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Familiennachzug zu subsidiär Geschützten: Auswärtiges Amt baut weitere Hürden auf
Während die Regierungskoalitionen um Verbesserungen für Flüchtlingsfamilien ringen, verschärft das Auswärtige Amt mit dem Runderlass vom 20. März die Situation für Familien von subsidiär Geschützten.
Mit dem Runderlass vom 20. März 2017 hat das Auswärtige Amt (AA) die Grundlagen für den Familiennachzug zu unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen weiter verschärft. Die restriktiven Bedingungen machen einen Nachzug von Familien mit Kindern zu in Deutschland lebenden, anerkannten Flüchtlingen so gut wie unmöglich.
Hohe Hürden für den Nachzug
Unter anderem legt der Erlass fest, dass Geschwister von in Deutschland anerkannten minderjährigen Flüchtlingen ein Visum zum Familiennachzug nach §32 AufenthG grundsätzlich nur dann erreichen können, wenn die Eltern nachweisen können, dass in Deutschland ausreichender Wohnraum zur Verfügung steht. Es erscheint schon nahezu unmöglich, dass für die Eltern und Geschwister eines in Deutschland lebenden Flüchtlingskindes »ausreichender Wohnraum« nachgewiesen wird.
Gewährleistung des Lebensunterhalts gefordert
Zusätzlich müssen die Eltern den Lebensunterhalt für sich und die nachziehenden Kinder sichern können. Nur wenn ein sog. »atypischer Fall« vorliegt, soll »ausnahmsweise« davon abgesehen werden. Geprüft werden soll z.B., ob Kinder bei Verwandten oder in Flüchtlingslagern zurückbleiben können, oder ob ein Familienmitglied bei den Kindern zurückbleibt. Die Trennung der Eltern oder von Eltern und Kindern hält das Auswärtige Amt grundsätzlich für zumutbar.
Auswärtiges Amt: Trennungen von Familien kein Härtefall
Darüber hinaus soll ein Geschwisternachzug gemäß §36 Abs. 2 AufenthG in Betracht kommen, wenn eine sog. »außergewöhnliche Härte« vorliegt. Diese sei aber »stets familienbezogen« und ergebe sich »explizit aus der Trennung der Geschwister«. Nach Auffassung des AA stellt weder die Trennung von den Eltern eine »außergewöhnliche Härte« dar noch »die sich aus dem Leben in einem Kriegs- oder Krisengebiet ergebende Härte«.
Auch bei Vorliegen einer »außergewöhnlichen Härte« sei im Übrigen die Lebensunterhaltssicherung zu verlangen, sofern kein »atypischer Fall« vorliege.
Bei all den kaum zu erreichenden Forderungen kommt hinzu: Wenn ein in Deutschland anerkanntes Kind innerhalb von 90 Tagen volljährig wird, soll die Erteilung eines Visums für Geschwisterkinder ausgeschlossen sein.
Für subsidiär Geschützte: Härtefallregelung soll es richten
Für Flüchtlingskinder, denen keine Flüchtlingsanerkennung, sondern nur »subsidiärer Schutz« zugebilligt werden soll, verweist das Auswärtige Amt auf die Möglichkeit einer Aufnahme gemäß § 22 AufenthG. Entsprechende Anträge zur Begründung einer »humanitären Notlage« sollen direkt vom Auswärtigen Amt bearbeitet werden.
In der Praxis hat sich die Härtefallregelung bislang nicht bewährt. Vom § 22 AufenthG wurde »fast kein Gebrauch gemacht«, beklagt der UNHCR in seiner Stellungnahme vom 17. März 2017. Über die Härtefallregelung hat es bislang keinen einzigen Familiennachzug zu subsidiär geschützten Minderjährigen nach Deutschland gegeben (BT-Drucksache 18/11473). Laut dem CDU-Fraktionsvorsitzenden Kauder gebe es inzwischen 49 Fälle, die bearbeitet werden.
Auch Härtefallklausel wird eng ausgelegt
Die Härtefallklauseln zur Ermöglichung eines Familiennachzugs nach §36 Abs. und §22 AufenthG sind so restriktiv gefasst, dass ein Familiennachzug nur in wenigen Ausnahmefällen aussichtsreich erscheint. Familien mit Kindern haben auch weiterhin nur geringe Chancen, im Wege des Familiennachzugs zu ihrem in Deutschland als Flüchtling anerkannten Kind nachzuziehen.
Bundesregierung behält harten Kurs bei
Während sich das niedersächsische Innenministerium für eine Verbesserung dieser Situation stark macht und beim Bundesinnenministerium für eine humane Lösung beim Familiennachzug zu UMF im Rahmen einer Gesetzesinitiative (Verzicht auf einen Wohnraumnachweis) wirbt, damit den Familien eine weitere Trennung erspart bleibt, insistiert die Bundesregierung auf ihrem harten Kurs.
Welche Folgen dies hat, macht das nachfolgende Praxisbeispiel deutlich:
Zwei Jugendlichen aus Syrien (19 und 16 Jahre alt), die in Deutschland bereits als Flüchtlinge anerkannt sind, wird von der Deutschen Botschaft in Ankara ein Zusammenleben mit ihren jüngeren Geschwistern verwehrt.
Den Eltern der Kinder werden Visa zum Nachzug zu ihrer 16-jährigen Tochter in Deutschland gewährt; allerdings müssen sie ihre beiden kleineren Kinder (10 und 8 Jahre alt) in Ankara zurücklassen. Eine außergewöhnliche Härte, so die Botschaft, läge für die Familie deshalb nicht vor. Die Ablehnung wird unter anderem damit begründet, dass die bereits in Deutschland lebenden Jugendlichen keinen ausreichenden Wohnraum und Unterhalt für ihre jüngeren Geschwister sicherstellen könnten.
Wörtlich heißt es in dem Bescheid der Botschaft: »Soweit Ermessen eröffnet war, wurde dieses zu Ihren Ungunsten ausgeübt. Der Antrag muss daher abgelehnt werden.« Die Eltern sehen sich vor die Alternative gestellt, sich für ein Zusammenleben mit ihren älteren oder ihren jüngeren Kindern entscheiden zu müssen. Zudem müssen sie schnell entscheiden, da die erteilten Visa nur für einen Monat gültig sind.
In letzter Minute entscheiden sich die Eltern, ihre kleinen Kinder in Ankara bei Verwandten zurückzulassen und das Visum zu nutzen. In Deutschland stellen die Eltern unverzüglich nach ihrer Einreise einen Asylantrag und werden schon nach vier Monaten als Flüchtlinge anerkannt. Das Verfahren verläuft erstaunlich schnell – andere Flüchtlinge warten jahrelang auf eine Entscheidung. Nun erst können sie für ihre bei Verwandten zurückgelassenen 8- und 10- jährigen Kinder bei der deutschen Botschaft ein Visum zum Familiennachzug beantragen.
Die seit fünf Monaten ohne ihre Eltern in Ankara ausharrenden Kinder hoffen darauf, dass ihren Eltern bei der Botschaft schnell ein Termin eingeräumt wird. Der am 6. März 2017 gestellte Antrag wurde bis heute nicht beantwortet. Die durchschnittliche Wartezeit für einen Termin bei der deutschen Botschaft in Ankara beträgt 7 – 9 Monate.
Wegen der »hohen Nachfrage nach Terminen« sollen »Alleinreisende minderjährige Kinder unter 14 Jahren (unabhängig davon, ob diese sich bereits in Deutschland befinden oder zu ihren Angehörigen nachziehen möchten)« aber einen »Sondertermin« erhalten können (siehe Hinweis der Botschaft).
So begrüßenswert diese Sensibilität der Botschaft für die Nöte der in der Türkei ohne ihre Eltern zurückgebliebenen Kinder ist – man hätte sich gewünscht, dass es gar nicht erst zu der Familientrennung hätte kommen müssen.