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Viele syrische Familien warten unter katastrophalen Bedingungen darauf, dass sie endlich wieder zu ihren Verwandten können. Durch die neue Praxis in Deutschland werden sie noch jahrelang auf Familiennachzug warten müssen. Foto: UNHCR / Alfredo D'Amato

Die neuesten Zahlen aus dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) bestätigen die Befürchtungen von PRO ASYL nach der Verabschiedung des »Asylpaket II« im Februar: Immer mehr syrische Flüchtlinge erhalten keinen Flüchtlingsstatus gemäß der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK).

Vie­len Geflüch­te­ten aus Syri­en wird statt­des­sen nur noch ein sub­si­diä­rer Schutz­sta­tus zuge­spro­chen.  Vom Fami­li­en­nach­zug inner­halb der nächs­ten zwei Jah­re sind sie des­halb aus­ge­schlos­sen. Hier­bei gilt als Stich­tag der 17. März 2016: Wer nach die­sem Tag sub­si­diä­ren Schutz erhielt, kann erst ab 16. März 2018 (!) über­haupt einen Antrag auf Fami­li­en­zu­sam­men­füh­rung stel­len. Vie­le der Men­schen hat­ten die Wei­ter­flucht nach Euro­pa jedoch allei­ne ange­tre­ten, um ihrer Fami­lie die lebens­ge­fähr­li­che Über­fahrt über das Meer zu ersparen.

Beschränkung des Familiennachzugs durch die Hintertür

Bis zur Ver­ab­schie­dung des Asyl­pa­kets II erhielt nur ein sehr gerin­ger Anteil der Asylbewerber*innen sub­si­diä­ren Schutz (ledig­lich 0,7 Pro­zent der Antrags­stel­ler, ins­ge­samt 1.707 Per­so­nen im Jahr 2015). Es liegt auf der Hand, dass die Ent­schei­dung, sub­si­di­är Geschütz­ten zukünf­tig kei­nen sofor­ti­gen Fami­li­en­nach­zug mehr zu gewäh­ren, mit Hin­ter­ge­dan­ken geschah: Die Ent­schei­dungs­pra­xis bei syri­schen Flücht­lin­gen soll­te sich ändern. Mit der ver­mehr­ten Ertei­lung des sub­si­diä­ren Schutz­sta­tus und der Ver­wei­ge­rung der Flücht­lings­an­er­ken­nung nach der GFK will die Bun­des­re­gie­rung nun den Fami­li­en­nach­zug durch die Hin­ter­tür begrenzen.

Damalige Aussagen der Integrationsbeauftragten sind widerlegt

Ange­sichts der neu­en BAMF-Zah­len erweist sich die Pro­gno­se der Beauf­trag­ten für Migra­ti­on, Flücht­lin­ge und Inte­gra­ti­on Aydan Özoğuz (SPD) aus dem Febru­ar 2016 als schlicht­weg falsch: Von den Ein­schrän­kun­gen beim Fami­li­en­nach­zug sei schließ­lich »nur eine klei­ne Grup­pe mit unge­si­cher­tem Auf­ent­halt betrof­fen«, recht­fer­tig­te die Minis­te­rin die Geset­zes­än­de­rung damals. PRO ASYL befürch­te­te schon damals, dass die­se Ein­schät­zung nicht stimmt. Das wird nun immer deutlicher.

Die Situa­ti­on in Syri­en ist seit Jah­ren unver­än­dert kata­stro­phal und erfor­dert, dass syri­schen Geflüch­te­ten der Flücht­lings­sta­tus gemäß der Gen­fer Flücht­lings­kon­ven­ti­on zuge­spro­chen wird.

Politische Einflussnahme auf das BAMF

Im Juni 2016 wur­de syri­schen Asyl­an­trag­stel­le­rIn­nen in rund 10.250 Fäl­len – 46 Pro­zent aller inhalt­li­chen Ent­schei­dun­gen – ledig­lich sub­si­diä­rer Schutz gewährt. Dass die­se Asyl­pra­xis ein Aus­druck poli­ti­scher Ein­fluss­nah­me auf das BAMF ist, zeigt sich dar­an, dass bereits im April 2016 (unmit­tel­bar nach dem Stich­da­tum 17. März 2016) die Zahl von sub­si­diä­ren Schutz­ent­schei­dun­gen bei Syrer*innen signi­fi­kant anstieg: Im April lag der Anteil bei 16 Pro­zent, seit­dem ist er kon­ti­nu­ier­lich gestie­gen, im Juni auf fast der Hälf­te aller inhalt­li­chen Ent­schei­dun­gen. Damit liegt er deut­lich höher als im Jahr 2014, als der Anteil sub­si­di­är Geschütz­ter gemes­sen an allen syri­schen Antragsteller*innen 13,6% betrug.

46%

der Syrer*innen beka­men im Juni nur noch sub­si­diä­ren Schutz zugesprochen.

In Syrien droht vielen individuelle Verfolgung

Die Schlech­ter­stel­lung syri­scher Asyl­su­chen­der beim gewähr­ten Schutz­sta­tus ent­behrt jeg­li­cher recht­li­chen Grund­la­ge und ist allein Aus­druck poli­ti­schen Wil­lens. Die Situa­ti­on für die Zivil­be­völ­ke­rung in Syri­en ist seit Jah­ren unver­än­dert kata­stro­phal und erfor­dert, dass syri­schen Geflüch­te­ten der Flücht­lings­sta­tus gemäß der Gen­fer Flücht­lings­kon­ven­ti­on (GFK) zuge­spro­chen wird. Dies hat auch das UN-Flücht­lings­hilfs­werk im ver­gan­ge­nen Novem­ber dargestellt.

Ins­be­son­de­re die Viel­zahl von poten­zi­el­len Ver­fol­gern in Syri­en (Assad-Regime, der sog. Isla­mi­sche Staat, diver­se Rebel­len­grup­pen, etc.) spricht für eine begrün­de­te Furcht von syri­schen Flücht­lin­gen vor einer Rück­kehr, zumal der syri­sche Geheim­dienst Exil­ak­ti­vi­tä­ten in Deutsch­land beob­ach­tet und die Bun­des­re­pu­blik durch die Auf­nah­me der Flücht­lin­ge in Syri­en mitt­ler­wei­le als Hort oppo­si­tio­nel­ler Kräf­te gilt. Eine Ver­än­de­rung die­ser Bedro­hungs­la­ge ist nicht in Sicht, vor allem seit die Posi­ti­on von Prä­si­dent Assad mit der Inter­ven­ti­on Russ­lands mas­siv gestärkt wurde.

Syrische Flüchtlinge müssen einen Flüchtlingsstatus gemäß der GFK erhalten!

Syrer*innen müs­sen also mit indi­vi­du­el­ler Ver­fol­gung rech­nen, wenn sie in ihre Hei­mat zurück­keh­ren, daher muss ihnen der Flücht­lings­sta­tus nach der GFK zuer­kannt wer­den. PRO ASYL emp­fiehlt allen syri­schen Flücht­lin­gen, eine Ver­fah­rens­be­ra­tung auf­zu­su­chen und sich umfas­send auf Anhö­run­gen beim BAMF vor­zu­be­rei­ten. Soll­te das BAMF ihre Anträ­ge nur mit dem sub­si­diä­ren Schutz beschei­den, gibt es die Mög­lich­keit, den Kla­ge­weg zu beschreiten.