Journalist*innen und Zeug*innen.

Die lang­jäh­ri­ge Abschie­be­pra­xis der spa­ni­schen Behör­den ist damit auch aus Sicht des EGMR rechtswidrig.

Klarer Verstoß gegen das Verbot der Kollektivausweisung

Die Beschwer­den, die vom Euro­pean Cen­ter for Con­sti­tu­tio­nal and Human Rights (ECCHR) unter­stützt wur­den, hat­ten auf gan­zer Linie Erfolg. Der Gerichts­hof stellt sowohl einen Ver­stoß gegen das Ver­bot der Kol­lek­tiv­aus­wei­sung (Arti­kel 4 des Vier­ten Zusatz­pro­to­kolls der EMRK) als auch gegen das Recht auf effek­ti­ve Rechts­mit­tel (Arti­kel 13 der EMRK) fest. Denn zu kei­ner Zeit hat­ten die Betrof­fe­nen über­haupt die Mög­lich­keit, ein Ver­fah­ren ein­zu­lei­ten oder Rechts­schutz in Anspruch zu neh­men. Es wur­de nicht ein­mal ihre Iden­ti­tät geprüft, es konn­ten kei­ner­lei per­sön­li­chen Umstän­de vor­ge­bracht wer­den. Die lang­jäh­ri­ge Abschie­be­pra­xis der spa­ni­schen Behör­den ist damit auch aus Sicht des EGMR rechtswidrig.

Weitreichende Bedeutung: EMRK gilt uneingeschränkt an den EU-Außengrenzen

Der Gerichts­hof hat »kei­nen Zwei­fel« dar­an, dass die Euro­päi­sche Men­schen­rechts­kon­ven­ti­on auch an den Außen­gren­zen der EU gilt. Das Beson­de­re: Nicht ent­schei­dend ist, ob die Betrof­fe­nen schon spa­ni­sches Ter­ri­to­ri­um betre­ten haben oder nicht. Es genügt bereits, dass die spa­ni­schen Behör­den de fac­to die Kon­trol­le über die Betrof­fe­nen hat­ten und zwar ab dem Moment, wo sie von den Zäu­nen hinunterkletterten.

Die­se Aus­le­gung kann in vie­len wei­te­ren Fäl­len an den EU-Außen­gren­zen, auch auf Hoher See, von weit­rei­chen­der Bedeu­tung sein. Bereits jetzt lie­gen dem Gerichts­hof Anträ­ge von Geflüch­te­ten aus Syri­en, Irak und Afgha­ni­stan vor, die sich gegen die ille­ga­le Rück­schie­bung nahe des Lagers Ido­me­ni an der maze­do­nisch-grie­chi­schen Gren­ze rich­ten und die von PRO ASYL unter­stützt werden.

(beb)